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Wie aus dem Dresdner Metalsänger Ed die Metalsängerin Mandy wurde

Eine Neigung zum Frausein hatte Ed Myer insgeheim schon lange, seit zwei Jahren lebt er sie auch aus. Es ist nicht nur die Geschichte der Transfrau Mandy, sondern auch die einer queeren Metalband: mit Rüschensöckchen statt schwarzer Kutte.

Von Theresa Hellwig
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Trans, genderfluid - Mandy Line aus Dresden will sich nicht ganz festlegen. Auf Konzerten tritt die Frontsängerin der Band "Helium5" jedenfalls als Mandy auf. So wurde aus der Metalband eine "queere Metalband".
Trans, genderfluid - Mandy Line aus Dresden will sich nicht ganz festlegen. Auf Konzerten tritt die Frontsängerin der Band "Helium5" jedenfalls als Mandy auf. So wurde aus der Metalband eine "queere Metalband". © Matthias Rietschel

Dresden. Der Tag, an dem Mandy Line es ihrer Band erzählt hat, war für sie kein leichter. Damals kannten ihre Bandkollegen sie noch als Ed Myer. Mit abgewetzter Jeans, als "Rocksau", als "Macker, der rumhackt", zählt sie heute auf. Einer, der "den Kerl raushängen ließ". Damals sagte er zu den anderen: "Es gibt da noch Mandy, die würde ich euch gerne mal vorstellen." Eine weiche, feminine Seite des Frontsängers, der Frontsängerin der Dresdner Metalband "Helium5" also.

Das Gespräch: Für Ed, für Mandy eine schwierige Situation. Auch für Max Stauß, den Gitarristen der Band, brachte das Outing damals offene Fragen mit sich. "Wird dann mit verstellter Stimme gesungen? Wird unsere Musik anders? Das schwirrte in meinem Kopf herum", erinnert sich der 45-Jährige. Als er Mandy dann das erste Mal sah, sei "einfach alles klar" gewesen. Es passte.

Seit zwei Jahren gibt es diese Mandy mittlerweile sichtbar. Seit vier Jahren, wenn man die Zeit im Verborgenen mitzählt. Und auch für die Band "Helium5" ging es weiter: Aus ihr ist mittlerweile eine "queere Metalband" geworden, so bezeichnen sich die drei Jungs und Mandy.

Outing als trans Sängerin in Heidenau

"Unseren ersten Auftritt mit Mandy hatten wir in Heidenau auf dem Rock am Damm", sagt Mandy Line - und spricht von sich in der dritten Person. "Seitdem nie wieder ohne." Die Fans der Band wussten damals von nichts, erinnern sich Max und Mandy. "Aber sie reagierten mit Begeisterung", erzählt Max.

Viele Fragen gab es damals an die Band. "Unsere Fans wollten wissen, ob Mandy Lifestyle ist - oder Provokation." Ja, und? Was ist sie? - "Eine glückliche Fügung", beantwortet die 56-Jährige die Fragen von damals nun heute. Wirklich trans oder Kunstfigur? "Man kann das alles nicht so klar sagen. Es gibt so eine riesige Bandbreite: hetero, schwul, trans, viel dazwischen. Ich sehe mich als Person, die nicht so genau weiß, wo es hingeht. Ich bin fluid." Das bedeutet: Mal ist sie Ed, mal Mandy.

Mittlerweile kennen sie viele als Mandy. Sie läuft so im Urlaub auf Fuerteventura herum, auf der Prager Straße in Dresden, am See. Auf der Arbeit hingegen ist sie Ed. Im Familienkontext ebenfalls. "Ich entwickle mich da seit vier Jahren", sagt Mandy. "Wohin die Reise geht, weiß ich noch nicht."

Max Stauß und Mandy Line von der Band Helium5 aus Dresden beim Proben. Bei Konzerten kommt sie für gewöhnlich als Mandy, beim Proben oft auch als Ed.
Max Stauß und Mandy Line von der Band Helium5 aus Dresden beim Proben. Bei Konzerten kommt sie für gewöhnlich als Mandy, beim Proben oft auch als Ed. © Matthias Rietschel

Ed Myers Geschichte als Mandy begann eigentlich schon früh, im Jugendalter. Schon damals habe er sich für Frauenkleidung interessiert und eine feminine Seite an sich entdeckt. Verbrachte einmal ein "Mädelswochenende" in Prag - und fand es super. "Ich hab dann zu Hause immer mal was angezogen", sagt er - und meint Frauenwäsche.

"Mit dem Mädelswochenende in Prag wollte ich die Tür im übertragenen Sinne einen Spalt breit öffnen", sagt sie. Aber sie sei mit der Tür in den Raum gekracht. "Ich wollte das nochmal und nochmal und dann jede Woche." Eine Weile lebte sie sich im Untergrund aus, ging beispielsweise in Fetischclubs.

Dann outete sie sich. Vor der Band, vor Freunden, vor der Familie. Seine Freundin blieb, sein Sohn sagte: "Es bleibt spannend in der Familie." Dann berichtete sein Sohn von Mina Caputo, der Frontsängerin der Hard-Rock-Band Life of Agony. Auch sie war einmal ein Mann. Die Band sei "trotzdem cool".

Überwiegend positiv reagierten die meisten auf das Outing. Dennoch: "Wenn ich Ed bin, fragen mich nur wenige, wie es der Mandy geht", sagt sie. "Da bin ich schon etwas enttäuscht." Es sei aber vielleicht auch nicht ganz leicht für die anderen, den Schalter umzulegen. "Für meinen Sohn, beispielsweise, war ich ja nun einmal 25 Jahre lang der Papa", überlegt Mandy.

Auf das Outing folgte eine Art Pubertät: das erste Mal Radfahren als Frau, das erste Mal im Bikini, das erste Mal mit Nagellack zum Bäcker. Alles war aufregend. Zunächst waren die Sprüche unangenehm, aber schnell waren die einfach egal.

Dass sie trotzdem nicht jeden Tag als Mandy lebe, habe auch ganz pragmatische Gründe. "Ich muss da morgens in die Wanne und mich rasieren. Das Anziehen, das Schminken - das dauert alles", sagt sie.

Auf Konzerten aber sei sie immer Mandy. Zwar verstehe sich die Band nicht als politisch, aber es ginge in den Texten trotzdem immer mal um politische Themen. Um Umweltschutz, um Überwachungspolitik. Und eben auch um "LGBTQI+", also um Fragen der sexuellen Orientierung. Im Song "So laut - So still" verarbeitet Mandy ihre Geschichte. Ihre Lieblingszeile: "Es darf auch irritieren, was andere sehen."

Zehn-Jahre-Jubiläumskonzert in der Reithalle

Die Zeile ist Programm. Denn mit ihren Kleidchen, teilweise auch in Rosa und mit Rüschen, entspricht Mandy natürlich nicht dem Klischee-Bild eines Metalsängers oder einer Metalsängerin. "Auch der Metalfan ist sehr in seiner Erscheinung festgelegt", sagt Max. "Das wollen wir aufbrechen." Und klar, will Mandy auch Normalität ins Trans-Dasein bringen.

Dennoch: Jammern, das wolle und möge sie nicht. "Ich habe auch noch nichts Schlechtes erlebt", sagt sie.

Seit zehn Jahren gibt es die Dresdner Metalband mittlerweile; am Anfang sang noch Ed. Am 30. April spielt die Band in der Reithalle ein Jubiläumskonzert. Ihre Familie kenne zwar die Fotos und die Videos mit Mandy. Auf diesen Tag aber legt Mandy noch einmal große Hoffnung: "Vielleicht kommt ja sogar meine Mama."