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Stollenprüfung: Wie das Gebäck zum Dresdner Original wird

Ein Rosinenstollen aus Dresden ist nicht automatisch ein originaler Dresdner Christstollen. Vorher muss er viele Kriterien erfüllen und eine Prüfung durchlaufen. So wie am Dienstag.

Von Elisa Schulz
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Die Stollenprüfung für den Original Dresdner Christstollen findet normalerweise hinter verschlossenen Türen statt. Zur Abwechslung wird in der Bergstation der Standseilbahn verkostet.
Die Stollenprüfung für den Original Dresdner Christstollen findet normalerweise hinter verschlossenen Türen statt. Zur Abwechslung wird in der Bergstation der Standseilbahn verkostet. © Marion Doering

Dresden. Von oben und unten wird der Stollen betrachtet. Dann die Nase ganz dicht ans Gebäck. Es riecht nach Mandeln und Orangeat. Danach wird das Stück in kleine Teile zerbrochen und vorsichtig gekostet. Doch was hier passiert, ist nicht das klassische Kaffeetrinken unterm Weihnachtsbaum. Was hier passiert, ist harte Arbeit.

Aus dem Rosinenstriezel wird ein Dresdner Original

Erst die Prüfer, die im Namen des Schutzverbands Dresdner Stollen ihr Urteil fällen, machen aus einem einfachen Rosinenstriezel ein Dresdner Original. Nach strengen Kriterien und mit einer modernen Software wird entschieden, welcher Stollen das goldene Siegel des Schutzverbands tragen darf und welcher nicht. An 18 Prüftagen ab Oktober müssen sich die Experten durch insgesamt 152 Stollen schnuppern und kosten.

Doch der Ablauf für die Prüfung beginnt eigentlich schon viel eher. Allein die Zulassung zur Prüfung unterliegt strengen Kriterien. Es können nur Stollen geprüft werden, die in einem eng um die sächsische Landeshauptstadt definierten Umkreis hergestellt worden sind. Dazu muss der Striezel in Handarbeit gefertigt werden und aus einer ganzjährig betriebenen Backstube kommen.

Was in den Stollen kommt, ist streng vorgegeben

Die Stollen, die infrage kommen, werden von den Prüfern des Schutzverbandes nicht nur in Augenschein genommen, sondern durchlaufen außerdem Tests, bei denen der Inhalt kontrolliert wird.

Stollenexperte Ralf Ullrich ist seit acht Jahren Vorstandsmitglied des Schutzbundes und für die Stollenprüfung zuständig. Er weiß, was in das Dresdner Original darf und was nicht. "Die Stollen unterliegen strengen Regularien." Im Dresdner Christstollen muss je nach Mehlmenge ein bestimmter Prozentsatz Rosinen, Butter, Orangeat und Zitronat sowie Mandeln enthalten sein. "Aromen haben darin nichts zu suchen", sagt Ullrich. Aber auch Margarine oder Konservierungsstoffe gehören nicht hinein. Wer das nicht einhält, kann nicht zur Prüfung antreten.

In den meisten Prüfverfahren werden die Produkte eingereicht, hier nicht. Ist das Gebäck erst einmal zugelassen, wird es von wechselnden, verdeckten Einkäufern erworben, um dem Ablauf eines normalen Einkaufs besonders nah zu kommen. Danach werden die Stollen anonymisiert und mit einer Nummer versehen.

Die Prüfer haben verschiedene Aufgaben

Wie in einer Zeremonie werden die Striezel auf Holzbretter gelegt und von den Prüfern begutachtet. Insgesamt hat der Schutzbund 20 Prüfer, zu denen sechs zu einem Termin - wie am Dienstag - zusammenkommen. Dabei handelt es sich nicht nur um Bäcker und Bäckermeister, sondern auch um begeisterte Freunde des Christstollens, die aus allen Bereichen des Bäckerhandwerks kommen.

Vier von ihnen haben Laptops vor sich aufgestellt, auf denen eine extra für die Stollenprüfung entwickelte Software vorgegebene Kriterien aufzeigt, um den Stollen zu bewerten. Ein Weiterer ist für den Stollenanschnitt und die Präsentation zuständig. Der Letzte moderiert die Prüfung. Normalerweise spricht dabei nur der Moderator, sagt Karoline Marschallek, Geschäftsführerin des Schutzverbands, über die Termine, die eigentlich hinter verschlossenen Türen der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks stattfinden. "Obwohl wir strenge Vorgaben zu den Zutaten haben, ist doch jeder Stollen individuell", so die 43-Jährige. Ihr zufolge machen nur 60 Prozent der Qualität das Rezept aus, die anderen 40 Prozent kommen vom handwerklichen Geschick und Faktoren wie Backlänge und Lagerung.

Geprüft werden die Stollen in vier Kriterien: innere und äußere Beschaffenheit, Geruch und Geschmack. Maximal fünf Punkte sind pro Kriterium möglich. Ein Stollen kann somit auf maximal 20 Punkte kommen. "Unter 16 Punkten ist es kein Dresdner Original mehr", sagt Marshallek. Trotzdem: "Es ist hoch selten, dass einer durchfällt."

Der heutige Teststollen kommt auf 18 Punkte. "Wenn es mal einer nicht schafft, kann auch noch ein zweiter Stollen eingereicht werden", sagt Ralf Ullrich. Ist die Prüfung dann beendet, gibt es für die Bäckerei eine Urkunde mit ihrem Punktestand, dass goldene Siegel sowie ein ausführliches Protokoll über die Prüfung.

Ullrich selbst prüft keine Stollen mehr. Die aus seiner eigenen Schaubäckerei werden aber auch der jährlichen Prüfung unterzogen. "Wir sind sehr krümelig unterwegs - und testen jeden einzelnen."