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Warum im Großen Garten Dresden viele gesunde Bäume gefällt werden

Im Gartendenkmal Großer Garten in Dresden wachsen rund 16.300 Bäume. Vor allem eine Art setzt sich durch und verdrängt andere. Damit sie nicht Oberhand gewinnt, können die Dresdner beim Parkseminar im Oktober selbst mithelfen.

Von Kay Haufe
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Claudius Wecke ist der Bereichsleiter Garten bei Schlösserland Sachsen und leitet das Parkseminar. Eva Gruhl ist Teil des Klimaschutzprojektes.
Claudius Wecke ist der Bereichsleiter Garten bei Schlösserland Sachsen und leitet das Parkseminar. Eva Gruhl ist Teil des Klimaschutzprojektes. © Sven Ellger

Dresden. Dem Großen Garten geht es nicht gut. Jeden Tag verliert er durchschnittlich einen Altbaum infolge der heißen, trockenen Sommer seit 2018. Dazu kommen milde Winter, in denen Schadinsekten mühelos überleben. Besucher sehen überall im Gartendenkmal große, alte Bäume mit schütteren Kronen und abgebrochenen Ästen, vor allem Eichen sterben ab. Und trotzdem will die Staatliche Schlösser, Burgen & Gärten Sachsen gGmbH (SBG) als Eigentümer des Parks nun fast 100 Bäume fällen lassen, darunter viele gesunde. Wie passt das zusammen?

Wer im Unterholz genau hinschaut, sieht überall kleine Ahornbäume wachsen, Spitz-Ahorn, um genau zu sein. Er breitet sich immer aggressiver aus und bildet inzwischen über 95 Prozent des natürlichen Gehölznachwuchses im Großen Garten. Seine propellerartigen Samen werden vom Wind bis zu 200 Meter weit geweht und wachsen bereits innerhalb eines Jahres zu einem kleinen Baum.

Claudius Wecke, der Leiter des Bereichs Gärten bei SBG, hat ein Exemplar ausgegraben und zeigt auf die lange Pfahlwurzel, die der Spitz-Ahorn gebildet hat. "Er hat zudem großes Laub, was andere Sämlinge stark beschattet. Insbesondere die Eiche, die eine Lichtbaumart ist, hat keine Chance gegen diesen aggressiven Konkurrenten."

Die Nachkommen der Stieleichen können sich nicht gegen die schnell wachsenden des Spitz-Ahorns durchsetzen und gehen oft durch Lichtmangel am Boden ein.
Die Nachkommen der Stieleichen können sich nicht gegen die schnell wachsenden des Spitz-Ahorns durchsetzen und gehen oft durch Lichtmangel am Boden ein. © Sven Ellger

76 gesunde Bäume werden gefällt

Also muss der Mensch nachhelfen, damit die Artenvielfalt im Großen Garten und damit seine Stabilität erhalten bleibt. Neben dem Spitz-Ahorn, der mit rund 3.400 Exemplaren die größte Gruppe der Laubbäume im Park stellt, wachsen dort vorwiegend Stieleichen, Linden, Eschen und Hainbuchen. Sie und ihren Nachwuchs gilt es zu schützen.

Schlösserland reagiert auf die Ahorn-Invasion, indem 76 gesunde Bäume dieser Art mit einem Durchmesser von zehn bis 60 Zentimetern auf einer ausgewählten Fläche nahe dem Puppentheater Sonnenhäusel gefällt werden. Die Stubben werden gerodet, damit keine Nachtriebe entstehen.

Außerdem werden 20 andere Bäume mit Durchmessern zwischen zehn und 60 Zentimetern gefällt, um eine historische Blickachse vom Botanischen Garten bis in Richtung Dahliengarten wieder freizulegen, sagt Wecke. Ein Teil dieser Bäume sei bereits abgestorben, so Wecke.

Interessierte Dresdner können im Rahmen eines Parkseminars am 13. und 14. Oktober mithelfen, den Spitz-Ahorn unter professioneller, gärtnerischer Anleitung zurückzudrängen. Neben einem theoretischen Teil am Abend des 13. Oktober mit Fachvorträgen sowie einer Einführung zu den anstehenden praktischen Arbeiten, geht es am 14. Oktober von 8.30 bis 15 Uhr direkt ins Gelände im westlichen Teil des Großen Gartens nahe dem Sonnenhäusel. "Wir fangen dort an, weil die Hauptwindrichtung aus Südwesten und Westen bläst und die Samen in Richtung Osten getragen werden."

Mit scharfen Spaten und Spitzhacken geht es dort dem Spitz-Ahorn-Nachwuchs zu Leibe, damit auch die langen Pfahlwurzeln erwischt werden. Außerdem bringen die Teilnehmer gefälltes Holz zu den Häckslern und helfen beim Pflanzen von 300 einheimischen Sträuchern, darunter Schneeball, Pfaffenhütchen und Weißdorn, mit. "Diese Sträucher sind nicht nur bei Vögeln aufgrund ihrer Früchte beliebt, sondern sind auch gestalterisch wichtig für den Park", sagt der Gartenbereichsleiter.

Um den Teilnehmern den Vorher-nachher-Effekt zeigen zu können, wird die Blickachse erst am 14. Oktober freigeschnitten.

Plan A: Nachkommen eigener Bäume heranziehen

Damit die Artenvielfalt im Großen Garten erhalten bleibt, unternimmt Schlösserland noch viele weitere Anstrengungen. Insbesondere bei den Nachpflanzungen habe sich aber gerade ein Paradigmenwechsel ergeben, sagt Wecke. Statt etwas größere Bäume nachzupflanzen, setzt SBG jetzt verstärkt auf eigene Nachkommen der im Park stehenden Bäume. "Ziel ist es, mit den historischen Baumarten weiterzuarbeiten."

Dafür untersuchen die Gärtner des Parks, welche Nachkommen von welchem Baum besonders widerstandsfähig sind und mit wenig Wasser auskommen. Die anpassungsfähigsten werden gepflanzt und anschließend mit einem Wildverbiss-Schutzzaun und Maschendraht gegen hungrige Hasen im Park, aber auch vor Vandalismus geschützt. "So entwickeln sie sich im Vergleich zu größerer Ballenware in kurzer Zeit zu stärkeren Pflanzen mit tieferen Wurzeln", erklärt der Gartenleiter.

Zudem sei es auch kostengünstiger, als Baumschulware zu kaufen. Damit diese Methode noch ausgeweitet werden kann, entsteht im kommenden Jahr eine eigene Baumschule im Großen Garten am einstigen Standort nördlich des Palaisteiches.

Frisch gepflanzte Jungbäume werden mit einem Wildschutzzaun vor Hasenverbiss geschützt.
Frisch gepflanzte Jungbäume werden mit einem Wildschutzzaun vor Hasenverbiss geschützt. © Sven Ellger

Plan B: Mittelmeer-Baumarten, die im Wuchs ähnlich sind

Geht dieser Plan A nicht auf, müsse man auch mit neuen Arten experimentieren, die besser mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen, sagt Wecke. Dafür schaut man in Richtung Balkan. Es gebe schon Kontakte zu Baumschulen in Bulgarien, die auch Stieleichen haben, die aber besser an Hitze und Trockenheit angepasst sind. "Möglicherweise müssen wir auch andere Arten aus dem Mittelmeerraum pflanzen, die im Wuchs den historischen Bäumen im Großen Garten ähnlich sind, um sein Erscheinungsbild zu bewahren."

Im Rahmen des laufenden Klimawandelprojektes von SGB wird im Großen Garten 2024 eine Pflanzenkohleanlage angeschafft. Diese Kohle hilft bei der Bodenverbesserung, Wasserspeicherung und Nährstoffversorgung. Entwickelt wird auch der Prototyp eines Gießroboters mit 400 Liter Fassungsvermögen, der insbesondere die Pillnitzer Gärtner beim Gießen unterstützen soll.

Anmeldungen zum kostenfreien Parkseminar sind bis zum 29. September per E-Mail an [email protected] möglich. Die Anzahl der Plätze für den praktischen Teil am 14. Oktober ist auf 75 begrenzt.

Bereits am 23. August gibt es um 16.30 Uhr eine öffentliche Führung zum Parkseminar, in der Claudius Wecke erläutert, warum fast 100 Bäume gefällt werden müssen. Treffpunkt ist am Puppentheater Sonnenhäusel.