Dresden. Wer in den Reinraum von Infineon will, muss sich bis auf die Unterhose entkleiden und dann den weißen Schutzanzug überziehen. Kein einzelnes Haar darf mehr hervorlugen. „Ein Haar auf einem Mikrochip ist wie ein Felsen in der normalen Welt“, zieht Jens Fellendorf einen Vergleich. Der Mensch sei einer der schmutzigsten Einflüsse im Reinraum, betont der Fertigungsmanager. Er führte am Dienstag einige Gäste durch den Reinraum, das Herzstück der Halbleiterproduktion.
Anlass war der Spatenstich für die neue Chipfabrik, zwei Stunden später im Festzelt vor der Baustelle. Am eindrücklichsten ist das Transportsystem, das unter der Decke hängt, weil dort die Luft am saubersten ist und die Mikrochips in rasanter Geschwindigkeit von einem zum nächsten Arbeitsschritt befördert. Die Beschäftigten nennen es liebevoll „Modelleisenbahn“.
So eine “Modelleisenbahn“ wird auch in der neuen Fab unterwegs sein, für die Infineon am Dienstag den Spatenstich setzte – im Beisein des Bundeskanzlers Olaf Scholz und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Auch Herbert Diess, der frühere Vorstandschef von Volkswagen, wurde im Festzelt gesichtet. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender der Infineon Technologies AG.
Um rechtzeitig von der gemeinsamen Kabinettssitzung mit Bayern aus München zurückzukommen, flogen Ministerpräsident Michael Kretschmer und Wirtschaftsminister Martin Dulig mit dem Helikopter ein. „Das tut der Ministerpräsident nur in ganz seltenen Ausnahmen“, hieß es in der Staatskanzlei.
Von der Leyen kam extra aus Brüssel
Der Spatenstich für ein neues Chipwerk ist ein solcher Anlass, ruhen auf ihm doch große Hoffnungen. Es geht um nichts weniger, als die technologische Souveränität Europas zu sichern. „Dresden ist ein digitaler Leuchtturm Europas“, gratulierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die extra aus Brüssel anreiste.
Es sei eine großartige Nachricht, dass Infineon in „Zeiten geopolitischer Risiken massiv in den Produktion von Halbleitern“ investierte, lobte die CDU-Politikerin. Denn bei jeder Störung des Handels wäre „unser Binnenmarkt empfindlich getroffen“, warnte von der Leyen und verwies namentlich auf die Spannung zwischen China und Taiwan. „,Deshalb brauchen wir wieder mehr Massenproduktion in Halbleitern. Deshalb ist Dresden so wichtig“, so die EU-Kommissionspräsidentin.
„Wir treiben gemeinsam die Dekarbonisierung und die Digitalisierung voran“, begrüßte Infineon-Vorstandschef Jochen Hanebeck die Gäste. In Dresden sollen ab 2026 Leistungshalbleiter auf der Basis der 300-Millimeter-Fertigungstechnologie produziert werden, die für Stromzähler und Smart Meter-Anlagen, Windräder oder Ladesäulen benötigt werden.
Fünf Milliarden Euro investiert der Münchner Konzern in die neue Fabrik, es ist die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte. Und diese wird sich rentieren, ist sich Hanebeck sicher. „Der globale Halbleiterbedarf wird angesichts der hohen Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Rechenzentren und Elektromobilität stark und anhaltend wachsen“, betonte der Infineon-Chef. Etwa 1.000 neue Jobs sollen geschaffen werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz versicherte, dass Deutschland nicht nur den EU Chips Act begrüße und unterstütze, „sondern wir erfüllen ihn auch mit Leben“. Die EU-Mitgliedsstaaten nehmen in den kommenden Jahren bis zu 43 Milliarden Euro in die Hand, um den weltweiten Anteil an der Chipproduktion „made in Europe“ auf 20 Prozent zu verdoppeln. Und der Bundeskanzler deutete an, dass er aus seinen Gesprächen den Eindruck gewonnen habe, dass die Investition von Infineon „nicht die letzte Großinvestition sein wird, die wir in Silicon Saxony erleben“.
Für Scholz gibt es einen Anschlusstermin in Dresden: Am Nachmittag tritt er auf dem Zukunftsforum Wirtschaft-Arbeit-2030 auf. Bei der Veranstaltung der SPD-Landtagsfraktion und der Handwerkskammer Dresden will der Kanzler einen Impulsvortrag halten und anschließend Fragen von Teilnehmern beantworten. (mit dpa)