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Zahl der Wohnungslosen in Dresden ist stark gestiegen

Teure Mieten, psychische Probleme oder Suchterkrankungen - Sozialarbeiter müssen sich um immer mehr Wohnungslose in Dresden kümmern.

Von Julia Vollmer
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Die Menschen kämpfen nicht nur mit der Kälte draußen, sondern auch mit der Einsamkeit.
Die Menschen kämpfen nicht nur mit der Kälte draußen, sondern auch mit der Einsamkeit. © Claudia Hübschmann

Dresden. Explodierende Mieten, steigende Kosten für Lebensmittel und Energie, sich zuspitzende psychische Problem - die soziale Lage in der Stadt verschärft sich deutlich. Das wird auch an der Zahl der Menschen, die keine eigene Wohnung mehr haben, deutlich.

Die Zahl der wohnungslosen Menschen, die die Stadt unterbringt, hat zugenommen. Aktuell sind es 343 Personen, so das Sozialamt. 2022 waren es noch 300. Im Jahr 2010 waren es 217, wie das Wohnungsnotfallhilfekonzept der Stadt aus dem Jahr 2018 zeigt. Hunderte Menschen verloren zuletzt ihr Zuhause durch Zwangsräumungen.

Die Plätze in den Unterkünften der Stadt sind fast voll, nur 387 Plätze in Wohnheimen und Wohnungen stehen in Summe zur Verfügung. Hinzu kommen die Nachtcafés.

Rund 600 bis 800 Menschen in Dresden sind obdachlos

Dazu kommen die Menschen, die als "verdeckt wohnungslos" gelten. Das sind jene Menschen, die nicht von der Stadt untergebracht werden, sondern bei Freunden und Bekannten unterkommen, aber keine eigene Wohnung haben. Rund 600 bis 800 Menschen in Dresden sind obdachlos, so schätzen Sozialarbeiter.

Das Klischee, viele der Menschen würden sich diese Situation freiwillig aussuchen, widerlegt der aktuelle Jahresbericht der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Rund 97 Prozent der akut wohnungslosen Menschen geben an, dass sie sich eine eigene Wohnung für sich oder ihre Familie, ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft oder alternative Wohnformen oder Unterbringung wünschen.

"Ein sehr beunruhigender Höchstwert zeigt sich in diesem Jahr im Anteil der Familien, die erfasst wurden. Rund 11 Prozent der Hilfesuchenden leben in Haushalten mit Kindern, darunter Alleinerziehende sowie Paare mit Kindern", so Werena Rosenke, Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe.

"Inzwischen kommen jeden Tag 70 Menschen zu uns"

Auch die Dresdner Sozialarbeiter berichten von einer deutlichen Verschärfung der Lage. "Inzwischen kommen jeden Tag 70 Menschen zu uns und brauchen ein warmes Essen und Hilfe. Früher waren es um die 40", sagt Sozialarbeiterin Anne Klawa aus der Suppenküche auf der Kamenzer Straße. Es kommen sowohl jüngere Menschen als auch viele Senioren. Es gibt Mittagessen und warme Getränke von 11 bis 15 Uhr. Klawa und ihr Team freuen sich über Spenden wie Lebensmittel, aber auch warme Kleidung für die Betroffenen.

Über Spenden in Form von Schlafsäcken und Isomatten freuen sich auch die Streetworker von Safe Dresden. "Die Zahl der Menschen mit psychischen Problemen, denen wir auf der Strafe begegnen, hat sehr zugenommen zuletzt", sagt Sozialarbeiterin Heidi Hemmann. Ihr Team und sie kümmern sich um Menschen mit einer Suchterkrankung und/oder von Wohnungslosigkeit bedrohte oder bereits betroffenen Personen.

Immer dienstags von 13 bis 17 Uhr bieten sie in ihrem Büro auf der St. Petersburger Straße 14 eine offene Sprechstunde an. Der Bedarf ist riesig. "Früher haben wir das zu zweit gemacht, heute zu dritt, da so viele Menschen kommen. Im Schnitt sind es um die 40 Personen", so Hemmann. Ein großes Problem, das sie beobachtet: der angespannte Wohnungsmarkt und die teuren Mieten. "Für viele unsere Adressatinnen und Adressaten ist die Rückkehr auf den Wohnungsmarkt fast aussichtslos."

Sprechstunde für obdachlose Menschen

Einen großen Zulauf für ihre medizinische Sprechstunde für obdachlose Menschen erleben auch die Mediziner und Freiwilligen des Projektes Kosmos. Wöchentlich dienstags von 12.30 bis 13.30 Uhr bieten ein Arzt oder eine Ärztin eine Sprechstunde in den Räumlichkeiten von Safe DD in der St. Petersburger Straße 14 an. Das Angebot richtet sich an Menschen in schwierigen Lebens- und Wohnumständen. Es ist kostenlos, unbürokratisch und anonym.

"Es gibt einen riesengroßen Bedarf. Oft führen wir unsere Sprechstunde statt der geplanten Stunde über drei Stunden durch, um allen helfen zu können", so Marie von Kosmos. Nun gibt es gemeinsam mit Safe Dresden die Überlegung, das Projekt auch als mobiles Angebot anzubieten. "Viele der betroffenen Personen sind aufgrund der Erkrankungen nicht in der Lage, zu der Sprechstunde zu kommen. Mit einem Auto wären wir flexibler", sagt Marie. Die Mediziner und Freiwilligen suchen aktuell ein gebrauchtes Fahrzeug eines Rettungsdienstes als Spende, um den Menschen mobil helfen zu können.