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Ein Drittel der Sachsen wegen Rückenschmerzen in Behandlung

Besonders Menschen in ländlichen Gegenden des Freistaats haben es oft im Kreuz, wie eine aktuelle Studie der AOK Plus zeigt. Operationen aber sind eher unnötig.

Von Sylvia Miskowiec
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Fast jeder dritte Menschen in Deutschland musste wegen Rückenschmerzen zum Arzt.
Fast jeder dritte Menschen in Deutschland musste wegen Rückenschmerzen zum Arzt. © picture alliance / Lino Mirgeler/dpa (Archiv)

Dresden. Von insgesamt über vier Millionen Sachsen waren 2021 rund 1,37 Millionen mit Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung – und damit mehr als ein Drittel der Bevölkerung (33,90 Prozent). Im bundesweiten Vergleich liegt Sachsen mit fast 34 Prozent Kreuzschmerz-Patienten auf Platz drei hinter Thüringen und Sachsen-Anhalt, wie der aktuelle Gesundheitsatlas des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt. Erstmals schauten sich die Wissenschaftler dafür die regionale Verteilung der Leiden bis auf die Ebene der Kreise und kreisfreien Städte an.

„Die meisten Menschen mit Rückenschmerzen leben in Nordsachsen“, sagt AOK-Plus-Sprecherin Hannelore Strobel. „Die Quote der Patienten lag hier bei fast 39 Prozent aller Einwohner und damit deutlich über der in Dresden.“ In der sächsischen Landeshauptstadt wurden knapp 28 Prozent der Menschen Rückenschmerzen attestiert.

Mehr Rückenschmerzen auf dem Land als in der Stadt

Die Ergebnisse bestätigten die bundesweite Beobachtung, so Strobel: „In ländlichen Regionen, in denen die materiellen und sozialen Ressourcen häufig eingeschränkt sind, leiden mehr Menschen an Rückenschmerzen.“ Neben Nordsachsen trifft es im Freistaat auch den Vogtlandkreis und Görlitz. In beiden Kreisen klagten je knapp 38 Prozent der Einwohner über Kreuzprobleme. Dagegen weisen Dresden und Leipzig mit 28 beziehungsweise 29 Prozent die niedrigsten Krankheitsraten auf. Damit bleiben die beiden Großstädte auch unter dem Bundesdurchschnitt von gut 31 Prozent.

Rückenschmerzen sind laut dem AOK-Gesundheitsatlas nicht unbedingt eine Frage des Alters. Bereits jeder sechste Jugendliche und jeder fünfte junge Erwachsene kennt das Gefühl, das mit zunehmenden Alter allerdings deutlich stärker wird. Dabei sind die Frauen in Sachsen häufiger betroffen als Männer.

Viele Fehltage wegen Rückenschmerzen

Die Beschwerden sind nicht nur eine Lapalie, sondern zählen nach den Atemwegserkrankungen zu den Leiden, die im Freistaat die meisten Fehltage auf Arbeit nach sich zogen. Im vergangenen Jahr waren Arbeitnehmer 19,7 Tage wegen Erkältung und Co. krankgeschrieben. Wegen Muskel- und Skeletterkrankungen, von denen ein Großteil Rückenbeschwerden sind, fielen sie im Schnitt 10,4 Tage aus. Arbeitsausfälle und Behandlungen kosten Geld: 2022 entfielen in Deutschland insgesamt 11,6 Milliarden Euro und damit 2,8 Prozent der Krankheitskosten auf Rückenleiden, hat die AOK Plus ausgerechnet.

Bandscheiben sind selten schuld

Die Crux: Rückenschmerzen haben häufig keine klare Ursache, sie sind „unspezifisch“, wie es Mediziner ausdrücken. „Das heißt, dass wir gar keine eindeutige Struktur im Rücken dafür verantwortlich machen können“, sagt Ingo Froböse, Universitätsprofessor an der Deutschen Sporthochschule Köln. „Die viel gescholtenen Bandscheiben etwa sind in nur zwei bis drei Prozent aller Fälle wirklich verantwortlich für den Rückenschmerz.“ Insofern sei für Patienten eine OP häufig keine Lösung, wie auch eine Auswertung der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt: Mehr als acht von zehn operativen Eingriffen am Rücken sind demnach unnötig.

Allerdings gibt es schon ein paar Schwachstellen am Rücken: die Muskulatur und das zugehörige Bindegewebe. „Meistens sind die Muskeln in ihrer Länge verkürzt. Das Bindegewebe verfilzt und verklebt, was die Beweglichkeit beeinträchtigt. Das tut weh“, so Froböse. Wer sich deshalb immer weniger bewege und belaste, schwächt damit die Strukturen des Rückens immer mehr.

Begünstigt werden Rückenschmerzen auch durch psychosozialen Stress, ungünstige arbeitsplatzbezogene Umstände sowie Rauchen und Übergewicht. „Regelmäßige körperliche Aktivität ist nachweislich die effektivste Präventionsmaßnahme“, sagt AOK-Plus-Sprecherin Strobel. Es brauche laut Rückenspezialist Froböse nicht viel, um sich fit zu halten: „Straffes Gehen, Radfahren oder Kraulschwimmen. Strecken und Recken, leichtes kontrolliertes Drehen nach rechts und links, das Neigen nach vorne und hinten sind ideal für eine gesunde Wirbelsäule.“

Der AOK-Gesundheitsatlas basiert auf ärztlich dokumentierten Diagnosen, die von den Krankenkassen ermittelt werden. Dabei werden nur Patientinnen und Patienten erfasst, die ärztliche Hilfe in Anspruch genommen haben. Dauer, Intensität oder der genaue Ort des Schmerzes spielen bei der Erhebung der Daten keine Rolle.