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Gesundheitsämter kontrollieren jetzt die Masern-Impfpflicht in Kitas

Seit 1. August müssen alle Kinder in Kitas und Schulen, aber auch Beschäftigte, die nach 1970 geboren sind, ihre Immunität gegen Masern nachweisen. Was heißt das?

Von Stephanie Wesely
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Ist der Impfausweise komplett?
Ist der Impfausweise komplett? © dpa-tmn

Wer muss jetzt wie geimpft sein?

Kinder ab dem ersten Geburtstag müssen eine und ab dem zweiten Geburtstag zwei Impfungen gegen Masern nachweisen, sagt Stefan Mertens, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinderärzte in Sachsen. Im zehnten Lebensjahr wird eine Auffrischung empfohlen. Auch Personen mit einer Immunität gegen Masern gelten als geschützt.

Gilt das auch für die Tagespflege?

Laut Bundesgesundheitsministerium gilt das Gesetz auch für erlaubnispflichtige Kindertagespflegeeinrichtungen. Darunter fallen Tagesmütter oder -väter, die ein oder mehrere Kinder außerhalb des Haushalts des Erziehungsberechtigten während eines Teils des Tages und mehr als 15 Stunden wöchentlich länger als drei Monate gegen Entgelt betreuen.

Wie hoch ist die Masern-Impfquote in Sachsen?

Die Impfquoten werden in Sachsen für Kita-Kinder im vierten Lebensjahr und zur Schulaufnahmeuntersuchung – im Jahr vor der Schulaufnahme – ermittelt. Im Schuljahr 2020/21 waren demnach 86 Prozent der Kinder zweimal geimpft. Bei den Kita-Kindern wurde nur die erste Impfung kontrolliert. Diese hatten 99 Prozent der untersuchten Kinder. Die höchsten Impfquoten gibt es in den Landkreisen Zwickau, Leipzig, Meißen und Mittelsachsen.

© dpa Grafik

Dürfen ungeschützte Kinder nun nicht mehr in die Kita?

Die Entscheidung über ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot liegt im Ermessen des Gesundheitsamtes, erklärt das Sozialministerium Sachsen. Erst, wenn das Amt ein Verbot angeordnet und die Leitung der Einrichtung hiervon unterrichtet hat, hat diese im Widersetzungsfall der betreffenden Person den Zutritt zu verwehren. Die Leitung kann und muss einer Entscheidung durch das Gesundheitsamt aber nicht vorgreifen. Sie hat Personen ohne ausreichenden Masernschutz nur an das Gesundheitsamt zu melden.

Wie wird eine Masernimmunität ermittelt?

Alle vor 1970 Geborenen gelten als masern-immun, sie müssen gar nichts nachweisen. Für danach Geborene gilt: Geschützt gegen Masern ist man, wenn man entweder zweimal geimpft ist oder einmal geimpft ist und danach mit einem Labortest seine Immunität nachweisen kann. Eine dritte Möglichkeit ist die ärztlich bestätigte durchgemachte Erkrankung, nachgewiesen durch eine Laboruntersuchung.

Können Antikörper ohne wissentliche Erkrankung vorhanden sein?

Laut Stefan Mertens sind Masern so hochansteckend, dass selbst ein sehr kurzer Kontakt ausreicht, um sich zu infizieren und zu erkranken. „So ist die Wahrscheinlichkeit einer symptomlos entstandenen Immunität kaum da. Vielleicht trifft das in Einzelfällen zu“, sagt er. Nach einer nachgewiesenen durchgemachten Erkrankung ist man lebenslang immun. Auch bei einem Nachweis von zwei Impfungen geht man von ausreichender Immunität aus. Antikörperbestimmungen sind zu unsicher, deswegen können sie nicht routinemäßig eingesetzt werden. „Es gibt Beispiele, bei denen auch nach zwei Masernimpfungen nicht ausreichend Antikörper nachgewiesen werden können.“ Das liege daran, dass es auch noch andere Mechanismen im Körper gibt, die für eine Immunität verantwortlich sind. „So etwas kann man in der Forschung nachweisen, im Alltag geht das aber nicht“, sagt Mertens. Laut Robert Koch-Institut (RKI) kann eine abgeschwächte und damit nicht immer bemerkte Masernerkrankung auftreten, wenn bereits eine Teilimmunität gegen Masern bestand. Das sei zum Beispiel bei Säuglingen der Fall, die nach der Geburt noch Antikörper von der Mutter haben und in Kontakt mit Masernviren kommen. Dann würden die abgeschwächten Verläufe mitunter nicht als Masern erkannt, führten aber zu einem Antikörpernachweis. Die Daten, die dem RKI dazu vorliegen, seien zu gering und damit nicht repräsentativ.

Ist die Laboruntersuchung auf Antikörper Kassenleistung?

„Ein Test auf Masern-Antikörper, die sogenannte Titerbestimmung, ist keine Kassenleistung, Eltern müssen sie bezahlen“, sagt Stefan Mertens. Zwischen 15 und 25 Euro kostet solch ein Test. Zudem sei der Arzt nicht verpflichtet, die Untersuchung vorzunehmen, da sie auch mit Schmerzen fürs Kind verbunden ist“, sagt Melanie Ahaus, Sprecherin der sächsischen Kinderärzte.

Wie viele Masernerkrankungen gab es im letzten Jahr?

Für 2021 wurden dem RKI deutschlandweit zehn Erkrankungen gemeldet. Eine größere Erkrankungswelle gab es 2015 mit 2.466 gemeldeten Fällen. In Sachsen traten 2015 271 Masernerkrankungen auf, 2020 keine und 2021 eine.

Beginnen die Gesundheitsämter jetzt mit den Überprüfungen?

Darüber entscheiden die Gesundheitsämter. „In Anbetracht steigender Aufgaben in einer neuen Coronawelle im Herbst halten wir es für angezeigt, zeitnah risikoadaptiert mit der Prüfung zu beginnen. Es wird von einer deutlich kleineren Anzahl Nichtimmunisierter ausgegangen als bei der Corona-Impfpflicht“, so das Ministerium. Der deutsche Landkreistag hat aber angesichts der aktuellen Arbeitsbelastung das Bundesgesundheitsministerium um eine weitere Verschiebung der Nachweisfrist bis Januar 2023 gebeten.

Warum gab es lange Übergangsfristen?

Das Masernschutzgesetz ist seit März 2020 gültig. Alle, die seitdem neu in eine Einrichtung kamen oder ihre Tätigkeit begonnen haben, mussten die Immunität schon nachweisen, sagt Stefan Mertens. Nur wer vorher schon in der Einrichtung war, bekam eine Übergangsfrist, die coronabedingt mehrmals verlängert wurde. Diese Frist ist Ende Juli abgelaufen, und nun müssen alle, die unter das Gesetz fallen, den Nachweis erbringen. Es sei denn, das Bundesgesundheitsministerium kommt der Bitte des Landkreistages nach.

Warum muss ein Schutz gegen Masern nachgewiesen werden?

Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten und können zu schweren Komplikationen führen. Dazu gehören laut RKI Mittelohr- und Lungenentzündungen. In einem von 1.000 bis 2.000 Fällen komme es zu einer Gehirnentzündung (Enzephalitis). Eine meist tödlich verlaufende Spätfolge der Masern sei die sogenannte Subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE). Sie werde bei einem von 10.000 bis 100.000 Masernfällen beobachtet und trete durchschnittlich etwa sieben Jahre nach einer akuten Maserninfektion auf. In Industrieländern sterben etwa ein bis drei von 1.000 Masernerkrankten.

Welche Strafen drohen Personen ohne ausreichenden Schutz?

Nichtgeimpfte Kinder können vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden, erklärt das Bundesgesundheitsministerium. An Schulen gehe dies wegen der Schulpflicht nicht. Verhängt werden können außerdem auch Bußgelder bis zu 2.500 Euro. Auch Tätigkeitsverbote könnten an Kitas und Schulen ausgesprochen werden.