Feuilleton
Merken

So viel Dresden ist im neuen "Tatort" zu sehen

Am Totensonntag kommt der "Tatort" mal wieder aus Sachsen. Worum es in der Folge "Katz und Maus" geht und wo in Dresden gedreht worden ist.

Von Heinrich Löbbers
 3 Min.
Teilen
Folgen
Als „Maus“ hat sich der Familienvater verkleidet, der den Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach) entführt.
Als „Maus“ hat sich der Familienvater verkleidet, der den Kommissariatsleiter Schnabel (Martin Brambach) entführt. © MDR/HA Kommunikation

Die Zeiten, in denen man den Dresden-"Tatort" schon aus reinem Lokalpatriotismus regelmäßig verfolgte, sind eigentlich vorbei. Und demonstrativ gesächselt wird ja zum Glück auch schon lange nicht mehr. Während die sächsische Variante des Sonntagskrimis zuletzt immer besser wurde, spielten die Stadt und ihre Umgebung meist kaum noch eine Rolle. Das ist diesmal wieder ganz anders. Die Folge „Katz und Maus“, die am Totensonntag in der ARD läuft, hat jede Menge Lokalkolorit, ohne kitschig zu werden. Und sie ist zugleich erneut einer der besten Tatorte des Jahres.

Eindrucksvolle Drohnenflüge über das barocke Zentrum von Dresden

Gedreht wurde vor allem in der historischen Altstadt und der Äußeren Neustadt. Einheimische und Eingeweihte werden die Szenerie gleich wiedererkennen, manche sich auch erinnern an den August 2021.

Damals stürmte zum Beispiel ein Sondereinsatzkommando ein Bistro gleich neben dem Zwinger. Für die Filmaufnahmen wurden immer wieder Straßen gesperrt. Auch der Imbiss Curry und Co. auf der Louisenstraße ist zu entdecken, ebenso das Restaurant Kahnaletto auf dem Theaterkahn am Elbufer und das Viertel rund ums Kristallpalast-Kino, in dem eine fiktive Zeitungsredaktion angesiedelt ist. Ermittelt wird in der Ostraallee ebenso wie in Löbtau, wo der Täter in einer großen Wohnung lebt, und in der Hellersiedlung, wo die Spur in eine Lagerbox führt.

Karin Gorniak (Karin Hanczewski) hofft, im Müll Hinweise zu Schnabels Entführung oder sein Handy zu finden.
Karin Gorniak (Karin Hanczewski) hofft, im Müll Hinweise zu Schnabels Entführung oder sein Handy zu finden. © MDR/HA Kommunikation

Vor allem aber gibt es immer wieder eindrucksvolle Drohenflüge über das nächtliche barocke Zentrum, in denen die Stadt glänzt wie in der Tourismuswerbung. Selten hat Dresden so schön geleuchtet.

So anheimelnd die Kulisse, so mörderisch die Atmosphäre: Schummerlicht, düstere Musik und verzweifelte Kommissare in einem ausweglos erscheinenden Fall. Viel mehr Thriller als Krimi. Es gibt eine Geiselnahme, einen Entführer mit skurriler Mausmaske, diverse 24-Stunden-Ultimaten, eine Hinrichtung vor laufender Kamera und ein blutiges Finale. Das böse, böse Internet spielt natürlich eine zentrale Rolle. Und eine dubiose Grinsekatze taucht auch immer mal wieder auf.

Erzählt wird die Geschichte eines verzweifelten Vaters, der sich nach dem Verschwinden seiner Tochter in Verschwörungstheorien verirrt und zum Mörder wird. Er glaubt, dass in Sachsen 150 Kinder in einem Keller gefangen gehalten werden – eine geheime Verschwörung, in die Polizei, Medien und Politik verwickelt sind. Nun fordert er, dass diese Kinder, unter denen er auch seine Tochter vermutet, innerhalb von 24 Stunden befreit werden. Sonst, ja sonst ...

Das Ermittlertrio Gorniak, Winkler und Schnabel ist fassungs-, rat- und machtlos. Wie sollen sie mit jemanden verhandeln, der in einer Parallelwelt lebt und für rationale Argumente nicht mehr erreichbar ist? Schließlich wird auch noch Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel gekidnappt und gerät in Lebensgefahr.

Obwohl der Täter schon früh bekannt ist, bleibt es spannend. Es ist fesselnd erzählt, eindrucksvoll gespielt und inszeniert vom gerade mal 29-jährigen Regisseur Gregory Kirchhoff, der hier sein "Tatort"-Debüt gibt. Ganz tatortuntypisch gibt es keine Nebenstränge, keine privaten Eskapaden der Kommissare, keine persönlichen Verwicklungen. Und das tut diesem "Tatort" gut.

"Tatort" ist inspiriert von „Pizzagate“

Wer sich nur ein wenig mit Verschwörungstheorien beschäftigt hat, wird gleich die Bezugnahme auf den QAnon-Kult erkennen. Drehbuchautor Jan Cronauer sagt explizit, der konkrete Auslöser für seine Geschichte sei „Pizzagate“ gewesen, jene absurden Fake News aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf, wonach in einer Pizzeria ein Kinderpornoring agieren würde, der Kinder unterirdisch gefangen hält.

Etwas holzschnittartig sind diese Bezüge zwischen Löbtau und Washington D.C. zwar. Aber dass auch in Sachsen – und vor allem hier – die krudesten Verschwörungstheorien kursieren, offenbart sich ja immer wieder. Der "Tatort" malt aus, wie solche Verirrungen eskalieren können.

  • „Tatort: Katz und Maus“, Sonntag, 20.15 Uhr, ARD