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Abstimmung im Rat: Dresden ist kein "Sicherer Hafen" für Geflüchtete

Dresden hatte sich 2022 bereiterklärt, mehr geflüchtete Menschen aufzunehmen als vorgegeben. Erstmals in einer Großstadt wurde dieser Beschluss jetzt aufgehoben.

Von Dirk Hein
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Der Stadtrat der Landeshauptstadt hat den Beschluss "Dresden als Sicherer Hafen" aufgehoben.
Der Stadtrat der Landeshauptstadt hat den Beschluss "Dresden als Sicherer Hafen" aufgehoben. © Symbolbild: Patrick Pleul/dpa

Dresden. Dresden unterstützt die Seenotretter von "Mission Lifeline" und ist bereit, mehr Geflüchtete aufzunehmen, als es der sogenannte Königsteiner Schlüssel vorgibt. Im März 2022 stellte sich Dresden als "Sicherer Hafen" für Geflüchtete auf, nachdem knapp 5.000 Menschen dies kurz vorher in einer Petition gefordert hatten. In einer emotionalen Debatte im Rat, entschied sich eine knappe Mehrheit der Politiker, diesen symbolträchtigen Beschluss als unerfüllbar einzustufen und ihn daher aufzuheben.

Was bedeutet "Sicherer Hafen"?

Konkret bedeutet der Beschluss, dass Dresden bereit ist, mehr Geflüchtete aufzunehmen als vorgegeben. In den vergangenen Jahren blieb dies jedoch ein reiner Symbolbeschluss. Dresden nahm keinen einzigen Flüchtling mehr auf, als zugewiesen wurde. Vielmehr bat die Landeshauptstadt, zumindest vorübergehend, weniger Flüchtlinge aufnehmen zu müssen, weil die Herausforderungen vor allem bei der Unterbringung und Betreuung gewaltig sind.

Mit dem Beschluss verpflichtete sich Dresden jedoch auch, sich hinter Organisationen und Projekte zu stellen, die sich für die Rechte, Versorgung und Integration von Flüchtlingen einsetzen. Ganz konkret sollten 100.000 Euro für lokale Initiativen bereitgestellt werden. Zudem wurde die Stadt aufgefordert, zum Beispiel die Seenotretter der Mission Lifeline zu unterstützen. 320 Kommunen in Deutschland hatten sich ebenfalls zum "Sicheren Hafen" erklärt.

Warum soll Dresden kein "Sicherer Hafen" mehr sein?

Bereits im März 2023 brachte die CDU-Fraktion den entsprechenden Beschlussvorschlag ein. "Die Unterbringungskapazitäten für Asylbewerber in unserer Stadt sind erschöpft", sagt die Fraktionsvorsitzende Heike Ahnert. "Weder gibt es ausreichende Kapazitäten in den städtischen Unterbringungseinrichtungen, noch steht belegbarer Wohnraum in entsprechendem Umfang zur Verfügung."

Entstanden ist dieser Antrag im Zusammenhang mit der Diskussion über die notwenig gewordenen Container-Standorte für Geflüchtete. Diese wurden von der CDU abgelehnt. Die Fraktion lehnt auch die auch daraus entstehenden hohen Kosten für Betreuung und Unterbringung der Geflüchteten ab.

"Es ist völlig ausgeschlossen, über das unabwendbare Maß hinaus Asylbewerber zu beherbergen", sagt Ahnert. Der Beschluss zum "Sicheren Hafen" erwecke aber den Eindruck und müsse deshalb aufgehoben werden. In den vergangenen Monaten wurde die Abstimmung darüber immer wieder vertagt. Am Freitag kam es zur Entscheidung.

Wie lief die Diskussion im Rat?

Besonders emotional setzte sich Martin Schulte-Wissermann (Dissidenten) dafür ein, dass Dresden am Beschluss festhält. "Dresden hat sich 2022 zur Menschlichkeit bekannt, zum sicheren Hafen erklärt. Es ist eine symbolische Handlung, die aber eine Richtung vorgibt. Dresden würde sich als erste Großstadt zum unsicheren Hafen erklären. Ich bitte die CDU, zu ihren christlichen Werten zurückzukehren."

Andrea Mühle (Grüne) sagte: "Ich schäme mich für den Antrag, Dresden ist sicherer Hafen und das soll so bleiben." Der Beschluss sei ein "Zeichen der Abschottung", löse aber keines der tatsächlichen Probleme in der Stadt. Zudem würde der ganze Beschluss aufgelöst, also auch die mit abgestimmten Hilfsangebote für Geflüchtete in Dresden.

Torsten Nitzsche (Freie Wähler/Freie Bürger) nahm den Begriff Hafen auf und verwies auf die Funktion des Hafenmeisters: "Der Hafenmeister hat Kapazität und Sicherheit seines Hafens im Blick. Der Sozialstaat ist an der Grenze der Leistungsfähigkeit, das liegt auch an falschen Anreizen zu Flucht." Auch Robert Malorny betonte: "Im Bereich Soziales fahren wir auf Volllast. In der Gesellschaft schwindet die Akzeptanz. Wo soll Dresden mehr Menschen aufnehmen?"

Wie wurde abgestimmt?

Mit der denkbar knappen Mehrheit von 33-Ja und 31 Nein-Stimmen, bei Stimmengleichheit wäre der Antrag abgelehnt worden, hob der Rat den Beschluss "Dresden soll sicherer Hafen werden" auf. Gleichzeitig beschloss der Rat, eine bundeseinheitliche Bezahlkarte für Asylbewerber einzuführen. Dieser Beschluss steht im Widerspruch zum Tags zuvor getroffenen Beschluss, so schnell wie möglich eine Bezahlkarte für Geflüchtete einzuführen und nicht auf den Bundesstart der Karte zu warten.

Entscheidend in der Abstimmung war die Stimme von Satire-Politiker Max Aschenbach (Die Partei), der überraschend für die Aufhebung des Beschlusses und damit gegen seine Dissidenten-Fraktion stimmte. Aschenbach sagte: "Der 'Sichere Hafen' ist ein Bekenntnis zur Nächstenliebe". Doch das passe nicht zu Dresden. Die klare Botschaft jetzt sei: "Meidet diese verkommene Stadt."

Johannes Lichdi (Dissidenten) erklärte dazu: "Er schlägt damit allen ins Gesicht, die sich für Menschlichkeit und gegen die faschistische Welle einsetzen. Wir werden beraten, ob die Fraktionsgemeinschaft fortgesetzt werden kann."