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Warum Dresden jetzt doch die eigene Bezahlkarte für Geflüchtete einführen muss

Obwohl eine bundeseinheitliche Bezahlkarte für Geflüchtete geplant ist, beschließt der Dresdner Stadtrat einen Sonderweg. Ein AfD-Antrag bekommt dafür die Stimmen von CDU und FDP.

Von Dirk Hein
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Im Stadtrat beschlossen: Dresden soll nun doch schnellstmöglich eine Bezahlkarte für Geflüchtete einführen.
Im Stadtrat beschlossen: Dresden soll nun doch schnellstmöglich eine Bezahlkarte für Geflüchtete einführen. © Bodo Schackow/dpa (Symbolbild)

Dresden. Mit Bezahlkarten für Asylbewerber sollen Verwaltungsabläufe vereinfacht und digitalisiert werden. Es soll aber auch ein denkbarer Missbrauch von Leistungen erschwert werden. Bargeldabhebungen im Inland funktionieren daher etwa nur bis zu einem vorher definierten "Taschengeldbetrag". Die Karten hätten zudem zwar eine Bezahlfunktion, könnten aber nicht im Ausland eingesetzt werden.

Ob Dresden so ein System schneller als andere einführen sollte, darüber ist am Donnerstagabend im Stadtrat diskutiert worden. Schließlich votierten CDU, FDP und Freie Wähler/Freie Bürger für einen Antrag der AfD.

Warum wollte Dresden bei der Bezahlkarte abwarten?

Sachsenweit wollen immer mehr Landkreise noch im ersten Quartal des Jahres eine Bezahlkarte für die in ihrer Region lebenden Asylbewerber einführen. Die Landkreise Meißen, Bautzen sowie Sächsische Schweiz-Osterzgebirge haben sie bereits angekündigt, Mittelsachsen will im Frühjahr nachziehen und ebenfalls nicht auf eine bundeseinheitliche Regelung warten.

Grundsätzlich "begrüßt" die Dresdner Verwaltung die Einführung der Bezahlkarte. Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke): "Durch zeitgemäße Zahlmethoden können beispielsweise persönliche Vorsprachen in der Stadtkasse und Warteschlangen vermieden werden." Allerdings fehle es am Geld, auf eigene Kosten so eine Karte zu entwickeln. Daher solle auf eine bundeseinheitliche Regelung gewartet werden.

Was hatte die AfD beantragt?

Auf AfD-Antrag hin soll Dresden beim Thema "Bezahlkarte statt Bargeld" zum schnellen Handeln gezwungen werden. Leistungen laut Asylbewerberleistungsgesetz würden damit nicht mehr als Bargeld, sondern ausschließlich über die Bezahlkarte ausgezahlt.

Geldtransfers ins Ausland sollen ausgeschlossen werden, zudem würde der Einsatz der Karte bei bestimmten Unternehmen, wie beispielsweise Glücksspielanbietern, gesperrt werden.

In den Beratungen in den Ausschüssen im Vorfeld der Ratssitzung wurde der AfD-Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt, lediglich die AfD stimmte dafür. Die Diskussion im Rat entwickelte sich dann aber in eine komplett andere Richtung.

Warum erhielt der AfD-Antrag unerwartet Unterstützung?

"Die Bezahlkarte entwickelt sich zum Erfolgsmodell", sagt AfD-Rätin Silke Schöps - und meint damit, dass Asylbewerber in den Landkreisen, die so eine Karte schon eingeführt haben, teilweise freiwillig wieder gegangen sind.

Im Landkreis Greiz lagen die Kosten für die vorzeitige Einführung der Karte bei 15.000 Euro. Aus Sicht der AfD geringe Kosten, die auch Dresden ausgeben sollte.

Unterstützung kam in der Diskussion überraschend deutlich von CDU, Freien Wählern und FDP. "Dresden muss sich auf den Weg machen und die Karte schnellstmöglich einführen", sagt CDU-Stadtrat Thomas Lehmann. Auch FDP-Fraktionschef Robert Malorny fordert: "Soziale Stütze ist kein Wunschkonzert. Der Staat macht die Regeln. Wem es hier zu bequem ist, der macht es sich bequem." Eine Bezahlkarte mit deutlichen Einschränkungen sei "fair gegenüber denen, die den Staat mit Geld ausstatten."

Deutlich abgelehnt wurde die Bezahlkarte in der von der AfD geplanten Form hingegen von Pia Parkow (Linke): "Die bundesweite Bezahlkarte kommt, es ist sinnfrei vorher eine Dresdner Sonderlösung zu entwickeln, die wenig später wieder abgeschafft wird." Die Rätin warnte davor, dass durch die aktuelle Diskussion gefährliche Vorurteile gestützt würden: "Dass Flüchtlinge es so dicke haben, dass sie noch Geld ins Ausland überweisen können, ist durch nichts bestätigt. Niemand wird eine Flucht nicht antreten, nur weil es hier eine Bezahlkarte gibt."

Wiederstand gegen die Pläne gab es auch bei Martin Schulte-Wissermann (Dissidenten): "Ich stemme mich gegen alles, was das Bargeld abschaffen will, wir brauchen diese Freiheit." In die Bezahlkarte seien die Sanktionen und Kontrollen gleich eingebaut, die für Bürgergeldempfänger aber auch für Rentner übernommen werden könnten.

Wie positionierte sich die Verwaltung in der Diskussion?

"Auch Dresden möchte diese Karte", sagte Bürgermeisterin Kaufmann zwar am Ende der Debatte. Sie erwartet deutliche Erleichterungen für Stadtverwaltung. "Jetzt wird monatlich Bargeld ausgezahlt, wir haben dafür Stadtkassen entwickelt. Eine Belastung für Stadt und Geflüchtete würde entfallen."

Kaufmann verwies jedoch darauf, dass eine bundeseinheitliche Regelung spätestens Anfang 2025 eingeführt werden soll. "Eine eigene Dresdner Lösung würde kaum vor dem bundesweiten Start fertig - und würde dann von der Karte des Bundes wieder abgelöst." Für die Stadt sei es nie eine Option gewesen, "sich eher auf den Weg zu machen. Das Experimentieren mit IT birgt Überraschungen in Dresden." Der Rat solle sich Aktionismus mit welcher Motivation auch immer nicht anschließen, so Kaufmann.

Wie fiel die Abstimmung aus?

Eigentlich haben AfD, CDU, Freie Wähler und FDP im Stadtrat genauso viele Stimmen, wie Grüne, Linke, SPD und Dissidenten. Welche Seite eine Mehrheit bekommt, wechselt je nachdem, auf welcher Seite mehr Räte fehlen.

Beim Thema Bezahlkarte stimmten sowohl Freie Wähler/Freie Bürger, aber auch CDU und FDP für den Antrag. In einer ersten Abstimmung bekam der Antrag die denkbar knappe Mehrheit von einer Stimme.

Auch nach einer von Linke-Chef André Schollbach beantragten Wiederholung der Abstimmung blieb dieser Abstand gleich. Eilig war auf beiden Seiten je ein Rat noch in den Saal gestürmt, um abzustimmen.