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Petition fordert Umbenennung von Dresdner Uniklinik

Der 1869 in Dresden verstorbene Namensgeber Carl Gustav Carus sei ein Rassist gewesen, deshalb soll sein Name aus der medizinischen Fakultät der TU Dresden und dem Klinikum gestrichen werden, fordert eine Petition. Wie die Hochschulmedizin reagiert.

Von Andreas Weller & Dirk Hein
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Das Uniklinikum Dresden ist nach Carl Gustav Carus benannt, dessen Büste auch im Gelände steht. Nun wird in einer Petition gefordert, dass der Name gestrichen wird.
Das Uniklinikum Dresden ist nach Carl Gustav Carus benannt, dessen Büste auch im Gelände steht. Nun wird in einer Petition gefordert, dass der Name gestrichen wird. © Sven Ellger

Dresden. Mehr als 1.300 Menschen unterstützen bereits eine Petition, die die Umbenennung der medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden und des Uniklinikums Dresden fordert (Stand am Karsamstag um 7.30). Der Name Carl Gustav Carus müsse gestrichen werden. Carus habe eine unrühmliche Rolle in der "Rassenlehre" vertreten, so der Vorwurf. Deshalb sei der als "Universalgenie" gefeierte Gelehrte als Namensgeber ungeeignet.

Unter der Bezeichnung "Kritmed* Dresden" hat eine Gruppe mit studentischen Mitgliedern, aus der Pflege und Ärzteschaft, die sich mit medizinpolitischen Themen auseinandersetzt, die Petition gestartet. Die Arbeitsgruppe Antirassismus/Städtische Dekolonialisierungsprozesse befasste sich mit Carl Gustav Carus und ist zu dem Schluss gekommen: "Eine universitäre Einrichtung sollte nicht von einer solchen Figur repräsentiert werden."

"Carus bedient sich zutiefst rassistischer und kolonialistischer Argumentationsstrukturen"

In seiner Schrift "Über die ungleiche Befähigung der verschiedenen Menschheitsstämme für höhere geistige Entwicklung" setzte sich Carus mit Rassentheorie auseinander und entwickelte seine These von "Tag-, Dämmerungs- und Nachtvölkern". Darin behauptet er, die Leistungsfähigkeit und Intelligenz eines Menschen sei durch seine Herkunft bestimmt. "Er bedient sich hier zutiefst rassistischer und kolonialistischer Argumentationsstrukturen und rechtfertigt auf Grundlage seiner Thesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Sklaverei", so die Petenten. Deshalb fordern sie, den Namen an den Dresdner Institutionen zu streichen.

Carus war Arzt (auch königlicher Hofarzt), Maler, Naturphilosoph und Psychologe. In seiner Forschung hat er auch Menschenschädel vermessen, was damals als üblich galt. Daraus entwickelte er vier Menschheitsstämme: die europäischen "Tagvölker", die für ihn "kulturtragend" sind, und "Nachtvölker", eine Art Untermenschen, die er in Afrika ansiedelte. "Dämmerungsvölker" gab es für ihn in Amerika und Asien, abgeleitet von den von ihm vermessenen Äußerlichkeiten.

Den Namen von Carus trägt das Uniklinikum Dresden seit 1954 auf Vorschlag des 1966 verstorbenen Chirurgen Albrecht Fromme. Zudem wurde 1993 das Reichpietschufer in Carusufer umbenannt und die neue Medizinische Fakultät erhielt seinen Namen.

Die Verantwortlichen an der TU und am Uniklinikum Dresden kennen diese Kritik. Auf Anfrage von Sächsische.de lautet die Antwort: "Der Mediziner, Naturforscher und Maler Carl Gustav Carus begleitet die Geschichte der Hochschulmedizin Dresden seit ihrer Gründung als Namensgeber. Carus gab durch sein vielfältiges Wirken vor allem in der Medizin wegweisende Anstöße – so in der Anatomie, der Geburtshilfe und der Psychologie."

"Es gibt zu Recht eine kritische Diskussion über diesen Teil seines Schaffens"

Nachdem Carus mit 22 Jahren sein Studium in Leipzig mit mehreren Promotionen abgeschlossen hatte, wurde er 1814 als Professor für Geburtshilfe und Leiter der königlichen Hebammenschule nach Dresden berufen.

"Carl Gustav Carus war – wenngleich in vielen Fächern beispielgebend – in einer Zeit unterwegs, in der es als probat galt, Menschen nach ihrer geografischen Herkunft zu klassifizieren", heißt es in der Antwort weiter. "Dabei nahm er Wertungen vor, die wir heute nicht mehr teilen. Deshalb gibt es zu Recht eine kritische Diskussion über diesen Teil seines Schaffens. Diese Diskussion ist der Hochschulmedizin Dresden bekannt und wird von ihr überaus ernst genommen. Sie spiegelt sich auch in Forschung und Lehre wider."

Die medizinhistorische Forschung habe die problematischen Facetten in Carus' Wirken bereits im 2009 erschienenen Essayband "Carl Gustav Carus – Wahrnehmung und Konstruktion" thematisiert. "Zur Verbreiterung der noch schmalen Wissensbasis initiiert das Institut für Geschichte der Medizin derzeit ein Forschungsprojekt zu Carl Gustav Carus, das von der Hochschulmedizin Dresden unterstützt wird", so die Dresdner Hochschulmediziner.

"Die Hochschulmedizin Dresden achtet Carl Gustav Carus als vorbildgebenden Arzt und Universalgelehrten"

Auch habe es kritische Referate von Medizinstudierenden im Fach Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin über Carus' rassentheoretische Auffassungen gegeben oder sie wurden von den Dozenten damit konfrontiert. "In den ergebnisoffen geführten Diskussionen zeigte sich ein durchaus heterogenes Meinungsbild unter den Studierenden zur Bewertung von Carus aus heutiger Sicht. Mit der Neubesetzung der Professur für Ethik und Geschichte der Medizin und Zahnmedizin wird den Studierenden im Sommersemester 2023 erstmals die Möglichkeit gegeben, sich in einem vertiefenden Wahlfach nur mit dieser Thematik zu befassen."

Aber die Verantwortlichen stellen auch klar: "Die Hochschulmedizin Dresden achtet Carl Gustav Carus als vorbildgebenden Arzt und als Universalgelehrten, dessen Wirken nicht auf die Medizin beschränkt blieb, sondern sich auch auf Kunst und Philosophie erstreckte."