Leben und Stil
Merken

Zahnärzte kämpfen gegen Kürzungen bei der neuen Parodontitis-Therapie

„Sparodontose“ nennen die Zahnärzte die Budgetierung ihrer Leistungen. Vor allem die neue Zahnfleischbehandlung ist damit gefährdet.

Von Stephanie Wesely
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Dr. Henning Sporbeck, Zahnarzt in Bannewitz, wehrt sich gegen die Sparpläne bei Zahnbehandlungen.
Dr. Henning Sporbeck, Zahnarzt in Bannewitz, wehrt sich gegen die Sparpläne bei Zahnbehandlungen. © ronaldbonss.com

Eine schwere Zahnfleischentzündung kann gesundheitliche Folgen für den ganzen Körper haben. Damit das nicht geschieht, wurde eine neue mindestens zweijährige Parodontitis-Therapie entwickelt. „Seit gut eineinhalb Jahren ist sie Praxisalltag und wird von vielen Patienten genutzt“, sagt Dr. Henning Sporbeck, Zahnarzt in Bannewitz bei Dresden. „Die Erfolge können sich sehen lassen.“ Doch seit diesem Jahr werden zahnärztliche Leistungen strikt budgetiert. Insbesondere bei der neuen Parodontitis-Therapie befürchten Zahnärzte, dass die Vergütung nicht ausreicht. Unter dem Motto „Zähne zeigen“ protestieren sie dagegen. Auch Patienten können sich beteiligen. „Das sollten sie sogar, denn es geht hier um ihre Gesundheit“, sagt Meike Gorski-Goebel, stellvertretende Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen.

Welche Therapieschritte sind Kassenleistung?

Die umfassende Aufklärung über eine effektive Mundhygiene ist als erster Therapieschritt Kassenleistung. Zu diesem Zeitpunkt wird oft eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) empfohlen, die jedoch keine Kassenleistung ist. Viele Kassen bezuschussen die PZR aber. Danach folgt die antiinfektiöse Therapie, bei der die Zahnfleischtaschen gereinigt werden. Mitunter wird ein antibakterielles Gel eingebracht. Das Gel ist laut Zahnärztekammer selbst zu zahlen. Schlägt diese antiinfektiöse Therapie nicht ausreichend an, müssen die Zahnfleischtaschen chirurgisch, in einem offenen Verfahren gereinigt werden. Das ist eine Kassenleistung. Die Kasse zahlt dann auch die rund zwei Jahre dauernde Nachsorge der Patienten. Darin enthalten sind je nach Schwere der Erkrankung zwei bis sechs PZR und Nachreinigungen der verbliebenen Zahnfleischtaschen.

Was soll sich bei der Parodontitis-Therapie jetzt ändern?

Vom medizinischen Umfang der einzelnen Behandlungen hat der Gesetzgeber nichts gestrichen – auch nicht bei der Nachsorge. Die Zahnärzte bekommen nur nicht mehr alle Leistungen bezahlt. „In den Jahren 2021 und 2022 wurde das Praxisbudget abgeschafft, um Behandlungsdefizite der Coronapandemie aufholen zu können. Mit Jahresbeginn wurde das Budget wieder eingeführt“, sagt Claudia Beutmann, Sprecherin des Ersatzkassenverbandes Sachsen. Nur bis zu dieser Grenze werden den Zahnärzten Leistungen vergütet. Was darüber hinaus geht, wird mit deutlichen Kürzungen belegt, erklärt Dr. Sporbeck. Das ist ein Problem, denn begonnene Parodontitis-Behandlungen können nicht einfach abgebrochen werden.

Was bedeutet das konkret für die Patienten?

Die Zahnärzte werden diese Leistung nicht mehr in dem Maße wie bisher erbringen. Patienten müssen möglicherweise längere Wartezeiten in Kauf nehmen, weil vor allem bei neuen Patienten die Behandlungsnotwendigkeit abgewogen werden muss. „Wir verschieben Patienten auch mal ins nächste Quartal, wenn die Entzündung nicht ganz so schwerwiegend ist. Ich lehne aber keine Patienten ab, schließlich habe ich einen Eid geschworen“, sagt Sporbeck.

Wie verhalten sich die Krankenkassen?

Es gibt keine einheitliche Vorgehensweise der Krankenkassen. „Uns fehlt damit die Planungssicherheit“, sagt der Bannewitzer Zahnarzt. Die meisten Krankenkassen haben ihren Finanzrahmen für Zahnbehandlungen im Jahr 2023 nur geringfügig erhöht. Lediglich ein geringer, nicht kostendeckender Aufschlag, der unterhalb der Lohnentwicklung liegt, wurde vorgenommen. Die kosten- und zeitintensive Nachsorge als letzten Behandlungsschritt der neuen Parodontitis-Therapie werde nun nicht mehr vollends gedeckt. „Bundesrecht geht vor Vertragsrecht“, erklärt zum Beispiel Andrea Ludolph, Sprecherin der IKK classic in Sachsen, diese Entscheidung. Das bedeutet, dass Kassen die gesetzliche Vorgabe auf Landesebene umsetzen müssen und eigene Vertragsgestaltungen dahinter zurückstehen. Auch die Betriebskrankenkassen schließen sich dieser Aussage an. Der Verband der Ersatzkassen, zu denen zum Beispiel Barmer, Techniker Krankenkasse, die DAK Gesundheit und die Kaufmännische Krankenkasse gehören, und die AOK Plus gehen aber einen Sonderweg.

Was machen die Kassen anders als andere?

„Die vom Gesetzgeber vorgegebene Budgetierung lässt ausdrücklich definierte Ausnahmetatbestände zu“, sagt Hannelore Strobel, Sprecherin der AOK Plus in Sachsen. Einer davon sei die Möglichkeit, neu eingeführte Leistungsinhalte auch oberhalb der gesetzlichen Begrenzung zu vereinbaren. „Von dieser Möglichkeit haben wir gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen für das Jahr 2023 Gebrauch gemacht“, so Strobel. Die neu eingeführten Leistungen der Parodontitis-Therapie würden damit nicht in das bestehende Budget eingepreist. Sie gelten als sogenannte „neue Leistungen“ und können damit anders vergütet werden. „Diese Regelungsmöglichkeit sieht das Gesetz ausdrücklich vor“, sagt sie. Auch die Ersatzkassen übernehmen bis zum Jahresende alle Leistungen der Parodontitis-Therapie in gewohnter Weise.

Bleibt das Budget für die Parodontitis-Therapie jetzt für immer?

Möglicherweise nicht. Denn der Gesetzgeber hat das Bundesministerium für Gesundheit verpflichtet, die Budgetierung bis zum 30. September dieses Jahres fachgerecht zu bewerten und zu überprüfen. Kommt es nachweislich zu einem Anstieg des Behandlungsbedarfs und der Leistungsausgaben, muss der Gesetzgeber nachbessern. Dann könnten Kassen die Leistungen besser honorieren.

Wie können sich Patienten an der Protestaktion beteiligen?

Mit der Aktion "Zähne zeigen" ist das möglich, wie Meike Gorski-Goebel von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Sachsen informiert. Patienten können sich per Mail oder über soziale Medien an ihre zuständigen Abgeordneten wenden. Nach Eingabe der eigenen Postleitzahl erhält man eine Liste der regionalen Politiker unterschiedlichster Parteien und kann zwischen dem Versand einer vorgefertigten Mail oder der Formulierung eines eigenen Textes wählen. „Wir wollen die Abgeordneten der einzelnen Parteien für dieses wichtige Thema sensibilisieren“, sagt sie.