SZ + Leben und Stil
Merken

"Vegane Lebensmittel sind nicht automatisch gesund oder ungesund"

Veganismus birgt nicht mehr oder weniger Risiken als jede andere Form der Ernährung. Wieso, das erklärt Ernährungsexperte Professor Thomas Henle im Interview.

 8 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Sieht aus wie ein Schnitzelbrötchen und ist auch eins, nur mit veganem Schnitzel.
Sieht aus wie ein Schnitzelbrötchen und ist auch eins, nur mit veganem Schnitzel. © Sven Ellger

Dresden. Die Eröffnung der "Veganen Fleischerei" in Dresden hat für eine große Debatte in Sachsen gesorgt. Darf ein Geschäft, das gar kein Fleisch anbietet, so heißen? Und sind vegane Lebensmittel überhaupt gesund? Im Podcast "Thema in Sachsen" spricht über diese Fragen Thomas Henle, Ernährungsexperte und Professor für Lebensmittelchemie an der TU Dresden. Das Interview in Auszügen.

Was vegane Produkte sind, dürften die meisten wissen. Was genau drin steckt, aber vielleicht nicht so ganz. Herr Henle, über welche Inhalte reden wir denn bei veganen Lebensmitteln?

Grundsätzlich steckt in veganen Lebensmitteln aus chemisch-analytischer Sicht das Gleiche wie in konventionellen Lebensmitteln. Also Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, Aminosäuren, Peptide, Vitamine, Mineralstoffe und so weiter. Allerdings in zum Teil unterschiedlichen Gehalten und Mengenverhältnissen im Vergleich zu konventionellen Lebensmitteln. Der entscheidende Unterschied ist aber, die Lebensmittel stammen nicht aus tierischen Quellen - also weder von getöteten Tieren noch anderen tierischen Produkten, wie zum Beispiel Milch, Eier oder Honig.

Die Bandbreite veganer Produkte ist riesig. Die "Vegane Fleischerei" in Dresden betont, vor allem im Segment der frischen Waren punkten zu wollen. Worin unterscheidet sich frische von abgepackter veganer Ware im Supermarktregal?

Bei Obst und Gemüse, was per se vegane Lebensmittel sind, ist es vergleichsweise einfach, über Haltbarkeiten und den Inhalt zu sprechen. Spannend wird es bei höher verarbeiteten Lebensmitteln, bei denen bestimmte Proteinquellen - wie etwa Seitan oder Soja - als Grundstoff verwendet werden, Zusätze für die Struktur sorgen und Aromastoffe im Zusammenspiel mit Gewürzen zum Beispiel einen Fleischgeschmack simulieren. Bei frischen veganen Lebensmitteln muss besonders auf Hygiene geachtet werden, weil sie durch ihren hohen Wassergehalt mikrobiell genauso anfällig sind wie Fleisch. Das wissen aber die Hersteller natürlich und geben entsprechend kurze Haltbarkeiten an. In der Regel sind diese Produkte nur wenige Tage haltbar.

Sie deuten es eben an. Zusätze, Aromen und Gewürze sorgen bei veganen Produkten für Geschmack und Konsistenz. Worin liegt aus Sicht des Lebensmittelchemikers denn die Kunst, dass die Produkte zum Teil “dem Original” täuschend ähnlich sind?

Es gibt mehrere Gründe dafür, dass so etwas gelingt. Einerseits liegt es an der Auswahl der Zutaten und vielleicht auch am Verantwortungsbewusstsein dafür, entsprechend frische Zutaten zu verwenden. Genauso wie in jeder Bäckerei oder Fleischerei kommt auch die Fertigkeit des Herstellenden hinzu. Das heißt, dass der oder diejenige genau weiß, welche Inhaltsstoffe verwendet werden müssen und in welcher Kombination. Mittlerweile weiß man aber schon sehr gut, welche Proteine als Grundstoffe geeignet sind, um etwa die Textur beziehungsweise das Kaugefühl von Fleisch zu imitieren. Für den Geschmack sind die eben beschriebenen Aromen und Gewürze zuständig.

In den Ohren eines Nicht-Veganers klingt der Herstellungsprozess künstlich. Viele haben nicht zuletzt deshalb Bedenken und fragen: Kann das gesund sein?

Ich zitiere bei Fragen dazu, ob vegane Lebensmittel gesund oder ungesund sind, gern die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Die hat sich dazu ganz klar positioniert. Demnach sind Lebensmittel, die bei veganer Ernährung konsumiert werden, nicht zwingend gesundheitsfördernd. Wenn Lebensmittel höher verarbeitet werden, zum Beispiel mit dem Zusatz von Salz, Zucker, Dickungsmitteln oder Ähnlichem, dann sind sie nicht besser als entsprechende Fleischwaren, die aus tierischen Quellen stammen. Unter Umständen herrscht dann eine sehr hohe Energiedichte vor in Verbindung mit einer höheren Zufuhr von Salz, Fett oder Kohlenhydraten. Man muss immer abwägen und sollte auch bei veganen Lebensmitteln eine Auswahl treffen, zwischen Produkten, die eine gesunde Ernährungsweise begünstigen, und Produkten, die man nur in Maßen konsumieren sollte.

Das beantwortet noch nicht ganz die Frage, ob vegane Produkte gesund sind.

Ihre Angebote werden geladen...