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Start für Ausbau des Halbleiterwerks von Infineon

Der Chiphersteller Infineon hat mit dem Ausbau seiner Produktionsstätte in Dresden begonnen. Zum symbolischen Spatenstich kam viel Prominenz.

Von Nora Miethke
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Zusammen mit zwei Kindern von Infineon-Mitarbeitern stehen Sachsens MP Michael Kretschmer (CDU), EU- Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Infineon-Vorstandsvorsitzender Jochen Hanebeck, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Dresdens OB Dirk Hilbert
Zusammen mit zwei Kindern von Infineon-Mitarbeitern stehen Sachsens MP Michael Kretschmer (CDU), EU- Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Infineon-Vorstandsvorsitzender Jochen Hanebeck, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Dresdens OB Dirk Hilbert © Veit Hengst

Am frühen Dienstagnachmittag herrschte ungewöhnlich reger Helikopter-Verkehr am Himmel über dem Dresdner Norden. Die Gäste im Festzelt, dass der Chiphersteller Infineon anlässlich des feierlichen Spatenstichs für seine neue Halbleiterfabrik aufgebaut hatte, schien der vibrierende Lärm der Hubschrauber-Rotoren nicht zu stören. Sie nahmen es eher als Ankunftssignal der Ehrengäste.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten es sich nicht nehmen lassen, trotz voller Terminkalender, nach Dresden zu kommen, um den symbolischen ersten Spatenstich für den Ausbau des Standorts zu tätigen. Der Baubeginn für die erste Smart Power Fab mit geplanten 1.000 hochqualifizierten Arbeitsplätzen sei nicht nur eine „großartige Nachricht für Sachsen, sondern für ganz Europa“, betonte Ursula von der Leyen.

Selbst Ministerpräsident Michael Kretschmer und Wirtschaftsminister Martin Dulig flogen mit dem Hubschrauber ein. Sie hätten es sonst nicht rechtzeitig zurück von der gemeinsamen Kabinettssitzung mit Bayern am Dienstagvormittag in München geschafft. „Das tut der Ministerpräsident nur in ganz seltenen Ausnahmen“, hieß es zuvor in der Staatskanzlei.

Sachsens MP Michael Kretschmer (CDU), EU- Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Infineon-Vorstandsvorsitzender Jochen Hanebeck, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Dresdens OB Dirk Hilbert (v.l.n.r.) beim virtuellen Spatenstich.
Sachsens MP Michael Kretschmer (CDU), EU- Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Infineon-Vorstandsvorsitzender Jochen Hanebeck, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Dresdens OB Dirk Hilbert (v.l.n.r.) beim virtuellen Spatenstich. © Veit Hengst

Doch der Startschuss für das neue Chipwerk ist ein solcher Anlass, ruhen auf ihm doch große Hoffnungen. Es geht um nichts weniger, als die technologische Souveränität Europas zu sichern. „Dresden ist ein digitaler Leuchtturm Europas“, gratulierte die EU-Kommissionspräsidentin und lobte Infineon dafür, auch in „Zeiten geopolitischer Risiken massiv in die Produktion von Halbleitern zu investieren“. Denn bei jeder Störung des Handels wäre „unser Binnenmarkt empfindlich getroffen“, warnte von der Leyen und verwies namentlich auf die Spannungen zwischen China und Taiwan. „Deshalb brauchen wir wieder mehr Massenproduktion von Halbleitern. Deshalb ist Dresden so wichtig“, so die Politikerin.

Infineon will in der neuen Fab ab dem Jahr 2026 Leistungshalbleiter auf Basis der 300 Millimeter-Fertigungstechnologie produzieren sowie sogenannte Analog/Mixed-Signal-Komponenten. Kombiniere man beides, würden hocheffiziente und intelligente Halbleiter entstehen, erläuterte Vorstandschef Jochen Hanebeck. Diese Halbleiter werden gebraucht für digitale Lösungen zur Stromversorgung, für energieeffiziente Ladegeräte oder in Motorensteuerungen für Elektroautos.

„Wir treiben gemeinsam die Dekarbonisierung und die Digitalisierung voran“, begrüßte Hanebeck die Gäste. Fünf Milliarden Euro investiert der Münchner Konzern in die neue Fabrik, es ist die größte Einzelinvestition in der Firmengeschichte. Und diese werde sich lohnen, ist sich Hanebeck sicher. „Der globale Halbleiterbedarf wird angesichts der hohen Nachfrage nach erneuerbaren Energien, Rechenzentren und Elektromobilität stark und anhaltend wachsen“, betonte der Infineon-Chef.

Visualisierung des geplanten Neubaus.
Visualisierung des geplanten Neubaus. © Visualisierung: PR/Infineon

Das neue Werk soll mit modernster Umwelttechnologie ausgestattet werden und noch stärker digitalisiert und automatisiert sein als die bisherige Fertigung in Dresden. Und dabei ist diese das schon zu 90 Prozent. Was das heißt, davon konnten sich Pressevertreter am Vormittag bei einer exklusiven Führung überzeugen.

Wer in den Reinraum von Infineon will, muss sich bis auf die Unterhose entkleiden und dann den weißen Schutzanzug überziehen. Kein einzelnes Haar darf mehr hervorlugen. „Ein Haar auf einem Mikrochip ist vergleichbar einem Felsen in der normalen Welt“, sagte Jens Fellendorf, Produktionsmanager bei Infineon.

Transportsystem wird liebevoll „Modelleisenbahn“ genannt

Die Schutzkleidung, unter der man arg ins Schwitzen kommt, sei unerlässlich. Der Mensch sei einer der schmutzigsten Einflüsse im Reinraum, so Fellendorf, der die Gäste durch den Reinraum führte. Diese waren vor allem beeindruckt vom Transportsystem, das unter der Decke hängt, weil dort die Luft am saubersten ist, und die Mikrochips in rasanter Geschwindigkeit von einem zum nächsten Arbeitsschritt befördert. Die Beschäftigten nennen es liebevoll „Modelleisenbahn“.

Mitarbeiter des Chipkonzerns Infineon arbeiten im Reinraum der Chipfabrik.
Mitarbeiter des Chipkonzerns Infineon arbeiten im Reinraum der Chipfabrik. ©  Robert Michael/dpa

So eine „Modelleisenbahn“ wird auch in der neuen Fab unterwegs sein. Der Beginn für den Rohbau ist im Herbst geplant. Infineon macht Tempo. Im vergangenen November wurde die neue Fabrik angekündigt, im Februar erteilte das Bundeswirtschaftsministerium die Genehmigung für den vorzeitigen Projektbeginn und Anfang Mai ist schon Baubeginn. In seiner Einladung habe Hanebeck die „beachtliche Geschwindigkeit der deutschen Ministerialverwaltung gelobt“, verriet der Bundeskanzler in seiner Rede. Das sei ein Lob, dass er gern weitergebe.

Deutschland begrüßt Chips Act

„Wir brauchen das neue Deutschlandtempo für unseren gemeinsamen Erfolg“, so Olaf Scholz. Deutschland müsse noch schneller werden, nicht nur bei der Planung und Genehmigung von Großprojekten, sondern auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien und dem Umbau zum klimaneutralen Wirtschaft.

Der Bundeskanzler versicherte, dass Deutschland den EU Chips Act nicht nur begrüße und unterstütze, „sondern wir erfüllen ihn auch mit Leben“. Die EU-Mitgliedsstaaten nehmen in den kommenden Jahren bis zu 43 Milliarden Euro in die Hand, um den weltweiten Anteil an der Chipproduktion „made in Europe“ auf 20 Prozent zu verdoppeln.

Der Chips Act ist ein Gesetzespaket, das die notwendigen Rahmenbedingungen festlegt. Infineon strebt eine öffentliche Förderung von rund einer Milliarde Euro an. Nach Ansicht der Branchenverbände sind die hohen Subventionen gerechtfertigt. „Die EU-Förderung in Höhe von einer Milliarde Euro ist ein wichtiger Schritt, der für mehr Chancengleichheit im Wettbewerb mit führenden Chip-Nationen in Asien oder den USA gesorgt hat“, betont Bitkom-Präsident Achim Berg.

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Der Spatenstich festige die Position von Sachsen als Hauptsitz der europäischen Mikroelektronik, führt Frank Bösenberg aus, Geschäftsführer von Silicon Saxony e.V. und verweist darauf, dass jeder neue Arbeitsplatz bei einem Chiphersteller sechs bis acht weitere Jobs in der Region nach sich ziehe. „Die Beschäftigungs- und Steuereffekte zeigen, dass sich die finanzielle Unterstützung der Industrie neben dem Beitrag zur technologischen Souveränität Europas und zur Versorgungssicherheit der europäischen Industrie auch gesellschaftlich und volkswirtschaftlich auszahlt“, so Bösenberg.

Und bevor der Bundeskanzler wieder in den Helikopter stieg, deutete er an, die Investition von Infineon „nicht die letzte Großinvestition sein könnte, die wir in Silicon Saxony erleben werden“.