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Nahrungsergänzungsmittel versprechen oft zu viel

Die Mittel versprechen Wunderwirkungen, an klinischen Studien mangelt es. Sachsens Kontrolleure haben 150 Produkte geprüft - und viel zu beanstanden.

Von Katrin Saft
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Vitamine in Pillenform: Wie sinnvoll sind Nahrungsergänzungsmittel?
Vitamine in Pillenform: Wie sinnvoll sind Nahrungsergänzungsmittel? © kairospress

Sie sollen für schönere Haare, straffere Haut, festere Fingernägel und stärkere Knochen sorgen – Nahrungsergänzungsmittel mit Silizium. Doch die Europäische Lebensmittel-Sicherheitsbehörde EFSA konnte zu den vermeintlichen Wunderwirkungen keine klinischen Studien finden. Die Bedeutung von Silizium für den Körper sei ebenso unklar wie die Nebenwirkungen bei Einnahme größerer Mengen.

Nur ein Beispiel. Weil sie in Form von Tabletten, Kapseln oder als Pulver angeboten werden, erwecken Nahrungsergänzungsmittel den Eindruck von Arzneimitteln. Doch rein rechtlich zählen sie zu den Lebensmitteln. Insofern sind sie auch nicht dazu bestimmt, Krankheiten zu heilen oder zu verhüten. Anders als Arzneimittel, die ein Zulassungsverfahren durchlaufen, unterliegen Nahrungsergänzungsmittel nur einer Registrierungspflicht beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit muss nicht nachgewiesen werden.

Regelmäßige Warnungen

Das Europäische Schnellwarnsystem für Lebensmittel RASFF warnt regelmäßig vor bedenklichen Mitteln. Die typischen Probleme: zu hoch dosierte Mineralstoffe und Vitamine, unzulässige Inhaltsstoffe, bakterielle Verunreinigungen, Belastungen mit Schwermetallen wie Arsen, Blei und Quecksilber, Belastungen mit natürlichen Giften wie Blausäure, Pyrrolizidinalkaloide oder Cumarin, Belastungen mit Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) oder Resten von Pflanzenschutzmitteln.

Laut RASFF sind am häufigsten Produkte für Sportler und zur Gewichtsabnahme sowie Potenzmittel betroffen. Wiederholt auffällig seien zudem Konzentrate und Pflanzenextrakte aus Asien.

Auf ihrer Webseite klartext-nahrungsergaenzung.de veröffentlichen auch die Verbraucherzentralen aktuelle Warnungen zu Nahrungsergänzungsmitteln. Demnach werden derzeit viele Produkte zurückgerufen, weil sie das in Europa verbotene, krebserregende Pflanzenschutz- und Begasungsmittel Ethylenoxid enthalten.

Trotzdem greifen viele Menschen vor allem jetzt in der dunkleren Jahreszeit zu Nahrungsergänzungsmitteln. Sie erhoffen sich davon zum Beispiel eine bessere Versorgung mit Nährstoffen, einen Ausgleich von Unterversorgungen, die Unterstützung verschiedenster Körperfunktionen oder gar eine Entgiftung. Durch die Globalisierung und den Internethandel ist der Markt allerdings sehr unübersichtlich. Ein Verzeichnis für Deutschland listet mehr als 3.500 Nahrungsergänzungsmittel auf.

Die Hersteller haften

Für die Sicherheit der Produkte sind die Hersteller verantwortlich. Diese werden zwar von den Lebensmittelüberwachungsbehörden der Länder kontrolliert. Doch angesichts immer neuer Produkte kommen die Behörden kaum nach und können nur Stichproben durchführen. Die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen (LUA) hat im vergangenen Jahr 150 Nahrungsergänzungsmittel geprüft. Mehr als drei Viertel davon entsprachen nicht den rechtlichen Vorgaben.

Das Hauptproblem sind schon seit Jahren gravierende Kennzeichnungsmängel. Vielfach wurde und wird gegen das Verbot verstoßen, Nahrungsergänzungsmittel mit Aussagen zu bewerben, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen. Doch kaum ist eine Werbung untersagt, erfinden Hersteller neue Versprechen, um ihre Produkte zu vermarkten.

Hoffnung auf mehr Abwehrkräfte.
Hoffnung auf mehr Abwehrkräfte. © dpa-tmn

Nach der EU-weiten Health Claims-Verordnung sind gesundheits- und nährwertbezogene Angaben auf Lebensmitteln nur erlaubt, wenn es dafür eine wissenschaftliche Anerkennung und Genehmigung gibt. Doch häufig fehlen diese. Auch irreführende Bezeichnungen oder Aufmachungen sowie falsche und unvollständige Pflichtangaben müssen die Landeskontrolleure immer wieder beanstanden.

Manchmal kann es sogar gefährlich für die Gesundheit werden. Von neun im vergangenen Jahr an das Landeslabor Berlin-Brandenburg eingereichten Nahrungsergänzungsmitteln aus Sachsen entpuppten sich sieben als nicht zugelassene Arzneimittel. In vier Fällen handelte es sich dabei um zu hoch dosierte melatoninhaltige Produkte. Wiederholt fielen auch mit Cannabinoid angereicherte Mittel auf. Laut LUA handelt es sich dabei um nicht zugelassene neuartige Lebensmittel. Doch sind Nahrungsergänzungsmittel überhaupt nötig? Experten haben dazu geteilte Meinungen.

Lesen Sie dazu unser Pro & Contra: Sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?