SZ + Leben und Stil
Merken

Hereinspaziert in Sachsens schönste Gärten

Sigrun Jeck hat ihren Hinterhof in Hoyerswerda in ein rosenumranktes Paradies verwandelt - einer von 59 Gärten, die am Wochenende für alle öffnen.

Von Susanne Plecher
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sigrun Jeck liebt alle ihre Rosen, aber Kletterrose Camelot, die ihre langen Ranken über eine Pergola fallen lässt, mag sie besonders. Mit üppigen Blütenpracht wertet sie den ehemaligen Mistplatz des Bauernhäuschens in Hoyerswerda auf.
Sigrun Jeck liebt alle ihre Rosen, aber Kletterrose Camelot, die ihre langen Ranken über eine Pergola fallen lässt, mag sie besonders. Mit üppigen Blütenpracht wertet sie den ehemaligen Mistplatz des Bauernhäuschens in Hoyerswerda auf. © SZ/ Veit Hengst

Lieblich ist der Duft auf dem Weg zum Paradies, schmeichelt den Sinnen, öffnet das Herz. Er entströmt Hunderten Rosenblüten, großen, kleinen, gefüllten, einfachen. Rosa, weiß, orange, purpurrot und meist mit adligen Namen spektakeln sie in Sigrun Jecks Vorgarten um die Wette.

Ein Meer aus Blütenduft – und dennoch nur ein Vorgeschmack auf das, womit die Hoyerswerdaerin in ihrem Hinterhof aufwartet. Dort, wo einst Schweine und Hühner gehalten wurden und Mist und Jauche vor sich hin stanken, blühen nun etwa 70 verschiedene Rosenstöcke, dazu Clematis, Lilien, Zitrusgewächse.

Viele offene Gärten in Dresden und Hoyerswerda

Sigrun Jeck ist eine der Sächsinnen und Sachsen, die am Wochenende ihren privaten Garten für Neugierige öffnen, manche am Samstag, viele am Sonntag, wenige an beiden Tagen. Sie erhoffen sich schöne Begegnungen mit anderen Gartenfreunden, nette Gespräche, Fachsimpeleien bei Kaffee und Kuchen. Sachsens Landfrauenverband organisiert diesen Tag des offenen Gartens zum siebenten Mal – eine Erfolgsgeschichte. "Wir haben mit drei Gärten angefangen und sind von Jahr zu Jahr gewachsen", sagt Verbandschefin Heike Sparmann.

Ein Großteil der inzwischen 32 Gärten befindet sich im Vogtland und in Mittelsachsen. Neu hinzugekommen sind etliche Adressen in und um Hoyerswerda.

Unabhängig von den Landfrauen öffnen auch 27 Gärtner im Stadtgebiet von Dresden am Sonntag die Pforten ihrer Privatgärten. "Wir haben so schöne Gärten, die im Verborgenen schlummern, parkähnliche Anlagen oder bunte Bauerngärten mit großer Blumen- und Gemüsevielfalt. Jeder ist etwas Besonderes und verdient es, auch von anderen bestaunt zu werden", sagt Heike Sparmann.

Hauswurz und Nelken gedeihen dekorativ in alten Sandsteintrögen.
Hauswurz und Nelken gedeihen dekorativ in alten Sandsteintrögen. © SZ/ Veit Hengst

Sigrun Jecks Paradies war einst "ein dunkles, nasses Loch" voller Bauschutt. Das Erste, was die Museologin kurz nach dem Kauf des alten sorbischen Bauernhäuschens 1992 machte, war, Efeu zu pflanzen, um die hohen, kahlen Wände zu begrünen und optisch zu verkürzen. Inzwischen ranken lila-gelb blühendes Gartengeißblatt, Kletterhortensien, Blauregen und wilder Wein so dicht, dass von den alten Mauern kaum noch etwas zu sehen ist. In der Mitte des Hofes tummeln sich Goldfische in einem kleinen Teich. Eine kniehohe Fontäne plätschert leise und befeuchtet die Luft. Ringsum: Rosen. "Das wichtigste Kriterium für mich ist ihr Duft", sagt die 56-Jährige. Um liebsten mag sie mauvefarbige Sorten wie Mamy Blue. "Die ist zwar schwer zu ziehen und eine richtige Zicke, duftet aber am intensivsten."

Am Teich blüht Handball-groß der Allium. Die lila Blütenkugeln des Zierlauchs locken Bienen und Falter an. Eine blauschwarze Holzbiene brummt vorbei. Auf einem Seerosenblatt landet eine Libelle. Sigrun Jeck verzichtet auf Pflanzenschutzmittel. Blattläuse schüttelt sie mit der Hand von Knospen und Blättern. "Ich habe hier Meisen und Gartenrotschwänzchen. Warum sollte ich ihnen die Nahrung wegnehmen?", fragt sie. Im schattigen Teil des Gartens lässt sie mit Absicht Brennnesseln stehen, damit Schmetterlinge ihre Eier an den Blattunterseiten ablegen können. Die Raupen vieler heimischer Arten wie Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Admiral und Landkärtchen sind auf diese Wirtspflanze angewiesen. Sie fressen nichts anderes.

Der kleine Gartenteich kühlt den Hinterhof im Sommer – und bringt Leben hinein.
Der kleine Gartenteich kühlt den Hinterhof im Sommer – und bringt Leben hinein. © SZ/ Veit Hengst

Dieses naturnahe Gärtnern ist neben dem Anlegen von Hochbeeten und der Saatgutherstellung ein Schwerpunktthema des Gartentages. "Es geht uns nicht um den akkuraten Garten, in dem es kein Unkraut gibt. Wichtig ist, dass der Garten lebt. Jeder kann auch im kleinen Stil etwas für Insekten und Vögel tun", sagt Landfrau Heike Sparmann. Oft reicht schon ein wenig Unordnung aus, um Lebensräume zu schaffen. Totholzstapel und kleine offene Sandstellen im Boden zum Beispiel bieten Wohnraum für Käfer und Erdbienen, ein Stückchen Wiese, auf dem Wildblumen blühen dürfen und vielfältige, am besten ungefüllte Blühpflanzen sorgen für Nahrung. Ein kleiner Teich oder mit Wasser gefüllte Schälchen sind wertvolle Tränken.

Selbst getöpferte Köpfe von Faun oder Fabelwesen sind gezielt im Garten verteilt und lenken den Blick auf Details.
Selbst getöpferte Köpfe von Faun oder Fabelwesen sind gezielt im Garten verteilt und lenken den Blick auf Details. © SZ/ Veit Hengst

Gärtnern ist auf engstem Raum möglich

Sigrun Jecks Hinterhof ist gerade einmal 50 Quadratmeter groß. Aber durch eine geschickte Gestaltung wirkt er wesentlich weitläufiger. "Ich möchte meinen Gästen zeigen, dass man auch auf engstem Raum einen schönen Garten schaffen kann", sagt sie. Sie hat die einst ebene Fläche mit terrassierten Beeten gestaffelt und ihr dadurch optische Tiefe gegeben. Eine mit Kletterrosen umrankte Pergola, der überdachte Sitzplatz, an dessen Balken Blumenangeln voller Hortensien angebracht sind, sowie eine grüne "Wand" aus Stämmchenrosen in großen Pflanztöpfen lenken den Blick ständig ab und belohnen mit Überraschungen: einer schönen Muschel, verwitterten Wurzeln in ausgefallenen Formen, selbst getöpferte Gesichter von Fabelwesen. Ein schmaler Weg verbindet die so entstandenen Gartenräume. Er schlängelt sich von der sonnenbeschienenen Terrasse an Teich und Hofeinfahrt vorbei zum schattigen Plätzchen an den begrünten Mauern.

Mit kleinen Tricks lässt sich Größe vortäuschen

Dort hat Sigrun Jeck zusammen mit Freunden Spiegel in Fenster- und Türenform angebracht. Efeulaub umgibt sie so, dass man meint, einen weiteren Gartenabschnitt zu betreten. Zwei Sandsteintreppenstufen hoch zur Spiegeltür perfektionieren die Illusion. Doch neben der vorgegaukelten Größe haben die Spiegel auch einen ganz praktischen Effekt: Das Licht, das sie reflektieren, erhellt die dunkle Ecke. Bänke und Lehnstühle, meist Flohmarktfunde, bieten Ruheplätze.

Spiegel gaukeln Weite vor, Efeu und wilder Wein verdecken alte Wände.
Spiegel gaukeln Weite vor, Efeu und wilder Wein verdecken alte Wände. © SZ/ Veit Hengst

"Das war wahrscheinlich der Mistplatz", sagt Sigrun Jeck. Ein Glück für ihre Rosen. Denn die zehren auch jetzt noch von dem natürlichen Dünger, der in die Erde eingesickert ist. 80 Zentimeter tief hat ihr Partner den Boden ausgehoben, mit Rosenerde vermischt und Hornspäne zugegeben. Fest, stabil und beneidenswert blüten- und knospenreich danken die Pflanzen die Mühe. Doch Rosen gedeihen auch in Kübeln prächtig. Bestes Beispiel: die Isabelle Autissier. Ihre perfekt geformten orangen farbenen Becherblüten öffnen sich genau in Sigrun Jecks Nasenhöhe. Die Frau ist 1,80 Meter groß. Die Frage, wie viel Arbeit sie jeden Tag investieren muss, damit es so schön aussieht, versteht Sigrun Jeck nicht. "Ich empfinde es nicht als Arbeit. Der Garten ist eine Bereicherung schon früh morgens, wenn ich die Parade abnehme und von Blüte zu Blüte taumle", sagt sie und lächelt glücklich.

Auch das Haus ist ein Kleinod

Das Bauernhaus ist um 1850 gebaut worden und gehört zu einem Ensemble von ehemals 20 niedrigen und geduckten Häusern, die mit ihren Hofdurchfahrten und Satteldächern ein Flächendenkmal bilden. Sie waren früher der Haag, eine Vorstadt Hoyerswerdas, die 1890 eingemeindet wurde. Vermutlich lebten hier die Dienstboten des nahe gelegenen Schlosses, in dem Siegrun Jeck viele Jahrzehnte später das Museum leitete.

Inzwischen erinnert höchstens die alte Durchfahrt an den einstigen Zweck. Am Sonntag, wenn Sigrun Jeck ihr Paradies Besuchern öffnet, werden darin Tische und Bänke stehen. Es gibt Waffeln, Kuchen und Kaffee – und Erdbeer-Rosen-Bowle mit selbst gemachtem Sirup aus Blütenblättern der Rose de Rescht.