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Krieg, Kribbeln und Emotionen im Schweizer "Tatort"

So richtig Emotionen und Spannung bis zum Kribbeln im Bauch - das ist nicht immer das Rezept des Schweizer "Tatorts". Aber an diesem Sonntag geht es in "Blinder Fleck" ans Herz und an den Puls.

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Die junge Zeugin traut nur ihrer Retterin: Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Ella Perrier (Maura Landert) in einer Szene aus "Tatort: Blinder Fleck".
Die junge Zeugin traut nur ihrer Retterin: Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Ella Perrier (Maura Landert) in einer Szene aus "Tatort: Blinder Fleck". © Sava Hlavacek/ARD Degeto/SRF/dpa

Zürich. Eine typische Familienszene: Auf dem Weg zum Tierarzt nörgelt ein herziges Kind im Auto. Es muss mit Mami in einem Ausflugsgebiet bei Zürich auf einem Waldweg warten, weil Papi noch etwas erledigen will und dort einen Mann trifft. Dann peitschen aus dem Nichts drei Schüsse: Mutter, Vater und der andere Mann sind tot. Stille liegt über dem Tatort. Als die Kommissarinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carole Schuler) die Tür des Autos öffnen, entdecken sie ein völlig verängstigtes Kind, äußerlich unversehrt, unter dem Rock der toten Mutter.

Was die drei Toten im Tatort "Blinder Fleck" am Sonntag (24.9., 20.15 Uhr) verbindet, ist schnell klar: Das Paar Marco Tomic und Julie Perrier hat mit Investor Joel Müller eine Software-Firma. Der zweite Tote war der Bankberater. Schauspieler Ralph Gassmann vereint in der Figur des Investors alle Klischees über einen schmierigen Schnösel, inklusive gegelter Haare. Müller wollte die Firma gegen den Willen seiner Partner verkaufen und hatte die Bank unter Druck gesetzt, Tomic den Kredit zu kündigen. Aber warum ein Treffen im Wald?

Verbindungen unter Hauptfiguren reichen in den Bosnienkrieg zurück

Bald decken die Kommissarinnen andere Verbindungen unter den Hauptfiguren auf. Die reichen in den Bosnienkrieg in den 90er Jahren zurück. Kommissarin Grandjean hat hier oft den richtigen Riecher. Sie war früher beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, wo Kriegsverbrecher aus den Jugoslawienkriegen angeklagt waren.

Wie sich zeigt, treffen in der Schweiz sowohl einstige Kampfgefährten als auch Opfer und Täter aufeinander. Die Wunden des Krieges sind nach mehr als 25 Jahren noch nicht verheilt. Was ist mit dem gerade nach langer Haft entlassenen Kriegsverbrecher Lars Diemer (Marcus Signer), der in der Nähe des Tatorts war? Und mit dem coolen Luka Gasser (Nicola Perot), der während des Verbrechens in der Nähe eine Drohne flog? Nur zur Vogelbeobachtung? Wer spielt alles ein doppeltes Spiel?

Kommissarin Grandjean zeigt neue Facette

Die Drohnen sind es, die im Film für einen erhöhten Pulsschlag sorgen. Der Investor wollte die Softwarefirma an ein US-Unternehmen für drohnengesteuerte Überwachungssysteme verkaufen. Der technikverliebte Firmenchef Ken Rumpf (Jarreth J. Merz) mit breitem US-Akzent führt seine Systemen gerne vor. Die Kamera filmt öfter aus der Perspektive einer Drohne. Die steuert dann leise surrend und mit einer Zielscheibe im Visier Personen an. Der Gruseleffekt funktioniert. "Ich hatte vor einer Drohne mehr Angst als vor einem Menschen", wird Kommissarin Ott am Ende sagen.

Das ungewöhnlichste an diesem Schweizer "Tatort" ist aber die neue Facette von Kommissarin Grandjean. In der sonst so kühlen Ermittlerin brechen offenbar aufgestaute Muttergefühle durch. Sie vernachlässigt die Ermittlungen und weicht der kleinen Tochter der Erschossenen, die vom psychologischen Dienst der Polizei betreut wird, kaum von der Seite. Grandjean hat zwar einen erwachsenen Sohn. Das weiß man, weil sie in früheren Episoden mal mit ihm telefoniert hat. Er lebt aber weit weg in den Niederlanden. Besonders eng ist die Beziehung nicht.

Für Emotionen sorgt auch die Darstellerin der Ella, Maura Landert. In ihrem Gesicht spielen sich Dramen ab. "Maura Landert hat neben ihrem großen schauspielerischen Talent ein sehr ausdrucksstarkes Gesicht und unglaublich intensive Augen", sagte Regisseur Tobias Ineichen begeistert. Wenn Kinder in Krimis mitspielen, gibt es immer spezielle Betreuung, besondere Proben und möglichst kurze Drehzeiten. (dpa)