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Landkreis Bautzen: Angst vor hoher Grundsteuer

Im Zusammenhang mit der Grundsteuererklärung regt sich bei etlichen Leuten Ärger über vermeintlich zu hohe Bodenrichtwerte. Wer legt sie fest?

Von Reiner Hanke
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Thomas Weber befasst sich im Landkreis Bautzen mit Bodenpreisen. Auf Karten in der Geodatenbank des Landkreises sind die Werte einsehbar, die derzeit bei einigen Leuten für Aufregung sorgen.
Thomas Weber befasst sich im Landkreis Bautzen mit Bodenpreisen. Auf Karten in der Geodatenbank des Landkreises sind die Werte einsehbar, die derzeit bei einigen Leuten für Aufregung sorgen. © SZ/Uwe Soeder

Kamenz/Bautzen. Millionen Deutsche sitzen derzeit über der Grundsteuererklärung. Dabei müssen sie unter anderem den für sie zutreffenden Bodenrichtwert angeben, entnehmbar dem Geoportal des Landkreises. Und etliche Leute bringt die Zahl auf die Palme. Denn der Bodenrichtwert, der eine Aussage über den Bodenpreis trifft, entscheidet mit darüber, wie tief der Staat den Grundstücksbesitzern in die Tasche greift. Im Landkreis Bautzen variieren die Angaben für Bauland zwischen 15 Euro pro Quadratmeter im ländlichen Nordosten und weit über 200 Euro im Radeberger Raum.

Gerechter soll die neue Steuer werden. Doch etliche Menschen haben Angst vor zu hohen Abgaben. Sie zweifeln die Angaben an, die ihnen teuer zu stehen kommen könnten. So ist auch Isa Anders empört, die mit Ihrem Mann ein Grundstück in Kamenz besitzt. Dort sollen 40 Euro pro Quadratmeter für ein bebautes Grundstück fällig sein. Das gehe ja in Ordnung, sagt sie. Völlig unverständlich sei dagegen, was für ihr weitgehend unerschlossenes Gartenland im Dorf Lichtenberg festgesetzt wurde. 76 Euro pro Quadratmeter.

Dieser Wert gilt fast überall im Dorf. Eine Verdopplung, verglichen mit den Angaben vor vier Jahren. Wie könne denn so etwas zustande kommen? Wer legt so was fest? Fragt die Frau. Sächsische.de ging diesen und weiteren Fragen im Landratsamt Bautzen nach.

Was bedeutet der Bodenrichtwert?

Der Bodenrichtwert gibt Grundeigentümern, Sachverständigen, Immobilienmaklern eine Zahl an die Hand, die den Grundstückspreis beschreibt, um Preisrelationen besser einschätzen zu können. Bei einem Wert von 76, wären das 76 Euro pro Quadratmeter unbebauten Bodens. Der Wert mache den Markt transparenter, sagen Fachleute. Er helfe bei der Wertermittlung für Immobilien. Um die Bodenrichtwerte möglichst realistisch zu erfassen, wird der Kreis in mehr als 2.500 Zonen eingeteilt.

In einer Zone sollten sich die Grundstücke einander überwiegend ähnlich sein, in der Bebaubarkeit und in der Bauweise zum Beispiel. Letztendlich ist es ein durchschnittlicher Wert in einer Lage, ein Modellwert.

Wer legt den Bodenrichtwert fest?

Ein Gutachterausschuss befasst sich regelmäßig mit den Bodenrichtwerten. Das Gremium wird alle fünf Jahre berufen und ist für den Landkreis Bautzen beim Landratsamt angesiedelt. In dem Gremium arbeiten etwa 20 Sachverständige: Immobilien-Gutachter sind darunter, Fachleute aus Immobilienbüros, Leute, die den Grundstücksmarkt im Kreis kennen, auch Finanzamtsmitarbeiter.

Vorsitzender des Ausschusses im Landkreis Bautzen ist Thomas Weber. Der Diplomingenieur für Geodäsie ist Sachgebietsleiter für den Geodaten-Service in der Kreisbehörde. Er bestätigt, dass es momentan ein sehr heißes Thema sei: „Wir bekommen massenhaft Anrufe, auch sehr empörte und unsachliche.“

Wie ermitteln die Sachverständigen die Daten?

Notare sind verpflichtet, der Geschäftsstelle des Gutachterausschusses sämtliche Grundstückskaufverträge im Landkreis zu senden. Etwa 4.000 pro Jahr seien das. Über Fragebögen werden dann zusätzliche Angaben eingeholt, wie Baujahr, Wohn- und Grundstücksfläche. Aus den ganzen Informationen wird ein Richtwert berechnet. „Wir machen die Preise nicht, sondern sammeln und hinterfragen Daten“, erklärt Claudia Großer, die Leiterin der Geschäftsstelle.

Hat diese Methode Grenzen?

Ja, sind sich die Fachleute einig. Eben, weil nur Durchschnittswerte gebildet würden. So können in einer Zone mit viel Bauland auch abweichende Flächen vorkommen, wie eine Streuobstwiese. Oder Gärten, die nicht zur Wohnnutzung gehören. Aus solchen Gründen habe es gerade aus Lichtenberg verstärkt Fragen zu den vergleichsweise hohen Werten gegeben. Hier zeige sich exemplarisch die Schwäche des Systems, für die es noch weitere Ursachen gebe.

Warum gehen die Gutachter nicht tiefer ins Detail?

Tiefer ins Detail zu gehen, sei gar nicht Aufgabe des Bodenrichtwertes. Die Fachleute halten sich an die gesetzlichen Vorgaben, sagt Weber. Probleme würden nicht am fehlenden Willen des Gutachterausschusses liegen.

So kritisieren die Gutachter, dass die Ergebnisse - so pur übernommen - aus ihrer Sicht nicht in jedem Fall für die Steuer geeignet seien, letztlich nur grobe Anhaltspunkte geben. Bodenrichtwerte würden keine einzelne Betrachtung eines Grundstücks ersetzen, um den genauen Verkehrswert zu ermitteln.

Die Finanzverwaltung nehme aber solche „Unschärfen“ einfach in Kauf, egal wie das im Einzelfall wirklich aussieht. Es sei ein Dilemma, dass entschieden wurde, die Richtwerte so undifferenziert anzuwenden. Nun lande der ganze Ärger beim Gutachterausschuss. Dort könne man den Frust der Menschen verstehen. Betroffene sprechen von Ungerechtigkeit.

Wie oft werden die Bodenrichtwerte geändert?

Die Bodenrichtwerte werden alle zwei Jahre ermittelt und das örtliche Kaufpreisniveau immer wieder neu betrachtet. In Pulsnitz habe der Ausschuss zum Beispiel eine neue Zone gebildet, damit die Höchstpreise aus einem Baufeld nicht auf die Altgebiete durchschlagen.

Gibt es Chancen, gegen die eigene Einstufung vorzugehen?

Die Betroffenen haben nach Auskunft der Geschäftsstelle keine Möglichkeit, gegen diese „Unschärfe“ im Einzelfall vorzugehen. Unter dem elektronischen Formular seien kurze Hinweise möglich, die man nutzen könne. Ansonsten bleibe nur ein Termin beim zuständigen Finanzamt oder bei Bundes- und Landtagsabgeordneten, um die Kritik weiterzutragen und auf dem Weg Änderungen anzuschieben.

Marco Eyke, der Vorsitzende des Vereins Haus- und Grund in Kamenz, kennt das Problem. Er sieht es ähnlich. Natürlich könne man gegen den Feststellungsbescheid für die Grundsteuer Einspruch erheben oder sogar klagen. Die Erfolgsaussichten schätzen Fachleute wie Eyke als nicht sehr hoch ein. Der Verband versuche, diese Ungerechtigkeiten des Systems in Berlin zu thematisieren.