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Das unsichtbare Handicap eines Dresdner Volleyballers

Wie Paul Schneider ohne rechten Brustmuskel in der 2. Volleyball-Bundesliga spielt, wie das Fehlen bemerkt wurde und welchen Sport er noch ausprobiert hat.

Von Alexander Hiller
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Paul Schneider ist mit seinem VC Dresden dem Abstieg aus der 2. Volleyball-Bundesliga wieder einmal entronnen.
Paul Schneider ist mit seinem VC Dresden dem Abstieg aus der 2. Volleyball-Bundesliga wieder einmal entronnen. © Matthias Rietschel

Dresden. Auf den ersten Blick ist Paul Schneider ein ganz normaler Zweitliga-Volleyballer. Mit seinen 1,98 Meter Körperhöhe vielleicht ein paar Zentimeter zu klein für die ganz große Karriere. Dennoch durchtrainiert, fit – vielseitig interessiert. Und beim VC Dresden natürlich eine Art gehobener Amateur-Volleyballer. Der Tabellenzehnte, der am Wochenende zwei Spieltage vor Schluss ohne eigenes Zutun den Klassenerhalt feiern konnte, hat nie ein Hehl daraus gemacht, seinen Spielern bis auf eine geringe Entschädigung kein Geld zu zahlen.

Dennoch ist Paul Schneider kein normaler Zweitliga-Volleyballer. Der 23-Jährige hat ein vielleicht einmaliges Handicap in dieser Spielklasse, das der gebürtige Dresdner aber gar nicht als solches begreift. Schneider kam ohne rechten Brustmuskel zur Welt. Als Kind hat er davon natürlich noch nichts mitbekommen. „In der Grundschule war ich mal beim Schwimmen. Die Trainerin machte mich auf einen leichten Unterschied aufmerksam und sagte: Das sollte mal abgeklärt werden.“

Schneider ging mit seiner Mutter zu einem Spezialisten. Der stellte das Fehlen des rechten Brustmuskels fest – das sogenannte Poland-Syndrom hat eine Inzidenz von 1:10.000 bis 1:100.000. Die Ursache liegt an einem gehemmten Wachstum in der Embryonal-Periode.

Bislang keine Einschränkungen spürbar

„Das ist für mich keine Beeinträchtigung, was Volleyball angeht – ich weiß ja nicht, wie es mit einem ausgebildeten Brustmuskel wäre“, sagt Schneider. Der Außenangreifer des VC Dresden ist Rechtshänder, sein Schlagarm muss mithin ohne Kraft aus dem Brustmuskel auskommen. Dadurch ist „mein rechter Bizeps etwas anders aufgebaut als mein linker. Sonst kann ich nicht sagen, dass etwas mehr wäre oder weniger“, sagt Schneider.

Dessen linke Brustmuskulatur ist vollständig ausgebildet. „Ich weiß nicht, ob ich ein stärkerer Spieler wäre, wenn beide Muskel komplett wären. Ich glaube, beim Schlagen kommt ein bisschen was aus der Brust, aber der Hauptteil kommt aus der Schulter und dem hinteren Rücken“, sagt Schneider.

Dem jungen Mann, der mit dem Nachwuchs des VC Dresden 2011 deutscher Meister geworden ist, wurde bereits vorgeschlagen, eine kosmetische Operation mit Implantat durchführen zu lassen, wenn ihn die Fehlbildung irgendwann stört. „Das würde wohl auch die Krankenkasse bezahlen, aber mich stört das jetzt nicht.“

Er spürt bislang in seinem Leben kaum Einschränkungen. Nur beim Krafttraining „meide ich Brustmuskelübungen. Beim Bankdrücken würde ich nur aus der Schulter heraus agieren, das könnte auf Dauer schwierig für die Schulter werden“, sagt er.

Mit 16 in die Nationalmannschaft reingeschnuppert

Ob Schneiders Karriere anders verlaufen wäre, wenn er auf eine vollständige Muskulatur zurückgreifen könnte, ist mithin allenfalls Spekulation. „Ich weiß nicht, ob ich die Leistungschecks im Hochleistungssport überstehen würde.“ Der Dresdner ist zumindest als 16-Jähriger durch seine Leistungen im VC-Dress mal in den Dunstkreis der Jugend-Nationalmannschaft geraten. Aber nach dem Lehrgang in Kienbaum wurde Schneider nie wieder eingeladen. „Ich war einer der Jüngsten in meinem Jahrgang“, sagt er.

Schneider hat lange parallel zu seiner Volleyball-Karriere noch Fußball gespielt – bei der SG Gebergrund Goppeln sogar noch bis zur U20. „Ich bin da teilweise samstags vom Fußballfeld in die Halle gegangen“, erinnert sich Schneider lachend. Mittlerweile hat sich der Fokus – zumindest der sportliche – voll auf Volleyball verschoben.

Und mit dem VC Dresden heißt das regelmäßig: Abstiegskampf in der 2. Bundesliga. „Dass es für uns letztendlich wieder so eng wird, hätten wir gern vermieden.“ Schneiders Team gilt als eines der jüngsten in der Liga und ist damit natürlichen Schwankungen unterworfen. „Ich hoffe, dass wir größtenteils zusammenbleiben und noch mal eine bessere Saison spielen“, sagt er.

Sein Geld verdient der gelernte Industriekaufmann als Teamleiter Warenwirtschaft in dem mittelständischen Unternehmen Aufzugbau Dresden. „Ich bin für die Warenflüsse im Unternehmen zuständig, Wareneingang und -ausgang“, sagt er.