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Was machen die Dachplastiken der Semperoper in Ottendorf?

Die Greifen und Lyren vom Semperoper-Bühnenhaus stehen jetzt in Ottendorf-Okrilla. Welcher Aufwand dort noch nötig ist, bis sie wieder auf die Oper kommt.

Von Peter Hilbert
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Noch steht die Gussplastik der Lyra von der Semperoper in der Ottendorfer Werkstatt von Fuchs und Girke. SIB-Projektleiterin Silke Ringelmann und der technische Leiter Ralph Günther freuen sich, dass die Restaurierung der Plastiken weit fortgeschritten i
Noch steht die Gussplastik der Lyra von der Semperoper in der Ottendorfer Werkstatt von Fuchs und Girke. SIB-Projektleiterin Silke Ringelmann und der technische Leiter Ralph Günther freuen sich, dass die Restaurierung der Plastiken weit fortgeschritten i © Christian Juppe

Dresden. Hoch empor ragt die Lyra mit ihrem Kopf samt Zackenkrone in der Werkstatt. Während sie sonst auf dem hinteren Dachfirst des Bühnenhauses der Semperoper steht, ist sie jetzt bei der Firma Fuchs und Girke im Gewerbegebiet von Ottendorf-Okrilla. Dort ist die Gussplastik dieses antiken Saitenstrumentes, das für Dichtkunst und Musik stand, aufwendig restauriert worden. Projektleiterin Silke Ringelmann vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) sowie Ralph Günther als technischer Leiter des Unternehmens inspizieren gerade diese und fünf weitere Großplastiken, die vom Spritzen zurückgekommen sind und jetzt komplettiert werden.

Diese und eine zweite Lyra krönen den Dachfirst an der Vorder- und Rückseite des Bühnenhauses. An den vier Ecken der Giebel stehen vier Greifen. Das sind mythische Mischwesen aus Greifvogel und Raubtier, die in der Antike Stärke und Wachsamkeit symbolisierten.

Die Vorgeschichte: Krönung für zweites Hoftheater

Die Greifen und Lyren stammen vom zweiten von Gottfried Semper geplanten Opernhaus. Das wurde errichtet, nachdem das erste Hoftheater von 1841 im Jahr 1869 abgebrannt war, erklärt SIB-Projektleiterin Ringelmann.

Auf der Bodenplatte dieses Greifen ist der Name von Gottfried Sempers Sohn Emanuel verewigt. Er kümmerte sich um die Baudekoration der Oper und ließ dabei auch diese Plastiken aufstellen.
Auf der Bodenplatte dieses Greifen ist der Name von Gottfried Sempers Sohn Emanuel verewigt. Er kümmerte sich um die Baudekoration der Oper und ließ dabei auch diese Plastiken aufstellen. © Christian Juppe

Sempers Sohn Manfred leitete den Bau. Dessen jüngerer Bruder Emanuel, das sechste Kind von Gottfried Semper und seiner Frau Bertha, kümmerte sich um die Baudekoration. Sein Name steht noch heute in den Bodenplatten von zwei Greifen, bei denen es sich um die Originale handelt. 1871 begann der Bau. 1878 wurde die Oper in der heutigen Form eröffnet.

Auf dieser Ansichtskarte von 1928 sind auch die Großplastiken auf der Semperoper zu sehen. Hinter der Pantherquadriga stehen auf dem Dachfirst des Bühnehauses eine Lyra und ein Stück links davon ein Greif. Diese Originale sind noch heute erhalten.
Auf dieser Ansichtskarte von 1928 sind auch die Großplastiken auf der Semperoper zu sehen. Hinter der Pantherquadriga stehen auf dem Dachfirst des Bühnehauses eine Lyra und ein Stück links davon ein Greif. Diese Originale sind noch heute erhalten. © Sammlung Holger Naumann

Der Wiederaufbau: Originalplastiken durch weitere ergänzt

Bei den Bombenangriffen am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Semperoper im Februar 1945 zwar zerstört. Der vordere Giebel mit einem Greif und zwei Lyren blieb jedoch stehen. Projektleiterin Ringelmann hat nicht nur aufgrund ihres heutigen Jobs eine besondere Beziehung zu dem Bauwerk. Ihr Vater Gottfried Ringelmann vom VEB Gesellschaftsbau Dresden war Komplexbauleiter beim Wiederaufbau der Semperoper. "Schon als Kind bin ich mit meinem Vater durch die Ruine der Semperoper gelaufen", sagt die heute 53-Jährige. "Deshalb hänge ich so daran." Später trat sie in die Fußstapfen ihres Vaters, studierte und legte einen Abschluss als Diplom-Bauingenieurin (FH) ab.

Beim Wiederaufbau der Semperoper können dieser und drei weitere Greifen im September 1980 aufs Dach des Bühnenhauses gehoben werden. Zwei Originalplastiken von Greifen von 1875 wurden restauriert, zwei weitere neu gegossen.
Beim Wiederaufbau der Semperoper können dieser und drei weitere Greifen im September 1980 aufs Dach des Bühnenhauses gehoben werden. Zwei Originalplastiken von Greifen von 1875 wurden restauriert, zwei weitere neu gegossen. © Siegfried Thienel/Dresden

Beim Greif und den Lyren vom vorderen Giebel handelt es sich noch um Originale. "Das konnten wir zu 100 Prozent nachweisen", erläutert Technik-Leiter Günther. Da die Rückseite der Semperoper 1945 völlig zerstört war, mussten beim Wiederaufbau eine Lyra und zwei Greifen in der Kunstgießerei Lauchhammer neu gegossen werden. Jede dieser imposanten Plastiken besteht aus mehreren Gusssegmenten.

"Wir haben aber jetzt festgestellt, dass beim Zusammenbau auch einige Originalteile verwendet wurden“", sagt Günther. Das wird an der Struktur des Gusseisens deutlich. Höchstwahrscheinlich sind diese Teile in den Trümmern der Semperoper gefunden worden. So sei das Gesicht der hinteren Lyra ein Original von Sempers 1878 eröffneten Opernhaus.

Hier wird einer der Greifen beim Wiederaufbau der Semperoper gerade mit dem Gabelstapler über die Baustelle transportiert.
Hier wird einer der Greifen beim Wiederaufbau der Semperoper gerade mit dem Gabelstapler über die Baustelle transportiert. © Siegfried Thienel/Dresden

Die Schäden: Nähte gerissen und Sockel verwittert

1998 hatte die auf Denkmalpflege spezialisierte Fachfirma Fuchs und Girke schon einmal die Lyren und Greifen restauriert. "Wir kontrollieren sie regelmäßig", erklärt SIB-Projektleiterin Ringelmann. Dabei geht es auch um die Standfestigkeit auf den Sockeln, die von Statikern überprüft wird. Bei der jüngsten Kontrolle wurde festgestellt, dass die nächste Restaurierungsrunde fällig ist. So waren Nähte an den aus mehreren Teilen zusammengesetzten Gussplastiken gerissen, führt Günther ein Beispiel an. Auch an den Sandstein-Sockeln und ihren Verankerungen gibt es Schäden, sodass Instandsetzungsarbeiten nötig sind.

Die Frischekur: Neue Farbe hält über 20 Jahre

Die Restaurierung beginnt mit dem Abbau. Im Juli 2021 rollt ein 70-Tonnen-Mobilkran an der Semperoper an, der die jeweils eine Tonne schweren Greifen und die 1,5 Tonnen schweren Myren aushebt. Auf Lkws kommen sie in die Ottendorfer Fuchs und Girke-Werkstatt.

Im Juli vergangenen Jahres wurde diese Lyra und fünf weitere Großplastiken mit dem Kran vom Dach der Semperoper gehoben.
Im Juli vergangenen Jahres wurde diese Lyra und fünf weitere Großplastiken mit dem Kran vom Dach der Semperoper gehoben. © Tino Plunert

Mit einem schonenden Strahlverfahren mit kleinen Körnern werden drei bis vier Farbschichten von den Plastiken entfernt, nennt Günther den nächsten Schritt. Dabei wird festgestellt, dass einige Ecken und Kanten an den Plastiken abgeplatzt sind. "Danach haben wir die Schäden beseitigt - so feine Haarrisse an den Nähten zwischen verschraubten Einzelteilen." Schließlich sind die Skulpturen auf dem Dach extremen Temperatur-Unterschieden ausgesetzt. Um zu verhindern, dass Wasser eindringt und Gussteile rosten, werden die Risse mit einem Dichtmittel wieder verschlossen.

Auf dem Hof der Denkmalpflegefirma Fuchs+Girke im Gewerbegebiet von Ottendorf-Okrilla stehen die Greifen, die frisch vom Spritzen zurückgekommen sind.
Auf dem Hof der Denkmalpflegefirma Fuchs+Girke im Gewerbegebiet von Ottendorf-Okrilla stehen die Greifen, die frisch vom Spritzen zurückgekommen sind. © Christian Juppe

Wo wie an den Ecken von Greifen Gussteile abgeplatzt sind, werden sie mit Metallkitt wieder angefügt. "Der besteht aus zwei Komponenten und kann wie Knete aufgetragen werden", erläutert der technische Leiter. So kann er genau in die richtige Form gebracht werden, bevor der Kitt aushärtet. Er wird, falls nötig, nachgeschliffen, um auch die letzte Feinheit wieder herzustellen.

Gemeinsam mit Schlosser Erik Kühn (l.) begutachtet der technische Leiter von Fuchs+Girke, Ralph Günther, die letzten Teile, die an der Rückseite der Lyra angeschraubt werden. Schließlich müssen selbst die kleinsten Stellen der Gussplastik ordentlich mit F
Gemeinsam mit Schlosser Erik Kühn (l.) begutachtet der technische Leiter von Fuchs+Girke, Ralph Günther, die letzten Teile, die an der Rückseite der Lyra angeschraubt werden. Schließlich müssen selbst die kleinsten Stellen der Gussplastik ordentlich mit F © Christian Juppe

Zuletzt werden in einer Spezialfirma vier Farbschichten auf die Gussteile aufgebracht. Das ist jetzt geschafft. Der Grauton ist genau mit der Denkmalpflege abgestimmt worden, damit er zum Gebäude passt. "Nach Angaben des Herstellers soll die Farbe wieder mindestens 20 Jahre halten", erklärt Projektleiterin Ringelmann.

Von diesem imposanten Kopf wird die Lyra gekrönt, die im Sommer wieder auf dem Dach der Semperoper steht.
Von diesem imposanten Kopf wird die Lyra gekrönt, die im Sommer wieder auf dem Dach der Semperoper steht. © Christian Juppe

Jetzt stehen die Großplastiken wieder bei Fuchs und Girke. Derzeit werden in der Werkstatt noch die letzten Arbeiten ausgeführt, beispielsweise Teile an den Rückseiten der Lyren angeschraubt.

Das Finale: Sandstein-Sockel werden neu verankert

Allerdings sind jetzt noch Arbeiten auf dem Dach der Semperoper nötig. Deshalb wird Mitte Juni am Theaterplatz ein Spezialgerüst auf das Dach des Bühnenhauses gehoben. An den Sandstein-Sockeln werden Fugen erneuert und ausgebrochene Teile ersetzt. Die Sockel der Lyren erhalten neue Bleiabdeckungen.

Dicht an dicht stehen die restaurierten Greifen in Ottendorf-Okrilla. Im August werden sie von einem 70-Tonnen-Mobilkran aufs Dach des Bühnenhauses der Semperoper gehoben. Dort zieren sie die vier Ecken der Giebel.
Dicht an dicht stehen die restaurierten Greifen in Ottendorf-Okrilla. Im August werden sie von einem 70-Tonnen-Mobilkran aufs Dach des Bühnenhauses der Semperoper gehoben. Dort zieren sie die vier Ecken der Giebel. © Christian Juppe

Geplant ist außerdem, neue Edelstahlanker einzubauen, an denen die Plastiken verschraubt werden. Bis Juli sollen diese Arbeiten abgeschlossen werden. Anfang August rollt wieder ein 70-Tonnen-Mobilkran an der Semperoper an. Pünktlich vor dem Stadtfest wird er die frisch restaurierten Greifen und Lyren aufs Dach heben, kündigt SIB-Projektleiterin Ringelmann an. Für die Großaktion investiert der Freistaat rund 110.000 Euro.