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Reiseveranstalter in Dresden: "Immer mehr Dresdner wollen nachhaltig reisen"

Am Wochenende informieren 300 Aussteller bei der Reisemesse in Dresden über Urlaubsziele und Reisetrends. Einer davon ist der Reiseveranstalter "schulz aktiv reisen". Das Team setzt auf Nachhaltigkeit - hat aber ein Problem.

Von Theresa Hellwig
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Frank Schulz und Ines Schmitt vom Reiseveranstalter "schulz aktiv reisen" aus der Dresdner Neustadt setzen auf nachhaltiges Reisen.
Frank Schulz und Ines Schmitt vom Reiseveranstalter "schulz aktiv reisen" aus der Dresdner Neustadt setzen auf nachhaltiges Reisen. © Matthias Rietschel

Dresden. Es klingt nach dem Idyll, das sich wahrscheinlich viele wünschen, die Reisen wollen - und zwar wirklich "Reisen". Eine kleine Gruppe, Brot backen in der Familie des Reiseleiters, der einheimisch ist - und deshalb viele geheime Ecken kennt. Die Menschen vor Ort und die Kultur wirklich kennenlernen. Nicht auf eigene Faust mit dem Rucksack losziehen müssen, aber trotzdem eine individuelle und authentische Reise erleben: Es ist das Konzept von "schulz aktiv reisen" aus der Dresdner Neustadt.

"Im Prinzip ist das der Kern, den wir noch aus der Anfangszeit mitgenommen haben", sagt Frank Schulz, Inhaber des Reiseanbieters. Die Anfangszeit, das war 1990 - kurz nach der Wende. Damals richtete sich das Angebot noch an die Touristen, die von woanders nach Dresden kamen. "Ich hatte kein Telefon, kein Geld, keinen Namen", sagt Frank Schulz und lacht. "Ich habe mich damals mit meinem Kleinbus und einem Schild vor den Zwinger gestellt und Stadttouren angeboten."

Zu Beginn bot das Unternehmen Touren durch Dresden an

Dabei ging es vorbei an Dresdens klassischen Touristenlieblingen, es ging am Elbufer entlang - und schlussendlich in die Dresdner Neustadt. Was heute nach einem ziemlich gängigen Programm klingt, war damals eine Besonderheit. Eine, die bei der ein oder anderen Person für ein Nase-Rümpfen sorgte, erklärt Frank Schulz. "Die Neustadt war damals noch völlig heruntergekommen. Da wollte eigentlich niemand hin", sagt er.

Ihn habe aber schon damals gefreut, auf die kleinen Geheimtipps aufmerksam zu machen. "Es gab einzelne, gut erhaltene Gründerzeitbauten", erinnert er sich. "Den Alaunpark. Und Pfunds Molkerei. Das kannte damals kaum jemand, ich habe da aber schon als Kind Milch gekauft", sagt er. "In der Neustadt herrschte damals eine unglaubliche Aufbruchstimmung, das musste ich zeigen!"

Ähnlich wünscht er sich das auch heute noch von seinen Reiseleitern, mit denen er in über 100 Ländern der Erde zusammenarbeitet. Über 200 Reisen und 50 Sportreisen hat er mittlerweile im Angebot - das Dresdner Stadtgebiet und die Neustadt sind nicht mehr darunter. Stattdessen Patagonien, Australien, Chile, Finnland, Spitzbergen in der Arktis.

Reisemesse mit über 300 Ausstellern

Etwa 30 Reiseleiter des Veranstalters kommen an diesem Wochenende nun nach Dresden, um bei der Reisemesse von ihren Touren zu berichten. Über 300 Aussteller präsentieren auf der Messe, die vom 26. bis zum 28. Januar auf dem Messegelände stattfindet, ihre Angebote. Es geht um Fluss- und Ozean-Kreuzfahrten, um Vanausbau oder Roadtrips, um Fahrradtouren, um Wanderreisen.

Neu dabei sind zum Beispiel Aussteller, die über die Mongolei informieren. Das Land ist vom Lonely Planet zum Trendreiseziel ernannt worden. "Campwerk", ein Anbieter aus Velbert, stellt ein neues Hartschalen-Dachzelt vor und lädt zum Probeliegen ein. Ebenfalls zum ersten Mal dabei sind E-Bike-Vorführungen im Rahmen der E-Bike-Days, die während der Messe stattfinden.

"schulz aktiv reisen" ist einer der Aussteller. Der Reiseveranstalter informiert auf der Messe über seine Reiseangebote. Immer im Gepäck dabei: der Nachhaltigkeitsgedanke. "Immer mehr Dresdner wollen nachhaltig reisen; wir werden immer öfter danach gefragt", erklärt Frank Schulz.

Nachhaltig reisen - das klingt erst einmal gut. Es bringt aber allerhand Schwierigkeiten mit sich, berichtet er - und so erlebt es auch Ines Schmitt, die 2011 ins Team kam und nun als Geschäftsleitung dabei ist.

Nachhaltigkeit auf mehreren Ebenen zu verstehen

Die beiden setzen auf Nachhaltigkeit auf ganz unterschiedlichen Ebenen. So gehe es ihnen zum Beispiel um Nachhaltigkeit im Sinne von lokaler Wertschöpfung. "Uns ist wichtig, dass das Geld vor Ort ankommt - und auch dort bleibt", erklärt Ines Schmitt. So übernachten die Reisenden in kleinen, landestypischen Unterkünften. Gegessen wird beispielsweise auch mal spontan in einer kleinen Kneipe vor Ort, die der Guide eben kennt.

Die beiden setzen aber auch auf Nachhaltigkeit im Sinne von fairer Bezahlung der Arbeitskräfte vor Ort. "In Nepal gibt es eine riesige Bandbreite, wie die Guides und Sherpas vergütet werden", berichtet Ines Schmitt. "Wir bezahlen überdurchschnittlich", sagt sie. "Wir arbeiten schon seit Jahren mit unserem Sherpa Gelu zusammen."

Vor allem aber bedeute Nachhaltigkeit eben auch, sofern es irgendwie möglich ist, umweltfreundlich zu reisen. Vor Ort - und zum Urlaubsziel an sich. "Wir bieten Fernreisen an. Wir müssen uns natürlich eingestehen, dass unsere Kunden oft fliegen", sagt Ines Schmitt. Das ist natürlich erst einmal nicht nachhaltig.

Dennoch: Seit einiger Zeit versieht das Team alle Reisen mit einem Logo, die ohne Flugzeug zu erreichen sind. "Erdgebundene Anreise möglich" steht dann neben der Online-Reiseinfo. Die Anreise müssen die Kundinnen und Kunden nicht über den Reiseveranstalter buchen, aber sie können.

Aber nicht nur bei der Reise zum Ziel schaut das Team, ob sie eine An- und Abreise ohne Flieger anbieten können. Auch bei den Transfers vor Ort achte der Veranstalter auf kurze Fahrten und möglichst umweltfreundliche Verkehrsmittel, wenn es möglich ist. "Auf Mallorca gibt es viele Anbieter, die alle schönen Ecken der Insel zeigen wollen", sagt Frank Schulz. "Wir konzentrieren uns auf eine Gegend und achten darauf, dass die Fahrten zu den Ausflugszielen nicht länger als 30 Minuten dauern."

Ein anderes Beispiel sei Korsika. "Dort gibt eine Eisenbahnstrecke. Unsere Unterkunft liegt direkt an der Strecke. Alle Ausflüge starten entweder direkt an der Unterkunft oder sind mit der Bahn erreichbar."

Eigentlich würde das Unternehmen noch viel mehr Touren mit der Bahn anbieten, aber es werde dem Reiseveranstalter nicht leicht gemacht, berichten Ines Schmitt und Frank Schulz. "Es gab früher eine durchgehende Zugverbindung nach Rumänien, die gibt es nicht mehr", berichtet Frank Schulz. Nachtzüge und Autozüge - vieles sei einfach abgeschafft worden. Dabei wäre die Nachfrage da: "Vor allem seit der Pandemie fragen uns ganz oft Dresdner, ob sie nicht mit dem Zug nach Rumänien, Albanien, in den Balkan fahren können", so Frank Schmitt.

Bahnfahren unattraktiv: ein politisches Problem

Eingestellte Strecken, unzuverlässige Bahnen durch Streiks oder Ausfälle - das mache das Bahnfahren unattraktiv. Hinzu komme aus Sicht der Reiseanbieter noch der Umstand, dass die Bahn seit Kurzem keine Provision für Ticketverkäufe mehr anbiete. "Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit kontraproduktiv", sagt Ines Schmitt.

Nicht nur dabei handele es sich um ein politisches Problem. Auch das Buchen von länderübergreifenden Bahn-Tickets sei vier- bis fünfmal komplizierter als das Buchen eines Flugtickets: ebenfalls ein politisches Problem.

Dennoch sei dem Unternehmen wichtig, all seine Reisen anbieten zu können; auch, wenn die Ziele nur mit dem Flugzeug zu erreichen sind. Denn nachhaltig zu reisen bedeute für Frank Schulz auch, Toleranz für andere Kulturen beizubringen - und Dankbarkeit für das, was man hat. Eben, indem die Reisenden die Menschen vor Ort und ihre Kultur wirklich kennenlernen - durch die Nähe zu den Einheimischen. So, wie Frank Schulz es bereits damals nach der Wende in Dresden begonnen hat. Nur, dass damals noch er selber jener Reiseleiter war.

Die Reisemesse Dresden findet vom 26. bis 28. Januar mit mehr als 300 Ausstellern auf dem Dresdner Messegelände statt. Messeveranstalter Ortec ist Teil der DDV Mediengruppe zu der auch Sächsische.de und die SZ gehören.