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Dresdner Flossenschwimmerin: „Unseren Sport kennt ja keiner“

Michele Rütze ist die einzige Dresdnerin bei den World Games. Die 22-Jährige hält Finswimming für attraktiver als die Kernsportart Schwimmen.

Von Alexander Hiller
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Michele Rütze will bei den World Games mit zwei deutschen Finswimming-Staffeln vorn mitmischen.
Michele Rütze will bei den World Games mit zwei deutschen Finswimming-Staffeln vorn mitmischen. © kairospress

Dresden. Dass Michele Rütze vor dem Sportevent des Jahres schlechthin übermäßig euphorisch wäre, lässt sich nicht behaupten. Dabei startet die Dresdnerin diese Woche bei den World Games – den Spielen der nichtolympischen Sportarten. Für die Flossenschwimmerin vom Tauchsportklub Dresden-Nord sind die World Games daher der wichtigste und auch prestigeträchtigste Wettkampf, den sie in dieser Randsportart erreichen kann.

Dennoch sind die World Games kein mediales Großereignis, wie die Olympischen Spiele. Wenn überhaupt, wird von den Auftritten der Athleten aus dem Rollkunstlauf, Flagfootball, Frisbee, Squash oder Kanu-Polo nur regional berichtet werden. Bei der elften Auflage der World Games starten 3.600 Athleten aus 110 Nationen in 34 Sportarten. Spartensender Sport1 will über 100 Livestunden aus Birmingham im US-Staat Alabama im Free-TV oder per Livestream berichten. „Bei uns ist das nicht ganz so, dass wir die vier Jahre auf die World Games hintrainieren. Dieses Ereignis hat für uns nicht den Stellenwert, wie Olympia“, sagt Michele Rütze vor ihrer ersten Teilnahme. „Klar freut man sich darauf, es ist wunderschön, ein Teil davon zu sein. Aber es sind nicht die Olympischen Spiele.“

Die sind und bleiben das größte Ziel vieler World-Games-Teilnehmer. „Ich würde mir natürlich wünschen, dass wir olympische Sportart werden und bei Olympia teilnehmen dürften. Das wäre das Schönste“, unterstreicht die 22-jährige Dresdnerin. Das sogenannte Finswimming mit der Monoflosse ist vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zwar als olympische Sportart anerkannt, auf die Aufnahme ins olympische Programm warten die Athleten bisher vergebens. Dabei absolviert auch Rütze das Pensum einer Leistungssportlerin. Zweimal pro Tag trainiert sie. Meistens im Schwimmhallenkomplex an der Freiberger Straße. Dafür hat sich vor allem ihr Trainer Reiner Dietze starkgemacht. Vor der Fertigstellung der zwei 50-Meter-Becken im Herzen Dresdens musste sie noch mehr oder weniger in Klotzsche auf einer 25-Meter-Bahn trainieren.

Studium für Tiermedizin geplant

Dank der verbesserten Möglichkeiten kann die Sportsoldatin ihre Potenziale besser erschließen. Allerdings sieht sie auch da noch Verbesserungsmöglichkeiten. „Montags trainiere ich abends 21 Uhr, mittwochs 20 Uhr. „Wir haben in der Halle nicht den Vorrang wie die Schwimmer. Ich fände es schön, wenn wir normale Trainingszeiten bekämen – 17 oder 18 Uhr.“ An den besonders späten Trainingstagen sei sie etwa 23 Uhr daheim. „Ich mache das schon viele Jahre so, man hat sich dran gewöhnt. Aber schön ist was anderes“, stellt Rütze fest.

Dabei hält ihre Sportart dem Vergleich mit dem vermeintlich attraktiveren Schwimmen – eine olympische Kernsportart – durchaus stand, meint die Sächsin. „Bei uns ist es genauso spannend, wenn nicht sogar spannender, weil wir schneller sind“, sagt sie. Nur zum Vergleich: Der Weltrekord über 50 Meter im Apnoetauchen stellt mit 13,70 Sekunden – den der schnellsten Schwimmdisziplin über 50 Meter Freistil (20,26 s) deutlich in den Schatten. „Wir benötigen nur die Schwimmhallen, die bereits vorhanden sind, wir brauchen nichts anderes“, argumentiert Rütze, die in Langebrück wohnt.

Dabei hat sich ihr Verband Deutscher Sporttaucher (VDST) in jüngster Vergangenheit eine gute Gelegenheit entgehen lassen, um stärker ins öffentliche Licht zu drängen – und Fernsehzeiten in öffentlich-rechtlichen Sendern zu bekommen. Für die Finals in Berlin – deutsche Meisterschaften in mehreren Sportarten an einem Standort – stand Finswimming auch zur Diskussion. „Der Termin war für uns nicht so passend, weil er sich mit der Jugend-Europameisterschaft überschnitten hat. Deshalb hat sich unser Verband gegen die Finals entschlossen“, sagt die einstige Nachwuchs-Weltmeisterin, die selbst für sich erkannt hat: „Aufmerksamkeit ist immer gut. Unseren Sport kennt ja keiner.“

Das Ziel ist die Weltspitze

Dennoch ist die einzige Dresdner Starterin neben vier Sportakrobaten des Dresdner SC bei den World Games hochmotiviert – und das gleich doppelt. Denn die deutsche Nationalmannschaft reist aus Birmingham direkt nach Kolumbien weiter. Dort findet im Anschluss an die World Games die Finswimming-Weltmeisterschaft statt. Dabei will Rütze vier Einzelstarts und zwei mit der Staffel bestreiten – „und das an vier Tagen.“

Für die World Games in Birmingham hat sich die Dresdnerin bei der WM im Vorjahr nur mit der 4x100-Meter-Staffel qualifiziert, die darf auch über 4x50-Meter antreten. „Zwei sportliche Höhepunkte hintereinander, das kommt nicht so oft vor“, ahnt die Finschwimmerin am Ende doch noch Spektakuläres. Bei der Eröffnungszeremonie wolle sie dabei sein – trotz nach wie vor weltweiter Coronagefahr. „Das sollte man mitnehmen, das gehört dazu. Ich hoffe, dass der Verband uns das freistellt“, sagt sie.

Nach diesen sportlich besonderen Wochen steht der nächste Einschnitt in der Karriere von Rütze bevor. Sie hat sich für ein Tiermedizin-Studium in Leipzig beworben. Am dortigen Stützpunkt könnte sie parallel weiter Leistungssport betreiben. „Tiermedizin wird als Studium nur in fünf deutschen Städten angeboten, da ist Leipzig für mich die einzige Möglichkeit, den Sport weiterzumachen. Ich warte noch auf die Zusage“, betont die mehrfache deutsche Meisterin.

Denn die junge Frau mit den auffälligen roten Locken will ihren Traum von einer WM-Medaille verwirklichen. „Bei der WM ganz vorn zu sein, wird dieses Jahr ganz schwer. Ich denke schon, dass ich das draufhabe.“ Im Moment beträgt ihr Rückstand auf die absolute Weltspitze knapp eine Sekunde über 50 Meter. „Das ist viel – und wird nicht von heute auf morgen. Aber irgendwann“, hofft sie.

Das sind die World Games

Sportarten:
In insgesamt 44 Sportarten messen die Athleten ihre Kräfte. Darunter sind u.a. Tauziehen, Luftsport, Rollkunstlauf, Korfball, Kraftdreikampf, Beachhandball, Parkour oder Ultimate Frisbee.
Weitere Dresdner Starter: Neben Rütze stehen vier Sportakrobaten des Dresdner SC im deutschen Aufgebot: Vincent Kühne (25), Danny Ködel (19), Tom Mädler (21) und Ben Ködel (15).
Prominente: Die bekannteste deutsche Sportlerin dürfte Beachhandballerin Lucie-Marie Kretzschmar sein, die Tochter von Handball-Ikone Stefan Kretzschmar.