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Der individuelle Weg zum Wunschgewicht

Diäten sind die Einstiegsdroge für Essstörungen und Fettleibigkeit, sagt Wissenschaftler Uwe Knop. Bei ihm ist sogar Schokolade erlaubt.

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© Armin Weigel/dpa (Symbolbild)

Die Epoche klassischer Diäten mit allgemeinen Vorgaben ist vorbei, sagt der Ernährungswissenschaftler und Buchautor Uwe Knop. Es vollziehe sich ein Umdenken hin zur Individualisierung und zum achtsamen Körperbewusstsein. Knop rät deshalb allen Abnehmwilligen zu einem eigenen Weg, der auch kulinarische Höhepunkte erlaubt.

Herr Knop, Sie lehnen Diäten ab, warum?

Sie sind alle zeitlich befristet, und das erhöht die Gefahr des Jojo-Effekts. Meist hält man sie gar nicht länger als die vorgegebene Zeit durch, weil die bekannten Diäten keine Rücksicht auf individuelle Besonderheiten nehmen. Untersuchungen bestätigen das – ein paar Monate nach der Diät ist das Gewicht bei vielen sogar höher als zuvor. Das führt zu Versagensangst und Selbstzweifeln. Wenn die nächste Diät wieder scheitert, ist das oft der Beginn von Essstörungen.

Gilt das auch für das Intervallfasten? Es wird doch aus gesundheitlicher Sicht gelobt.

Wer sich gern so ernährt, sollte das tun. Doch allein mit Intervallfasten, das erstmal nur die Essensphasen zeitlich begrenzt, nimmt man nicht ab. Man muss die Energiezufuhr dauerhaft moderat unter den Bedarf senken. Und dann ist Intervallfasten nicht besser als alle anderen Diäten, das zeigen zahlreiche Studien. Auch danach geht es wieder hoch mit dem Gewicht, wenn man damit aufhört. Denn die meisten scheitern nicht an der Diät, sondern am anschließenden Gewichthalten.

Und welche Methode ist aus Ihrer Sicht die richtige?

Der eigene Weg, der den individuellen Vorlieben angepasst ist und trotzdem weniger Kalorien zuführt, als man verbraucht. Denn das Kaloriendefizit – die negative Energiebilanz – ist das Grundprinzip jeder Diät, nur so funktioniert die Abnahme. Der Erfolg hängt vor allem auch davon ab, wie praktikabel und auf die Lebenssituation zugeschnitten die individuelle Ernährungsumstellung ist. Kurzum: Sie müssen nicht nur wollen, was Sie machen. Sie müssen es auch mögen und gern tun.

Und wie gehe ich das Vorhaben nun an?

Sie sollten sich zunächst über Ihr Ziel klar werden, und in welchem Zeitraum Sie es erreichen wollen. Und dann kommen wir zur Fleißarbeit: Für zwei bis drei Wochen sollten Sie aufschreiben, was Sie essen und trinken und warum Sie das gegessen oder getrunken haben. War es richtiger Hunger oder Frust oder Langeweile? Welche Kalorienzahl haben Sie pro Tag verzehrt? Je ehrlicher Sie zu sich sind, umso besser. Und dann kommt der nächste Schritt, bei dem Sie kritisch analysieren, was Sie weglassen können, um ungefähr 500 Kilokalorien (kcal) täglich einzusparen. Für eine durchschnittliche erwachsene Frau ohne schwere körperliche Arbeit geht man von einem Bedarf von 2.000 kcal pro Tag aus. Mit 1.500 kcal pro Tag steigen Sie deshalb ein. Bei den 1.500 kcal sollten Sie aber auch festlegen, was unbedingt enthalten sein muss, damit sie sich wohlfühlen und dranbleiben.

Schokolade, Kuchen und Wein sind also nicht verboten? Sie sind doch ungesund?

Es gibt keine ungesunden Lebensmittel. Die Menge ist entscheidend. Wenn sich ein Mensch mit empfindlicher Verdauung genötigt fühlt, mehr Rohkost und Vollkornprodukte zu essen als er verträgt, fühlt er sich unwohl und beendet die Diät schnell wieder. Deshalb spreche ich ja von dem eigenen Weg der lebenslangen Ernährungsumstellung mit neuer Lebenseinstellung. Dafür dürfen Sie sich jeden Tag eine köstliche kulinarische Kleinigkeit gönnen, die Sie richtig gerne essen. Das Stück Lieblingsschokolade, der Kuchen oder auch ein paar Chips – etwas, das Sie auf der Zunge lieben. Dieser kulinarische Höhepunkt des Tages wird dann mit allen Sinnen genossen und achtsam verzehrt. Dennoch muss er in die Tagesbilanz eingepreist werden.

Also doch Kalorien zählen?

Am Anfang geht es nicht ohne. Für diesen Zweck gibt es aber gute Apps. Man kann sich natürlich auch herkömmlich alles in sein Abnehm-Tagebuch schreiben. Mit der Zeit bekommt man aber ein gutes Gespür dafür, wie viele Kalorien welche Lebensmittel haben und wie die ideale Mahlzeitenverteilung ist. Dann kann man das Aufschreiben auch wieder lassen. Das Wichtigste daran ist, dass Ihnen alles, was in den 1500 kcal enthalten ist, auch richtig lecker schmeckt, und vor allem, dass Sie es gut vertragen. Qualität und individueller Genuss statt Masse und allgemeine Regeln.

Uwe Knop (49) ist Diplom-Ökotrophologe und analysiert seit mehr als 15 Jahren wissenschaftliche Studien zum Thema Diäten.
Uwe Knop (49) ist Diplom-Ökotrophologe und analysiert seit mehr als 15 Jahren wissenschaftliche Studien zum Thema Diäten. © privat

Also stelle ich mir pro Tag drei Mahlzeiten mit je 500 kcal zusammen?

Das kann, aber muss nicht so sein. Testen Sie aus, wann bei Ihnen am Tag der stärkste Hunger kommt. Da hat jeder eine andere biologische Uhr. Zu dieser Mahlzeit sollten Sie sich richtig satt essen und dafür lieber am Rest des Tages sparen, denn unterm Strich muss die Energiebilanz moderat negativ sein.

Und wie ist es bei Feiern, im Urlaub oder bei Restaurantbesuchen?

Das sind die Tücken des Alltags, die viele Menschen rückfällig werden lassen. Wenn man einmal die tägliche Bilanz überschritten hat, muss man nicht gleich hinwerfen und an sich selbst zweifeln. Dann reduziert man eben an den anderen Tagen etwas, und schon ist alles wieder im Lot. Das klingt einfach, ist es aber nicht – doch man hat ja ein Ziel. Die Abnahme bis zum neuen Wunschgewicht sollte wirklich das eigene Ziel, der eigene Herzenswunsch sein. Druck von außen geht immer schief. Wenn ich im Grunde nicht abnehmen will, funktioniert das auch nicht.

Und wenn man bei 1.500 kcal pro Tag nun nicht abnimmt?

Die Abnahme geht auf jeden Fall langsam, denn es ist keine Crash-Diät. Etwa zwei Kilo pro Monat sind genug. Wenn das aber nicht klappt, senken Sie langsam und umsichtig bis zu einem Minimum von 1.200 kcal – und auch das nicht allzu lange. Tiefer sollten Sie auf keinen Fall gehen, denn dann gerät der Körper in den Hungermodus und drosselt den Stoffwechsel massiv. Das wäre aber kontraproduktiv.

Und wie ist es mit Sport? Muss das bei einer Diät nicht auch immer sein?

Müssen muss gar nichts, denn es ist ja der individuelle Weg, den nur Sie selbst für sich bestimmen können. Natürlich ist Bewegung gesund, und die sollte jeder auch täglich haben. Es muss nicht gleich Sport sein. Finden Sie geeignete Möglichkeiten im Alltag für mehr Bewegung. Wer gern Sport treibt, sollte schauen, was ihm am meisten Spaß macht und den größten Nutzen bringt. Nur dann bleibt man auch dabei. Empfehlenswert sind Momente der Entspannung, zum Beispiel mit Yoga oder Progressiver Muskelentspannung, Meditation oder Atemübungen, um seine Ziele und den Weg dahin zu reflektieren.

Man liest oft, dass man die Muskulatur stärken soll. Warum?

Ja, richtig. Um dauerhaft nicht nur abzunehmen, sondern auch die Muskelmasse zu erhalten, sollten Sie Ihre Muskeln regelmäßig kräftigen. Sie sorgen auch für ein besseres Körperbild. Muskeln sind die Kraftwerke des Körpers, die für einen höheren Grundumsatz sorgen. Das ist die Energiemenge, die in Ruhe, praktisch beim Nichtstun, verbraucht wird. Sie macht den größten Teil des menschlichen Energieverbrauches aus. Zum Muskeltraining muss man auch nicht unbedingt ins Fitnessstudio gehen. Hanteln eignen sich sehr gut dafür. Man kann sie morgens vor der Arbeit und/oder abends – auch vor dem Fernseher – benutzen. Ein paar Übungen für fünf oder zehn Minuten am Tag reichen – und die idealerweise regelmäßig. Übrigens ist auch Schlaf wichtig für die Gewichtsabnahme.

Warum?

Zahlreiche Studien der vergangenen Jahre haben einen Zusammenhang beobachtet: Je schlechter die Schlafqualität und je kürzer die Nachtruhe, umso höher das Risiko für Übergewicht und Adipositas, auch wenn die konkreten Ursachen dafür noch nicht erklärt werden können. Da die Umstellung auf eine neue Ernährungs- und Lebensweise anstrengend ist, sollten Abnehmwillige für einen guten Schlaf sorgen. Guter Schlaf zeichnet sich dadurch aus, dass man sich danach frisch und erholt fühlt.

  • Das Gespräch führte Stephanie Wesely.
  • Das Buch ist ein Wegweiser für alle, die nicht nur abnehmen, sondern dauerhaft schlank bleiben wollen. ISBN: 978-3-662-63244-4, 19,99 Euro.