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Sein Smartphone ist ihm wichtiger als ich

Statt sich zu unterhalten, hat der Mann die ganze Zeit sein Handy in der Hand. Das nervt die Frau. Paarberater Christian Thiel erklärt, wie das Phänomen heißt.

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Christian Thiel
Christian Thiel © Christian Juppe

Meist stehe ich morgens eher auf als mein Mann und habe dann auch schon Kaffee getrunken, wenn er aufsteht. Ich setze mich aber gerne zu ihm, wenn er frühstückt, weil ich weiß, dass er das mag. In letzter Zeit ist er dann mehr mit seinem Handy und mit Nachrichten beschäftigt, was mich ärgert. So gehen wir dann oft früh in schlechter Stimmung auseinander.

Das, was Sie erleben, nennt sich Phubbing. Das geht zum Beispiel auch so: Im Park läuft eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn zum Spielplatz. Der Sohn möchte der Mutter etwas erzählen. Die Mutter hört ihm nicht zu. Das Smartphone ist viel wichtiger als ihr Sohn. Phubbing. Das ist ein englisches Kunstwort, das aus den Worten phone und snubbing zusammengesetzt wurde. Phone, das ist das Handy. Und snubbing bedeutet, jemanden vor den Kopf zu stoßen oder ihn zu brüskieren. Im Klartext: Das Smartphone ist wichtiger – und der Mensch, der uns gegenübersitzt, ist unwichtig. Er wird brüskiert, und damit muss er umgehen. Ihnen fällt es erkennbar schwer, wenn Ihr Mann sein Smartphone wichtiger findet als das Gespräch mit Ihnen. Ich kann Sie verstehen.

Vielleicht wäre es angebracht, für Phubbing ein deutsches Wort zu finden. Man könnte es Ignorieren nennen. Der Smartphonebesitzer befindet sich in einer Art Paralleluniversum und ignoriert die Menschen um ihn herum. Und dann sagt er vielleicht auch noch: Ach, hab dich nicht so! Sie werden also ignoriert – und anschließend nicht ernst genommen. Autsch.

Phubbing hat sich in den letzten Jahren als Verhaltensweise in unserer Gesellschaft etabliert. Es ist alltäglich geworden. Dabei schädigt es Freundschaften, ruiniert Partnerschaften und stört das Verhältnis von Eltern und Kindern. Neulich habe ich das erste Mal von einem Paar gehört, dass sich morgens gar nicht mehr begrüßt. Kein „Guten Morgen, mein Schatz!“ Kein Kuss. Keine Umarmung. Beide kommen vielmehr aus ihren Schlafzimmern, haben das Smartphone in der Hand und beginnen, kaum dass sie am Tisch sitzen, sich mit Dingen zu beschäftigen, die ihnen wichtig sind. Und das ist in ihren Augen ganz eindeutig nicht der Partner.

Auch unterhalb der Schwelle des Phubbing vermag das Smartphone die Aufmerksamkeit seines Besitzers abzulenken. Schon, wenn es nur auf dem Tisch liegt, zieht es einen Teil der Aufmerksamkeit seines Besitzers ab, ergaben wissenschaftliche Studien. Es sind nur fünf bis zehn Prozent der Aufmerksamkeit, die da verschwinden, aber immerhin. Um dem Partner aufmerksam zuzuhören, sollte es in einem anderen Raum liegen und kein Geräusch machen.

Dieser Tage war ich bei einem Freund und seiner Partnerin zu Besuch. Wir haben uns den ganzen Abend unterhalten. Nach Stunden haben dann beide kurz mal auf ihre Smartphones geschaut, die stumm im Flur lagen. Es war ein angenehmer Abend. Ganz wie früher. Ohne Phubbing.

Sie sehen, die Regeln lauten: kein Smartphone am Tisch. Das gilt übrigens für alle, auch für pubertierende Kinder. Und natürlich auch für Ehemänner, die sich freuen sollten, dass ihre Ehefrau sich beim Frühstück zu ihnen setzt.