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Lokführerstreik: Was Fahrgäste und Händler im Dresdner Hauptbahnhof zum Protest sagen

Kaum Züge von und nach Dresden: Weil die Lokführer der Gewerkschaft GDL seit Mittwochfrüh die Arbeit niedergelegt haben, wirkt der Dresdner Hauptbahnhof fast wie ausgestorben. Wie Pendler und Geschäftsleute reagieren.

Von Verena Belzer
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Nichts los: Am Dienstagvormittag sind wegen des Streiks der Lokführer kaum Züge in den Dresdner Hauptbahnhof eingefahren.
Nichts los: Am Dienstagvormittag sind wegen des Streiks der Lokführer kaum Züge in den Dresdner Hauptbahnhof eingefahren. © Matthias Rietschel

Dresden. Gegensätzlicher könnte die Lage kaum sein: Während am Mittwochvormittag die Traktoren laut hupend den Dresdner Hauptbahnhof passieren, herrscht drinnen eine fast schon gespenstische Ruhe. Kein hektisches Treiben. Keine langen Schlangen an den Geschäften, die ansonsten den Pendlern noch einen heißen Kaffee und Frühstück verkaufen. Bei der Bäckerei Heberer Traditional Bakery zum Beispiel ist die Auslage noch komplett voll, nichts ist ausverkauft.

Kaum Durchsagen. Und wenn doch die vertraute Stimme sagt: "Lassen Sie Ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt", dann wirkt das ungewollt skurril. Denn wer sollte das denn tun, an einem Tag wie heute - wo doch keiner gekommen ist?

Weil die Gewerkschaft GDL ihre Mitglieder zum Streik aufgerufen hat, fahren an diesem Tag kaum Züge in und aus dem Dresdner Hauptbahnhof. Der Streik soll bis noch Freitagabend um 18 Uhr andauern. Es gilt ein Notfahrplan der Deutschen Bahn, im Fernverkehr fallen dabei gut 80 Prozent aus. Nach zwei Warnstreiks ist es der längste Arbeitskampf im laufenden Tarifkonflikt.

Mit dem Auto von Ottendorf nach Dresden

Für viele Reisende bedeutet das: Umsteigen auf ein anderes Verkehrsmittel. So hat es zum Beispiel Antje Schunke gemacht. Die Ottendorferin fährt normalerweise morgens gegen 4 Uhr mit dem Auto nach Klotzsche und von dort mit der S8 zum Hauptbahnhof - hier arbeitet sie als Verkäuferin im Zeitschriftengeschäft press & books. Sie ist also heute doppelt betroffen. "Ich bin mit dem Auto nach Dresden gefahren", erzählt sie. "Wenn man seit mehr als 30 Jahren zum Hauptbahnhof auf Arbeit fährt, weiß man auch, wo man kostenlos parken kann. Und so früh morgens steht da noch niemand."

Dass gestreikt wird, findet Antje Schunke grundsätzlich gut. "Besser, die Lokführer bekommen zum Beispiel zwei Tage mehr frei und sind dafür einsatzbereit, wenn sie gebraucht werden", sagt sie. Sie könne die Lokführer verstehen und kenne auch einige persönlich. "Dieser Job ist auch eine nervliche Belastung."

In ihrem Zeitschriftenladen ist indes heute kaum ein Kunde zu sehen. "Es waren nur die Stammkunden da", erzählt sie. "Aber uns wird schon nicht langweilig. Es gibt genug anderes zu tun. Und wenn es Reinemachen ist."

Der Trilex nach Görlitz fährt planmäßig

Die Dresdnerin Monique Ritter fährt an diesem Morgen problemlos nach Görlitz - der Trilex wird nicht bestreikt.
Die Dresdnerin Monique Ritter fährt an diesem Morgen problemlos nach Görlitz - der Trilex wird nicht bestreikt. © Matthias Rietschel

Das Verständnis für die Streikenden ist an diesem Vormittag groß. Auch bei Monique Ritter. Die Dresdnerin steht am leeren Bahnsteig und wartet auf den Trilex nach Görlitz. Dort arbeitet sie als Vertretungsprofessorin für Soziale Arbeit an der Hochschule. Zweimal pro Woche fährt sie nach Görlitz, den Rest der Woche arbeitet sie von zu Hause aus.

"Ich habe gestern Abend in der Bahn-App geschaut und gesehen, dass der Zug fährt", erzählt sie. "Die Kommunikation der Bahn hat da gut funktioniert." Und so steht sie nun in der Kälte am Gleis, ziemlich einsam. "Normalerweise ist hier der ganze Bahnsteig voll", erzählt Monique Ritter. "Die meisten wollen in die S-Bahn, die vor dem Trilex kommt." Im Trilex selbst sei morgens nur recht wenig los - im Gegensatz zu nachmittags. "Da kann es schwer werden, einen Sitzplatz zu bekommen." Seit einem halben Jahr fährt die Dresdnerin regelmäßig mit dem Zug zur Arbeit, davor ist sie meist mit dem Auto gefahren. "Aber jetzt haben wir ein Deutschlandticket als Jobticket und das ist natürlich schon attraktiv."

Informationen auf Anzeigetafel irreführend

Kurz nachdem Monique Ritters Trilex Richtung Görlitz gestartet ist, steht Anna Marie Fichtl vor der großen Anzeigetafel. "Zug fällt aus", steht hier hinter etlichen Verbindungen. Die ICE- und EC-Verbindungen werden jedoch überhaupt nicht angezeigt. Fährt der EC nach Prag wie angekündigt, obwohl er nicht auf der Tafel steht? Anna Marie Fichtl bleibt ganz entspannt und schaut auf ihr Handy. Dort wird der Zug auf Gleis 3 angekündigt. "Ich gehe mal auf dem Bahnsteig nachschauen", sagt die Studentin, die von Prag nach Wien weiterfahren will. Am Gleis dann die Bestätigung: der Zug fährt.

Mit der Bahn hat Anna Marie Fichtl sie hauptsächlich gute Erfahrungen gemacht, "aber wenn die Bahn auf Kosten der Mitarbeiter kaputtgespart wird, dann finde ich das nicht richtig". Wäre der Zug heute ausgefallen, dann wäre sie eben an einem anderen Tag gefahren, sagt sie.

Nicht alle zeigen Bahnkunden zeigen Verständnis

Also alles entspannt auf dem Dresdner Hauptbahnhof? Im Großen und Ganzen ja. Der Großteil der Zugreisenden scheint sich informiert zu haben und hat umgeplant. Und doch hört man auch kritische Stimmen. Eine rund 15-köpfige Gruppe Senioren wollte eigentlich mit der S-Bahn in Richtung Freital zum Wandern. Jetzt steigt sie kurzerhand auf die Straßenbahn um.

"Aber dass die Lokführer jetzt drei Tage lang das Land und die Wirtschaft lahmlegen, das geht doch nicht", sagt einer der Rentner. "In meinen Augen sind die Verantwortlichen dafür Verbrecher."