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Stadtrat sauer: Dresdner Boxerdenkmal soll doch nicht umziehen

Johann Wilhelm Trollmann war deutscher Boxmeister, Nazi-Opfer und kam 1944 im KZ zu Tode. Trotz eines anderslautenden Stadtratsbeschlusses steht nun fest, dass der Gedenkort für ihn in Dresden-Hellerau bleibt. Wie das begründet wird.

Von Andreas Weller
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Die Dresdner Stadträte Jens Genschmar (l.) und Holger Zastrow am Boxerdenkmal für Johann Wilhelm Trollmann im Stadtteil Hellerau.
Die Dresdner Stadträte Jens Genschmar (l.) und Holger Zastrow am Boxerdenkmal für Johann Wilhelm Trollmann im Stadtteil Hellerau. © Sven Ellger

Dresden. Das Ringen um das Dresdner Boxerdenkmal ist offenbar beendet. 2018 hatte der Stadtrat beschlossen, es in den Sportpark Ostra zu versetzen, weil dieser zentraler liegt und so mehr Menschen das Schicksal des Boxers wahrnehmen können. Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) hat nun der Initiative einen Riegel vorgeschoben. Der Initiator tobt.

Boxerdenkmal kam 2012 nach Hellerau

1907 wurde Trollmann, der den Spitznamen "Rukeli" trug, als Sohn einer sinti-deutschen Familie geboren und 1933 Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Doch den Titel durfte er wegen seiner Abstammung unter dem Nazi-Regime nicht tragen, wurde sogar in ein Konzentrationslager gesteckt und starb 1944 im KZ-Außenlager Wittenberge.

Die Familie von Trollmann erhielt 2003 vom Deutschen Boxverband den Meistergürtel von 1933, außerdem wird der Sportler offiziell als Deutscher Meister geführt.

Seit elf Jahren befindet sich in Hellerau außerdem ein Denkmal. Der stilisierte Boxring wurde von einer Künstlergruppe geschaffen, um an Trollmann und alle anderen Opfer der Verfolgung von Sinti und Roma in der NS-Zeit zu erinnern. Das Denkmal wurde in mehreren Städten in Deutschland öffentlich ausgestellt und kam 2012 nach Hellerau, wo es seitdem auf dem Gelände des Festspielhauses steht.

2018 startete Jens Genschmar die Initiative, das Denkmal zu sanieren und zu versetzen. Damals war Genschmar noch FDP-Stadtrat, seit einigen Jahren ist er bei den Freien Wählern. Der Stadtrat beschloss 2018 einen Antrag dazu, das Denkmal steht aber weiterhin in Hellerau.

Im September startete Genschmar dann eine neue Initiative, gemeinsam mit FDP-Fraktionschef Holger Zastrow und Dissidenten-Stadtrat Michael Schmelich, weil der Beschluss immer noch nicht umgesetzt ist.

Die zuständige Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) hat den Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma in Heidelberg dazu befragt. Der wissenschaftliche Leiter Herbert Heuß antwortete, dass er die Örtlichkeiten nicht kenne, aber "mit einer klaren Tendenz, das Denkmal eher in den Sportpark Ostra zu verlegen, wenn dieser tatsächlich von guter Lage" ist. Schließlich sei dieser "deutlich zentraler".

Hilbert: Ostra-Sportpark keine sehr gute Lage

Das nahm Genschmar zum Anlass, erneut bei der Stadtspitze anzufragen, wann denn nun der Stadtratsbeschluss umgesetzt wird. Die Umsetzung sei mehrfach von Klepschs Bereich geprüft worden, heißt es in der Antwort von OB Hilbert dazu. Diese sei "weiterhin nicht umsetzbar". "Auch weiterhin ist bedauerlicherweise keine Finanzierungsquelle für eine Umsetzung, die, wie erläutert, eine Neukonstruktion des Denkmals bedeuten würde, in Aussicht gestellt", so der OB.

Die Stadt habe auch die Stellungnahme des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma einbezogen. Daraus ergebe sich "eine eindeutige Präferenz für einen Verbleib am Standort Festspielhaus Hellerau". Denn es sei unklar, wo genau im Sportpark das Denkmal aufgestellt werden soll und welche Institution "die notwendigen vermittelnden Aktivitäten übernehmen würde und sich für Fragen der Haftung zuständig zeigen wollte".

Der Eigenbetrieb Sportstätten könne "keinen geeigneten Standort identifizieren", da dieser "inhaltlich keine Bezüge des Boxers Trollmann mit Dresden und dem Dresdner Sport gegeben sieht". Deshalb wäre der Sportpark laut Hilbert "keine sehr gute Lage im Sinne der Stellungnahme des Zentralrats".

Das Europäische Zentrum der Künste in Hellerau würde hingegen "laufend Initiativen zur Gedenk- und Bildungsarbeit mit dem und für das Denkmal" entwickeln. So ist der Verein Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde von der Stadt beauftragt, die Geschichte des Festspielhauses Hellerau und des umgebenden Areals in der Zeit des Nationalsozialismus und während der Nutzung durch die Streitkräfte der Sowjetunion zu erforschen. Außerdem werde das "Gedenkareal Dresdner Norden" geplant, zu dem das gesamte Festspielareal und damit das Denkmal für Trollmann gehören. Im Gesamtkonzept des Gedenkens an die Verbrechen des Nationalsozialismus werde dies laut OB "sinnstiftend" eingeordnet.

Genschmar: "Fehlendes Geld als Begründung ist unkreativ"

Auch wenn die Bewerbung der Gartenstadt Hellerau als Weltkulturerbe gescheitert ist, stehe das Denkmal an einem Ort von "touristisch herausgehobener Bedeutung" in Dresden. Es sei geplant, das Denkmal instand zu setzen und das Geld dafür einzuplanen. Dafür werden rund 20.000 Euro benötigt. Allerdings müsse dafür das Denkmal ins Eigentum der Stadt übergehen und nur dann können die Voraussetzungen für einen dauerhaften Erhalt geschaffen werden. Das Denkmal gehört der Künstlergruppe, die es geschaffen hat. Mit dieser ist Klepsch im Gespräch.

Genschmar hat keinerlei Verständnis dafür, dass der Beschluss des Stadtrates nicht umgesetzt wird. "Fehlendes Geld als Begründung ist unkreativ. Für andere Dinge ist ja auch Geld da." Er könne auch nicht akzeptieren, dass Beschlüsse des Rates, der die Verwaltung kontrolliert und politische Vorgaben macht, quasi ignoriert würden. "Wenn die Verwaltung etwas will, findet sie Geld, wenn der Rat etwas beschließt, was nicht gefällt, ist angeblich kein Geld da. Das ist genau das, was die Unzufriedenheit in der Bevölkerung schürt." Schließlich seien die Räte die gewählten Vertreter der Bürger.

Das Denkmal sei in Hellerau "abgestellt" und Genschmar kämpfe für einen würdigen Ort, um der Öffentlichkeit nahezubringen, was Trollmann stellvertretend für viele Sinti und Roma unter den Nazis zu erleiden hatte. Er denkt, dass eine Versetzung nicht sehr viel teurer wäre als die Sanierung. Geld, das vom Rat in den Haushalt eingeplant werden könnte, wenn die Verwaltung es nicht "verhindern" würde. Genschmar hat auch OB Hilbert dazu gefragt, "welche Konsequenzen das offensichtliche, langjährige Aussitzen des Beschlusses für die zuständige Bürgermeisterin Klepsch" hat. Hilberts Antwort: "Ich weise die der Frage zugrunde liegende Unterstellung zurück."