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Kaffeerunde mit dem Krebs

Sechs Frauen und zwei Männer: Wenn sie sich rund um Pirna treffen, geht es um ihre Krebs-Geschichten, aber nicht nur.

Von Heike Sabel
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Eine Frau aus der Runde hat während ihrer Krebs-Erkrankung Tagebuch geschrieben. Beim Treff tauschen sich alle aus.
Eine Frau aus der Runde hat während ihrer Krebs-Erkrankung Tagebuch geschrieben. Beim Treff tauschen sich alle aus. © 123rf

Eine Tafel im Königsteiner Café Zimmermann. Die Frauen und Männer trinken Kaffee, essen Torte, unterhalten sich. Nichts unterscheidet sie von den anderen im Raum. Und doch unterscheiden ihre Geschichten sie wohl von den meisten im Café. Es sind Geschichten vom Krebs.

Einige aus der Runde, die sich drei bis vier Mal im Jahr trifft, fehlen an diesem Tag. Es geht ihnen nicht gut. Alle am Tisch haben schon mal gefehlt. Ein Mann ist froh, dass der Kaffee-Termin heute ist, übermorgen hat er wieder Chemotherapie, danach geht es ihm wie den meisten Krebs-Patienten nicht gut. Viele nicken, sie wissen, wie das ist. Sie verbindet die Krankheit, die doch bei jedem anders ist und jeder letztlich allein durchmachen muss. Die Treffen bauen auf, erden, lassen hoffen. Jeder ist jedes Mal in einer anderen Phase.

Ein Ehepaar, zwei Diagnosen

Viele sind bereits Rentner, eine Frau Anfang 50 ist die jüngste an diesem Nachmittag. Sie freut sich, wieder einmal dabei zu sein. Sie lebt in einem kleinen Dorf bei Pirna und seit rund zehn Jahren mit dem ungebetenen Begleiter Krebs. Als sie die Diagnose erhielt, war ihr Enkel drei. Kinder machen intuitiv genau das Richtige. Sie wissen, was der Oma oder dem Opa guttut. Das erfährt auch einer der beiden Männer in der Runde.

Er ist mit seiner Frau da, die zuerst erkrankt war. Sie stehen das zusammen durch, sagen sie. Die Erfahrungen, die sie gemacht hat, helfen ihm nun etwas. Als er die Diagnose erhielt, waren sie grad beim Umziehen von einem Dorf in der Sächsischen Schweiz ins andere. Wie sollte das gehen, war eine der ersten Fragen. Sie haben es geschafft. "Wir sind überglücklich", sagt sie. Wie kann sie das sagen, ihr Mann krank, sie zwar geheilt, doch die Krankheit hängt einem immer an, wie er sagt. Sie haben ihr Häuschen in der Natur, Ruhe, frische Luft, sich und sie leben. Das sind genug Gründe, sagen sie. Sie hat während ihrer Krankheit Tagebuch geschrieben.

Da sein für die Sterbenden und Lebenden

Der Name einer Frau in der Runde wird immer wieder genannt. Kerstin Franke. Sie arbeitet für den Lebenswerte-Verein, der Kranken hilft. Behördengänge, Anträge, Unterstützungen. Sie ist die Frau mit Herz fürs Praktische in der Zeit, da plötzlich nichts mehr ist wie es ist. Sie ist da, wenn jemand stirbt und für die, die leben. Deshalb hat sie diese Runde vor Jahren initiiert. Sie hat keinen Namen, lebt aber vom Kulturfond-Geld der Lichtblick-Stiftung. Die hilft eigentlich Menschen in Notsituationen, in die sie unverschuldet kommen. Das sind ganz oft Krankheit und Tod. Wer schon vorher wenig Geld verdiente oder auf Hilfe angewiesen war, hat es dann doppelt schwer. Der Kulturfonds bringt Abwechslung, die Menschen zusammen, hilft so und erhält deshalb auch Unterstützung.

So können Sie weiterhin helfen:

  • Die Stiftung Lichtblick sammelt das gesamte Jahr hindurch für in Not geratene Menschen in unserer Region, die keine andere Unterstützung finden. Die Spenden werden das ganze Jahr über vergeben.
  • Sie möchten helfen? Hier können Sie das jederzeit tun. Das Geld übermitteln Sie an die Stiftung per Bankeinzug oder per Paypal - sicher und einfach. Alternativ dazu können Sie Ihre Spende auch auf folgendes Konto bei der Ostsächsischen Sparkasse Dresden einzahlen: IBAN: DE88 8505 0300 3120 0017 74, BIC: OSDDDE81.
  • Der Überweisungsbeleg gilt bis 300 Euro als Spendenquittung. Für größere Überweisungen senden wir bei Angabe einer Adresse eine Quittung.
  • Hilfesuchende wenden sich bitte an Sozialeinrichtungen ihrer Region wie Diakonie, Caritas, DRK, Volkssolidarität, Jugend- und Sozialämter.
  • Die Sächsische Zeitung veröffentlicht automatisch die Namen der Spender. Wer anonym spenden will, vermerkt beim Verwendungszweck „Anonym“.
  • Erreichbar ist Lichtblick telefonisch dienstags und donnerstags von 10 bis 15 Uhr unter 0351/4864 2846, jederzeit per E-Mail: [email protected]; die Postadresse lautet: Stiftung Lichtblick, 01055 Dresden. Mehr Informationen: www.lichtblick-sachsen.de.

Zeit hat aufgrund der Krankheit für sie alle eine andere Dimension bekommen. Genau wie das Genießen, das bewusste Wahrnehmen, das in sich hineinhören. Es wird die zweite Runde bestellt. Manche nehmen einen Eisbecher. Manchmal wird gelacht, manchmal wird es still. Noch einmal werden sie sich dieses Jahr treffen, zur Weihnachtsfeier. Nächstes Jahr soll es den Kulturfonds wieder geben, Kerstin Franke wird einen Antrag stellen. Jede und jeder am Tisch und die, die heute nicht da sind, freuen sich darauf. Schifffahrt, Konzert, Museum, Kerstin Franke fällt immer etwas ein.

Von "das schaffe ich nicht" zu "dankbar für jeden Tag"

Eine ältere Frau aus Pirna erzählt, wie sie in der Pflege ihres krebskranken Mannes die Brustkrebs-Diagnose erhielt. Sie wollte sich nicht operieren lassen, weil sie sich sagte: Das schaffe ich nicht. Sie ließ sich doch operieren und er hatte es schon nicht mehr wahrgenommen. Als dann noch die Tochter erkrankte, nicht an Krebs, aber auch schwer, war es für die Frau zu viel. "Jetzt bin ich dankbar, dass ich jeden Tag erleben darf", sagt sie. Es klingt überhaupt nicht wehleidig. Im Gegenteil. Die Frau strahlt eine große Ruhe aus und ruht in sich.