Leben und Stil
Merken

Salzspielplätze sollen gegen Asthma und Bronchitis helfen – Was ist dran?

Ein neuer Trend verbreitet sich auch in Sachsen: Kinder spielen im Salz und bekommen dabei gleich eine Inhalationstherapie. Die Meinungen sind geteilt.

 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Kein Sand, sondern Salz: So sieht der Salzspielplatz von „Babybeach“ in Leipzig aus, kurz bevor die kleinen Gäste kommen.
Kein Sand, sondern Salz: So sieht der Salzspielplatz von „Babybeach“ in Leipzig aus, kurz bevor die kleinen Gäste kommen. © Nancy Glor

Der Winter ist vorbei, trotzdem sind viele Kinder noch verschnupft oder husten. Salzhaltige Meeresluft kann solche Probleme mit den Atemwegen, aber auch chronische Erkrankungen wie Schuppenflechte lindern. Weil Eltern mit ihren Kindern ja nicht bei jedem Schnupfen ans Meer fahren können, wollen Betreiber sogenannter Salzspielplätze die Lücke füllen.

Was Anbieter versprechen und Ärzte dazu sagen:

Was sind Salzspielplätze und wer bietet sie wo an?

Salzspielplätze sind Indoor-Spielplätze, deren Boden nicht mit Sand, sondern mit Salz bedeckt ist. Generatoren sorgen für eine salzhaltige Luft in den kindgerechten Räumen. „Die Kinder spielen im feinen Salz und nehmen dabei die Inhalationstherapie wahr“, heißt es etwa von „Babybeach“. Der Anbieter aus Frankfurt am Main hat bundesweit eigenen Angaben zufolge 55 Franchisefilialen, fünf davon in Ostdeutschland.

Die einzige in Sachsen findet sich im Zentrum von Leipzig. Marko Schädlich hat das dortige Salzinhalatorium im September 2022 eröffnet. Inzwischen habe er etliche Stammkunden, die auch eine lange Anreise aus Dresden, Wurzen, Bautzen und Gera in Kauf nähmen. „Die Rückmeldungen sind positiv. Wir haben auch Tagesmütter und Kitagruppen, die regelmäßig zu uns kommen“, sagt er. 45 Minuten im Salzraum kosten für Kinder von einem bis 16 Jahren fünf, für Erwachsene zwölf Euro.

Andere Anbieter sind zum Beispiel „Rio’s Salzspielplatz“ in Aschaffenburg und in Berlin etwa „Salz-Reich“ oder „Kindersalzparadies“. Auch klassische Salzgrotten bieten Kinderstunden an.

Gegen welche Krankheiten soll der Besuch eines Salzspielplatzes helfen?

Kerstin Hartwig, Inhaberin des Berliner "Salz-Reich" betont: "Salzspielplätze heilen nicht, sie unterstützen." Regelmäßige Besuche sorgten beispielsweise bei Kindern dafür, dass die Schleimhäute befeuchtet seien. "Die Schleimhäute sind dann dicht und es können keine oder deutlich weniger Viren und Bakterien eintreten", so Hartwig.

"Rio's Salzspielplatz" in Aschaffenburg sieht Salz als "Wundermittel" gegen Atemwegserkrankungen wie Asthma, Bronchitis, RSV, COPD, Husten oder auch Heuschnupfen. Das Kindersalzparadies in Berlin-Pankow verspricht: "Während Ihre Lieblinge im Salz spielen, inhalieren sie wertvolle Mineralien ein. Diese bewährte Therapie wirkt gegen Allergien, Pilze, HNO-Erkrankungen, Hauterkrankungen wie beispielsweise Neurodermitis oder Schuppenflechte."

Was sagen Ärzte zur Wirkung auf die Atemwege?

"Ein Besuch von Salzspielplätzen macht aus unserer Sicht medizinisch keinen Sinn. Wir empfehlen das Inhalieren auch nicht mehr zur Genesung oder Vorbeugung von Erkrankungen. Die Salzpartikel sind meist nicht klein genug, um dorthin zu gelangen, wo sie hin sollen", sagt Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen.

"Man braucht wirklich gute Geräte, um feine Partikel zu produzieren", sagt Lungenfacharzt Norbert Mülleneisen, Vorsitzender des Berufsverbands für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin Nordrhein. Bei Bronchitis könne das Inhalieren helfen, aber entscheidend sei die Teilchengröße, betont auch der Facharzt. Die salzhaltigen Partikel führen demnach zu einer Schleimverflüssigung. Dadurch könne zäher Schleim leichter abgehustet werden.

Können Salzspielplätze schädlich sein?

Nein, aber man verspreche sich zu viel. „Man macht ein Geschäft mit der genervten Mutter, die ein ständig hustendes Kind um sich hat“, sagt der Pneumologe. Es sei viel sinnvoller, dem Kind ein paar Tage ein Nasenspray zu geben oder, wenn möglich, für kurze Zeit an die See zu fahren. „Klimaveränderungen sind viel hilfreicher.“

© dpa

Kinderarzt Maske rät: „Abwarten, Tee trinken und viel frische Luft.“ Mit einer Empfehlung für Salzspielplätze halte er sich „stark zurück“. Laut Mülleneisen wirkten sie nur symptomatisch.

Helfen Salzspielplätze bei Hautkrankheiten?

"Salz-Reich"-Gründerin Kerstin Hartwig berichtet, sie habe einst als Tagesmutter erlebt, wie bei einem Kind mit Neurodermitis nach einem Besuch in einem Salzspielplatz eine Wunde plötzlich verheilt war. Das sei für sie ein Schlüsselerlebnis gewesen.

Der Kieler Professor für Dermatologie, Oliver Wiedow, sagt hingegen: "Aus meiner Sicht ist die Behauptung "Diese bewährte Therapie wirkt gegen Allergien, Pilze, HNO-Erkrankungen, Hauterkrankungen wie beispielsweise Neurodermitis oder Schuppenflechten" nicht haltbar." Sie könne so angewendet noch nicht einmal bei der Schuppenflechte wirken, bei der bislang die besten Wirkungen von konzentrierten Kochsalzlösungen beobachtet worden seien.

"Räume mit Sole zu benebeln ist eine Idee, die man haben kann. Nachweise für eine therapeutische Wirkung kenne ich nicht", so der Arzt am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Ein Aufenthalt auf einem salzbedeckten Boden könne allein schon aufgrund des fehlenden Kontaktes zur erkrankten Haut nicht wirken.

Ist ein Besuch im Salzspielplatz vergleichbar mit einem Aufenthalt am Meer?

"An der See kann man durch die Brandungsluft kleine Salzpartikelchen einatmen, die dann in den feuchten Atemwegen aufquellen. Das führt dazu, dass sich der Schleim verflüssigt und man besser abhusten kann", erklärt Pneumologe Mülleneisen. In verschiedenen Salzbädern werde versucht, diesen Mechanismus nachzuahmen. "Das kommt aber nicht annähernd an die Qualität der Brandungsluft ran." Der Natur gelinge es, besonders feine Salzkristalle zu produzieren, die tief in die Lunge eingeatmet werden können. Auch gute Inhaliergeräte könnten das leisten, so Mülleneisen. Diese könne man als Patient in Arztpraxen ausleihen oder bei chronischen Erkrankungen auch verordnet bekommen.

Können sich gesunde Kinderauf den Salzspielplätzen anstecken?

"Babybeach" vernebelt in seinen Räumen nach eigenen Angaben eine 14-prozentige Sole. Laut Lungenfacharzt Mülleneisen tötet dieser Salzgehalt Viren und Bakterien ab. Doch er gibt zu bedenken: "Wenn die Luft so salzig wäre, würde sich kein Kind darin aufhalten. Die Sole wird in der Umgebungsluft verdünnt und diese Luft atmet man ein. Wie steril und sauber ist das? Da wäre ich skeptisch. Kranke Kinder sollten generell nicht mit anderen Kindern zusammengebracht werden. Es gibt gerade bei Kindern so viele verschiedene Übertragungsmöglichkeiten von Krankheiten, zum Beispiel über Schmierinfektionen."

Auf den Seiten der "Babybeach"-Zentrale wird empfohlen, vor einer Salzinhalation mit einem Arzt zu sprechen. Dort wird auch von Besuchen abgeraten, wenn man Fieber hat.

Können Salzspielplätze gegen Allergien helfen?

Ein Anbieter wirbt auch damit, dass Salz gegen Allergien helfe. "Allergien beruhen auf einem Antigen-Antikörper-Mechanismus. Salz bewirkt hier gar nichts", so Mülleneisen. Olga Günter, Leiterin vom "Kindersalzparadies" in Berlin, berichtet, dass vor allem Erwachsene mit Heuschnupfen oft ihre Einrichtung aufsuchen. Ein Aufenthalt helfe, Symptome wie eine verstopfte Nase zu lindern.

Was sagt die Verbraucherzentrale?

"Die angeblichen gesundheitlichen Wirkungen der Inhalation in Salzgrotten sind aufgrund der dünnen Studienlage bisher nicht wissenschaftlich belegt", sagt Gesa Schölgens, Projektleiterin von "Faktencheck Gesundheitswerbung" der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Das Projekt hat unter anderem einen Anbieter wegen Werbeaussagen wie "Unser Indoor-Salz-Spielplatz lindert die Symptome von Bronchitis, Asthma, Husten, Schnupfen oder starker Verschleimung" abgemahnt. Diese seien unzulässig, so Schölgens. Das betroffene Unternehmen äußerte sich trotz dpa-Anfrage nicht dazu. Laut der Expertin hatten sich Eltern an die Verbraucherschützer gewandt, die an den Werbeaussagen zweifelten.

Warum haben Kinder überhaupt so oft mit verstopften Nasen zu tun?

"Kinder haben bei einem kleinen Schnupfen schon ein Riesenproblem, da sie deutlich kleinere und engere Atemwege haben als Erwachsene", erläutert Mülleneisen. Schwillt die Nasenschleimhaut wegen eines Schnupfens an, sei die Nase bei Kindern oft gleich ganz verstopft. "Genervte Eltern greifen in ihrer Verzweiflung dann auch zu solchen Dingen wie einem Salzspielplatz", so Mülleneisen. Langfristig bestehe immerhin Hoffnung: "Je größer die Kinder werden, desto kleiner wird das Problem." (dpa)