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Riesas Stahlwerk trotzt der Corona-Krise

Während anderswo von Kurzarbeit die Rede ist, stauen sich bei Feralpi an manchen Tagen die Lkws. Der neue Werkleiter hofft, dass das so bleibt.

Von Stefan Lehmann
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Der neue Werkleiter hat weiter Grund zur Freude: Die Corona-Krise wirkt sich auf Feralpi in Riesa derzeit nicht negativ aus, sagt Christian Dohr.
Der neue Werkleiter hat weiter Grund zur Freude: Die Corona-Krise wirkt sich auf Feralpi in Riesa derzeit nicht negativ aus, sagt Christian Dohr. © Sebastian Schultz

Riesa. Den ursprünglichen Übergabeplan hat die Pandemie doch ein Stück weit über den Haufen geworfen, erzählt Christian Dohr. Seit Anfang des Jahres arbeitet er bei Feralpi in Riesa, wurde vom langjährigen Werkleiter Frank Jürgen Schaefer als dessen Nachfolger eingearbeitet. Der 14-tägige Besuch im Mutterwerk in Italien, der funktionierte noch. Ebenso die Reise nach Asien, wo sich Dohr neue Anlagentypen anschaute. Aber die Besuche in den beiden Dependancen in Tschechien und Ungarn, die werde er nachholen müssen, sagt Dohr. 

Die Dienstreisen sind bislang allerdings die einzigen "Opfer", die Covid-19 am Standort in Riesa gefordert hat. Während ganze Branchen und viele Unternehmen unter den erschwerten Bedingungen heftig leiden, die Produktion notgedrungen herunterfahren oder ganz einstellen müssen, läuft im Werk in Riesa alles normal.

Zum Zeitpunkt des Interviews Ende März jedenfalls staut sich die Lkw-Schlange vor der Pforte bis auf die Uttmannstraße. "Wir haben keine Stillstände hier", sagt auch der neue Werkleiter. "Wir sind weiter fokussiert auf die Arbeit. Das ist etwas, das ich den Mitarbeitern auch sehr hoch anrechne, dass sie stolz sind auf das Unternehmen hier alles geben und diesen Fokus auch haben." 

Lkw-Stau vor der Pforte

Die Staus vor dem Werk lassen sich kurioserweise auch mit der allgemein schwächelnden Wirtschaft erklären. "Weil Speditionen weniger Aufträge haben, kommen sie zum Teil vorzeitig hier an", erklärt Christian Dohr. Das hohe Lkw-Aufkommen zu bestimmten Zeiten hat also in erster Linie mit Überpünktlichkeit der Fahrer zu tun. Die stellen sich dann übrigens mit einigem Sicherheitsabstand zum Vordermann an der Pforte vor dem Stahlwerksgelände an. Auch das eine Vorsichtsmaßnahme wegen Covid-19. 

Eine Auftragsflaute für Feralpi in Riesa ist derzeit nicht ersichtlich. Solange die Lieferkette nicht unterbrochen ist, geht es weiter. Kurzarbeit oder gar Rettungsschirme sind bei Feralpi in Riesa derzeit kein Thema. "Bisher gibt es noch recht wenig Schwierigkeiten auf den Baustellen", sagt Christian Dohr. Das ist gut für das Werk, das in erster Linie Betonstahl produziert. "Die Nachfrage ist weiter da, die Biegereien laufen weiter, die Baustellen auch." Es sei ein Vorteil, dass in Riesa für den deutschen Markt produziert werde. "Wir haben keine große Abhängigkeit von anderen Ländern oder Effekten dort. Das hilft, aber grundsätzlich sind heutzutage alle Lieferketten international." 

Die Krise als Chance

Das heißt natürlich nicht, dass die Pandemie völlig spurlos am Unternehmen vorbeigeht. Es sei dem Unternehmen wichtig,  "dass wir mit der Unsicherheit umgehen und Rücksicht drauf nehmen, dass die Mitarbeiter gewisse Ängste haben", sagt Dohr. Auf Handhygiene und Abstände als Schlüsselkriterien wurde noch einmal vermehrt hingewiesen. Und das Unternehmen unterstütze Mitarbeiter, die wegen geschlossener Schulen und Kitas Schwierigkeiten in der Kinderbetreuung haben. "Was wir angeboten haben, ist, gegebenenfalls Schichten oder Arbeitszeiten zu ändern, wo notwendig."

Da wo es ging, seien außerdem recht viele Mitarbeiter im Homeoffice; 20 bis 25 sind es ungefähr, schätzt der neue Stahlwerks-Chef. Er sieht das auch als ein Mittel, um sich für den Ernstfall zu wappnen. "Wenn doch irgendwann einmal Mitarbeiter nach Hause geschickt werden müssen, dann wollen Sie nicht erst üben, wie es mit Homeoffice funktioniert." In diesem Punkt sieht Christian Dohr die Corona-Krise auch als Chance. "Das wird uns helfen, den Sprung zu einer moderneren Arbeitswelt zu machen." Durch Covid-19 sei das Homeoffice jetzt sozusagen ein Muss, lange Diskussionen gab es nicht.

Blick auf das Stahlwerks-Gelände aus der Luft.
Blick auf das Stahlwerks-Gelände aus der Luft. © Lutz Weidler

Aus den USA nach Riesa

Dem Unternehmen kamen auch verschiedene Software-Umstellungen zupass. Die ermöglichen laut Christian Dohr jetzt beispielsweise den Fernzugriff auf wichtige Dokumente. "Diese Infrastruktur ist natürlich ein Muss, Homeoffice würde sonst nicht funktionieren. Wir haben Anfang des Jahres die Google G-Suite für alle eingeführt. Die enthält E-Mail und Video-Konferenz Apps, da wusste noch keiner was von Corona." 

Diesen Weg zur Digitalisierung will Christian Dohr, der im Ruhrgebiet geboren ist, auch weiter beschreiten. "Das bedeutet nicht, dass wir unseren Betonstahl nun im Internet verkaufen." Aber es sei bereits eine gemeinsame digitale Plattform für Lieferanten und Kunden eingeführt worden. "Zukünftig erwartet jeder, dass er auf Knopfdruck weiß, ob er ein Produkt kriegen kann, zu welchem Preis und wann. Was wir alle als private Kunden kennen, wird in der Industrie in veränderter Form auch kommen. Zukünftig müssen Kunden auch digital bedient werden."

In diesem Punkt hat Christian Dohr auch seine Zeit in den USA geprägt. Ehe er zu Feralpi wechselte, war er zehn Jahre lang in Führungspositionen für Thyssen Krupp in Michigan und Alabama tätig.  "Meine Frau und ich wollten aus den USA zurück nach Deutschland", erklärt Dohr. Das Ehepaar wohnt derzeit in Potsdam, die beiden Söhne sind bereits berufstätig, nur die Jüngste studiert noch. Von Riesa kannte er zuvor tatsächlich nur Zündhölzer und Nudeln, sagt er. "Die Stadt lerne ich jetzt erst kennen." Derzeit erkunde er noch die Gegend, miete dafür immer andere Ferienwohnungen.

"Ich möchte nicht politisch kämpfen müssen"

Dass  es nach der Arbeit in den Staaten nun ausgerechnet die Stelle in Sachsen wurde, hat ebenfalls seinen Grund, erklärt Christian Dohr:  "Ich wollte so unternehmerisch aktiv bleiben wie zuvor. Diese unternehmerische Freiheit sehe ich hier sehr stark. Ich möchte das Unternehmen weiter entwickeln, nicht in einer Riesenmaschine an vielen Stellen politisch kämpfen müssen." Effizienz, Kundennähe und Geschwindigkeit, das seien die Stärken von Feralpi in Riesa. "Das wollen wir weiter pflegen." Sein Vorgänger Frank Jürgen Schaefer habe einen guten Job gemacht. "Feralpi ist solide aufgestellt und ich sehe schon eine Vision, das Werk zu entwickeln." Dafür seien auch in diesem Jahr wieder umfangreiche Investitionen geplant.  "Da geht es um mehr Menge im Walzwerk genauso wie um die Reduktion des Energieverbrauchs im Stahlwerk, damit wir im Rennen um Effizienz immer vorne sind. All diese Ziele sind auf dem Know-how unserer Mitarbeiter aufgebaut."

Wegen Corona sei die Zukunft freilich weniger planbar. "Aber es ist sehr gut, die Auftragsbücher voll zu haben." Bei Feralpi in Riesa hoffen sie, dass das auch so bleibt. Man werde so lange produzieren, bis das nicht mehr möglich ist, weil etwa die Rohstoffe fehlen. Derzeit gibt es aber keine Zeichen dafür, dass es so kommen könnte. Das ist auch wichtig: Auf Knopfdruck lasse sich die Produktion nämlich nicht wieder hochfahren, weil die Lieferketten erst wieder anlaufen müssen. Außerdem gebe es da noch einen psychologischen Effekt, glaubt Christian Dohr: "Eine gewisse Routine ist in Krisenzeiten sicher auch hilfreich." Und wenn es auch nur die tägliche Arbeit ist. 

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