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Gründer von "Reichsbürger"-Krankenkasse verurteilt

Zwei Tage nach der Verhaftung gesteht ein 68-Jähriger, für seine Reichsbürger-Szene eine illegale Versicherung betrieben zu haben.

Von Alexander Schneider
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Reichsbürger Erhard L. wurde am Mittwoch verurteilt.
Reichsbürger Erhard L. wurde am Mittwoch verurteilt. © Friedel

Dresden. Ungewöhnlich handzahm gibt sich Erhard L. in seinem Prozess. Der 68-jährige Rentner spricht ruhig, beantwortet die Fragen des Richters. Kein Theater, keine irren Behauptungen, er erkenne die Gesetze der Bundesrepublik nicht an. In den Mails, die er vor dem Prozess ans Amtsgericht Dresden geschrieben hatte, klang das noch anders.

Laut Anklage hat L. 2017 mit zahlreichen Mitbeschuldigten eine Krankenversicherung in der Reichsbürger-Szene gegründet und betrieben – trotz Untersagung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). 49 Mitglieder haben insgesamt 8.110 Euro an Beiträgen gezahlt, doch die „Deutsche Gesundheitskasse“ (Degeka) sei nie in der Lage gewesen, die versprochenen Leistungen zu erbringen.

Bereits vergangene Woche wurden die Verfahren gegen vier Mittäter L. gegen Geldauflagen eingestellt. Da L., seine Frau (65) nicht erschienen waren, erließ der Richter einen Sitzungshaftbefehl. Am Montag wurde das Paar an seinem Wohnort bei Frankfurt/Main verhaftet. Hat sie das so beeindruckt, dass sie sich jetzt ihrem Verfahren stellen?

Selbst ernannter „Präsidialsenat“ des Deutschen Reichs

Erhard L. ist selbst ernannter „Präsidialsenat“ des Deutschen Reichs, seinem „Rechtskreis“. Für ihn sei die BRD der Nachfolger des Nazi-Regimes. Er räumt die Vorwürfe weitreichend ein, habe schon 2010 die Idee einer Vollversicherung gehabt. L. gab zu, nach außen und gegenüber der Bafin als Chef aufgetreten zu sein. Er behauptete jedoch, er habe die Voraussetzungen zur Gründung einer Kasse, dazu habe ein Vermögen von 600.000 Euro gehört, im Sinne der Bafin aufbauen wollen.

Tatsächlich hat L. auch die Bafin abgelehnt. Mitbeschuldigten, die ihn kritisierten oder die sich selbst an die Behörde gewandt hatten, entzog er die Staatsbürgerrechte und schloss sie so aus der Gemeinschaft aus. Als andere schon begonnen hatten, Mitgliedern die Beiträge zurückzuerstatten, habe L. Ende 2017 noch Beitragsüberweisungen auf ein Konto in Polen veranlasst. Bekannt wird auch, dass gegen L. wegen Dutzender Vorwürfe ermittelt wurde – darunter Volksverhetzung, verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Widerstand gegen Polizisten, Nötigung, Betrug.

Verurteilt wurde der Mann jedoch nie, weil er 2010 in einem Verfahren in Bayern als nicht schuldfähig begutachtet worden war. Das endet nun. Ein psychiatrischer Sachverständiger prüfte die Gutachten, beobachtete L. im Prozess – und sagt, die angebliche hirnorganische Störung L.s ist eine Diagnose, die nicht zu halten sei.

L. wird zu einer Bewährungsstrafe von elf Monaten verurteilt und muss eine Geldauflage von 2.400 Euro zahlen. Dem Angeklagten sei es letzten Ende auch darum gegangen, „diesen Staat scheibchenweise zu beseitigen“, sagt der Richter am Ende. Das Urteil ist rechtskräftig.

Das Verfahren wegen Beihilfe gegen seine Frau, stellt das Gericht gegen eine Auflage von 900 Euro ein.