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Verbraucherzentrale Sachsen nimmt Pflegeheim-Verträge unter die Lupe

Oft verstoßen die Vereinbarungen zwischen Heimbewohner und Betreiber gegen geltendes Recht. Sachsens Verbraucherschützer wollen nun aufklären.

Von Kornelia Noack
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In Sachsen sind mehr als 48.000 Pflegebedürftige in einem Heim untergebracht.
In Sachsen sind mehr als 48.000 Pflegebedürftige in einem Heim untergebracht. © dpa/Tom Weller

In Sachsen sind mehr als 48.000 Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung untergebracht. Jeder einzelne von ihnen hat vor seinem Einzug einen Heimvertrag unterschrieben, in dem Leistungen und Kosten geregelt sind. Doch oft erfüllen die Vereinbarungen nicht einmal die Mindestanforderungen, die das Gesetz vorschreibt. Die Verbraucherzentrale Sachsen nimmt sich dem Thema an und bietet künftig eine Pflegeberatung zu rechtlichen Fragen rund um die Heimunterbringung. Micaela Schwanenberg erklärt im SZ-Gespräch, welche Hilfe sie und ihre Kollegen geben können.

Warum haben Sie sich entschieden, explizit eine Pflegeberatung anzubieten?

Das Thema wird allein schon wegen der demografischen Entwicklung in Sachsen und ganz Deutschland bedeutender. Pflegebedürftigkeit trifft immer mehr Menschen, ob persönlich oder als Angehöriger. Wir haben erkannt, dass der Informationsbedarf immens ist, dem jedoch kein entsprechendes Beratungsangebot gegenübersteht. Viele Menschen wissen nicht, wohin sie sich mit ihren Fragen und Problemen wenden können. Dieses Missverhältnis wollen wir auflösen, wir möchten gern Ansprechpartner und Wegweiser sein.

Micaela Schwanenberg ist Referentin Recht bei der Verbraucherzentrale Sachsen.
Micaela Schwanenberg ist Referentin Recht bei der Verbraucherzentrale Sachsen. © Verbraucherzentrale Sachsen

Gesetzlich Versicherte haben einen Anspruch auf eine Pflegeberatung durch ihre Pflegekasse. Was unterscheidet Ihr Angebot davon?

Wir bieten eine Pflegerechtsberatung und beraten zu den zivilrechtlichen Vertragskonstellationen. Im Mittelpunkt unserer Beratung stehen Fragen zum Heimvertrag. Dabei handelt es sich um Verträge, die nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz geschlossen werden und die die stationäre Unterbringung von pflegebedürftigen Personen in einer Pflegeeinrichtung regeln. Wir prüfen beispielsweise, ob die Verträge die gesetzlichen Vorgaben einhalten, notwendige Angaben enthalten und ob Kostenerhöhungen rechtmäßig und begründet sind. In Fällen, die unser Beratungsportfolio übersteigen, werden wir Hilfesuchenden Handlungsmöglichkeiten nennen.

Immer mehr Pflegebedürftige in Sachsen beantragen die „Hilfe zur Pflege“ beim Sozialamt. Beraten Sie auch dazu?

Perspektivisch werden immer mehr Menschen auf die Leistung angewiesen sein. Ob jemand einen Anspruch darauf hat, ist nach dem 12. Sozialgesetzbuch zu beurteilen. Auf diesem Gebiet beraten wir als Verbraucherzentrale nicht und leisten entsprechend auch keine Unterstützung bei der Antragstellung. Wir helfen Hilfesuchenden aber insofern, als dass wir konkrete Ansprechpartner benennen können.

Helfen Sie auch bei der Suche nach einer geeigneten Pflegeeinrichtung?

Nein, dabei können wir nicht aktiv unterstützen. Wir übernehmen jedoch gern die rechtliche Prüfung des Heimvertrags.

Worauf ist dabei besonders zu achten?

Der Gesetzgeber hat genaue Festlegungen zu Form und Inhalt von Heimverträgen getroffen. Diese müssen schriftlich geschlossen und dem Bewohner muss ein Exemplar ausgehändigt werden. Der Vertrag muss zudem Art, Inhalt und Umfang der Leistungen beschreiben. Dazu gehören Größe und Ausstattung des Wohnraums, Art und Anzahl der Mahlzeiten sowie Art, Inhalt und Umfang der Pflege- und Betreuungsleistungen. Die für den Bewohner anfallenden Kosten müssen in der Gesamtsumme sowie aufgeschlüsselt für einzelne Leistungen aufgeführt sein. Außerdem muss ein Heimvertrag auf eine sogenannte vorvertragliche Information Bezug nehmen.

Was ist darunter zu verstehen?

Der Betreiber des Pflegeheims muss den künftigen Bewohner rechtzeitig vor dem Abschluss des Heimvertrages schriftlich, in leicht verständlicher Sprache über sein allgemeines Leistungsangebot informieren und über die wesentlichen Inhalte der Leistungen, die für ihn in Betracht kommen. Der Inhalt der vorvertraglichen Information ist bindend, sie muss auch im Vertrag mit fixiert sein. Weicht der Vertrag inhaltlich ab, muss das gekennzeichnet werden.

Und wenn diese Information fehlt?

Dann steht dem Pflegebedürftigen ein Sonderkündigungsrecht zu. Und er kann verlangen, dass der Betreiber seine Informationspflicht nachholt.

Kann ein Heimvertrag eigentlich befristet werden?

Das ist nur möglich, wenn es im Interesse des künftigen Bewohners geschieht.

Sind die meisten Heimverträge Ihrer Erfahrung nach in Ordnung?

Es mangelt oft an einer ordnungsgemäßen vorvertraglichen Information, oder diese korrespondiert nicht mit dem Heimvertrag. Es gibt auch Fälle, da stimmen die zugesagten Eigenschaften der Einrichtung und des Wohnraumes nicht überein. Oder das tatsächliche Leistungsangebot entspricht nicht den vertraglichen Zusagen. In diesen Fällen können dem Bewohner Minderungsansprüche zustehen. Das heißt, es kann gut sein, dass er Geld zurückverlangen oder einbehalten kann. Immer wieder kommt es auch vor, dass ein Heimvertrag eine sogenannte Schuldbeitrittserklärung enthält. Auch hier ist Vorsicht geboten.

Warum?

Damit sichern sich Heimbetreiber ab. Sie verpflichten Angehörige oder den Betreuer, Zahlungsverpflichtungen zu übernehmen, wenn der Bewohner selbst einen bestimmten Betrag schuldig bleibt. Im Rahmen der Vertragsfreiheit dürften solche Beitritte grundsätzlich rechtens sein. Allerdings schafft das Gesetz zum jetzigen Zeitpunkt keine Klarheit, ob diese Praxis tatsächlich rechtmäßig ist oder nicht. Wir weisen auf die Risiken hin und raten dazu, sich Vergleichsangebote anderer Heime einzuholen, die solche vertraglichen Hürden vielleicht nicht verlangen.

Wo wird die Pflegeberatung angeboten und was kostet sie?

Wir bieten sie sachsenweit in unseren Beratungsstellen an, das heißt in Leipzig, Torgau, Hoyerswerda, Weißwasser, Bautzen, Görlitz, Meißen, Dresden, Chemnitz, Zwickau, Aue, Plauen und Auerbach. Persönlich, telefonisch oder online per Video-Chat. Wer Interesse hat, kann einen Termin online unter www.verbraucherzentrale.de oder unter Telefon 0341/6962929 buchen. Die 60-minütige Beratung kostet 40 Euro.