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Wie trainiert eigentlich ein Rennpferd? Und was isst es?

Beim Galopprenntag in Dresden stehen die Pferde im Fokus. Doch wie werden sie fit? Und stimmt es, dass es auch Pulsuhren für Pferde gibt? Zu Besuch im Stall bei Trainerin Claudia Barsig.

Von Michaela Widder
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Auf der Sandbahn direkt neben der Galopprennbahn werden die Rennpferde fast täglich geritten.
Auf der Sandbahn direkt neben der Galopprennbahn werden die Rennpferde fast täglich geritten. © Jürgen Lösel

Dresden. Der Arbeitstag von Agent Sim beginnt 6.30 Uhr. Ohne Frühstück geht’s nicht aus dem Haus, pardon – aus dem Stall. Eine große Portion Hafer und etwas Heu zum Knabbern stehen auf dem Speiseplan. Schon eine halbe Stunde später geht es in die Führmaschine. Es ist die Zeit, in der sein Stall ausgemistet wird. Rund 30 Minuten dauert die Aufwärmphase für den vierbeinigen Hochleistungssportler.

In der überdachten Führanlage läuft Agent Sim erst im Schritt, dann im Trab seine Runden. „Es ist wichtig, dass die Muskeln warm werden“, erklärt Claudia Barsig, die diesen Stall auf der Seidnitzer Galopprennbahn seit 2004 leitet.

Der Trainingsalltag mit Rennpferden erfordert viel Disziplin und noch mehr Gespür für die Tiere. Insgesamt sieben Vollblüter betreut Barsig mit ihrem Mann Gerd und den beiden Arbeitsreiterinnen. Früher waren es dreimal so viele. Wie in vielen Branchen, so Barsig, fehle das Personal. Doch ein kleiner Stall habe auch Vorteile. „Man kennt jedes Tier gut, und man merkt schnell, wenn etwas nicht stimmt“, betont die Pferdewirtschaftsmeisterin. Wie ein Trainer bei seinem Athleten nimmt auch sie die Anzeichen ernst. Frisst ein Pferd schlecht, ist das oft schon ein Indiz.

Liegt der Puls nach dem Training bei 80, ist alles gut

Außerdem hat Barsig die Möglichkeit, Fieber zu messen, und sie hat sogar eine spezielle Pulsuhr. Eine Halterung mit Sensor wird an den Hals des Pferdes gehalten. Die Herzfrequenzdaten werden auf eine Uhr oder in eine App aufs Handy übertragen. Wie beim Menschen variiert der Ruhepuls bei Pferden je nach Fitnesszustand und Alter. „Etwa zwölf Minuten nach dem Galopptraining messen wir den Puls. Wenn der bei 80 Schlägen pro Minute liegt, ist das gut“, erklärt die 53-Jährige.

Ein bekannter Hersteller ist Polar, der schon Jahrzehnte Lauf- und Fitnessuhren auf den Markt bringt. Mittlerweile wurde von der Firma sogar ein Pulsgurt für Pferde entwickelt, mit dem die Herzfrequenz auch während des Trainings gemessen werden kann. „Das Messgerät ist schon ein gutes Hilfsmittel“, findet Barsig, die trotzdem mehr auf ihr Gefühl und ihre langjährige Erfahrung als Trainerin und zuvor als Amateurreiterin vertrauen kann.

Agent Sim ist fit, selbst wenn er an diesem Samstag zum Auftakt beim Renntag in Dresden wohl nicht zu den großen Favoriten zählt. Der dreijährige Wallach, der erst seit Anfang des Jahres in ihrem Stall steht, wurde Ende Juli kastriert. „Er ist ein schöner großer Kerl und er soll sich jetzt mehr fokussieren“, begründet sie diesen Schritt. In der täglichen Arbeit sei er zwar etwas phlegmatisch, aber habe sich in seinen bisherigen sechs Rennen gut präsentiert. Knapp 200 Euro an Prämien hat er in seiner ersten Rennsaison eingespielt. Ein Sieg fehlt aber noch in seiner jungen Karriere.

"Es gibt Pferde, die brauchen für die Kondition eher weitere und ruhigere Ritte", sagt Trainerin Claudia Barsig. Und natürlich gutes Futter, das hilft immer.
"Es gibt Pferde, die brauchen für die Kondition eher weitere und ruhigere Ritte", sagt Trainerin Claudia Barsig. Und natürlich gutes Futter, das hilft immer. © Ronald Bonß

Nach der Erwärmung in der Führmaschine wird Agent Sim gesattelt, und anschließend geht er mit einem Arbeitsreiter auf die benachbarte Sandbahn. Das äußere Geläuf auf der Galopprennbahn ist die übliche Trainingsstrecke. „Wenn wir immer auf dem eigentlichen Geläuf trainieren würden, wäre das bald ein Acker“, erklärt Claudia Barsig. 2.000 Meter ist diese Runde lang – und mehr als eine wird auch nicht in einer Einheit gelaufen.

„Wir haben schon einen Trainingsplan. Es gibt Pferde, die brauchen für die Kondition eher weitere und ruhigere Ritte, andere müssen eher kurz und schnell geritten werden. Das hängt von ihrem Fitnesszustand ab“, erklärt Barsig, die öfter noch selbst im Sattel sitzt. Bei der Trainingssteuerung spielt auch eine entscheidende Rolle: Ist das Rennpferd eher der Sprinter oder ein Mittelstreckler? 1.200 bis 2.000 Meter sind die klassischen Streckenlängen auf den Galopprennbahnen.

Als Agent Sim zurück von seiner Einheit im Stall ist, wird er geputzt, die Hufen ausgekratzt, mögliche kleine Blessuren behandelt. An heißen Sommertagen genießen die Pferde nach dem Training noch eine kalte Dusche. Auch das Fressen wird auf die Bewegung abgestimmt. Für den braunen Wallach gibt es zum Mittag wieder eine Portion Hafer, dazu Müsli und noch einen Apfel als kleines Schmankerl.

85 Prozent der Siegprämie gehen an die Pferdebesitzer

Regeneration ist wichtig, also gibt es in Barsigs Stall eine lange Mittagspause. Gegen vier Uhr wird die Box ein zweites Mal geputzt und das Abendessen – die dritte Portion Hafer an diesem Tag – bereitgestellt. „Pferde, die Rennen laufen, brauchen natürlich viel Kraftfutter, anders als die, die auf der Koppel stehen“, sagt Barsig. In ihrem Stall bekommen Rennpferde, die am Wochenende im Einsatz waren, immer eine zweitägige Reitpause.

Wie Agent Sim nun an diesem Samstag abschneidet, darauf möchte sie nicht wetten. Zwei Wochen vor dem Galopprenntag stand fest, welche Pferde am Samstag an den Start gehen. Danach setzte sich die Trainerin ans Telefon, ein Jockey musste gefunden werden. „Jeder Trainer hat so seine Leute, die man immer anruft“, erzählt Barsig, die nur den Wallach am Start hat. Im Sattel von Agent Sim sitzt diesmal die belgische Reiterin Anna van den Troost. „Sie kennt das Pferd, ist es schon ein paar Mal geritten.“

Eine gemeinsame Trainingsrunde vor dem Start ist im Galoppsport nicht üblich. Erst im Führring, wenn die Besucher einen Blick auf die Pferde erhaschen und anschließend auf sie wetten, sitzen die Reiter das erste Mal am Renntag im Sattel. Das ist auch der Moment der Stallorder, also der Taktikbesprechung. Üblicherweise gibt der Trainer ja die letzten Anweisungen, aber auch mancher Besitzer will gern ein Wörtchen mitreden.

Bei den Barsigs ist das klar aufgeteilt. „Weil ich viel zu viel quatsche und zu emotional bin, übernimmt das bei uns mein Mann. Die Mädels verstehen mich, aber für die männlichen Reiter ist das viel zu viel“, sagt die Mutter zweier erwachsener Töchter und grinst. Und dann ist der Zeitpunkt gekommen, da geht es ihr wie den Trainern in vielen anderen Sportarten: Sie kann nur noch zuschauen und mitfiebern. Gewinnt Agent Sim ein Preisgeld, bekommt Claudia Barsig zehn, der Jockey fünf Prozent. Die Besitzer, eine Gemeinschaft aus Bad Harzburg, erhalten mit 85 Prozent den größten Anteil. Und Agent Sim? Der ist glücklich mit einem Apfel.