Leben und Stil
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Mallorca per E-Bike

Es muss nicht das Rennrad sein. Auf der Lieblingsinsel der Deutschen entwickelt sich ein sanfter Radtourismus durch das noch ursprüngliche Hinterland. Jetzt ist die perfekte Zeit dafür.

Von Katrin Saft
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Entspannt radeln auf dem „Grünen Band“ – der Via Verda von Manacor bis Artá.
Entspannt radeln auf dem „Grünen Band“ – der Via Verda von Manacor bis Artá. © Arthur F. Selbach

Die Mandelbäumchen blühen nicht mehr. Na und? Mallorcas Natur hat jetzt im Frühjahr noch so viel mehr zu bieten. Am Wegesrand wachsen lilafarbene Gladiolen und gelber Ginster. Der Lavendel verströmt einen betörenden Duft. An den Bäumen hängen Zitronen und Orangen. Und was wie Mirabellen aussieht, sind die süßsäuerlichen Früchte der Japanischen Mispel.

Wer die Schönheit der Insel entdecken will, muss weg von den oft überfüllten Stränden, rein ins stille Hinterland. War das bislang ein Geheimtipp unter Wanderern, sieht man hier inzwischen auch immer mehr Radfahrer. Gemeint sind nicht die auf den Rennrädern, die ab Januar zu Zehntausenden wie Heuschrecken auf Mallorca einfallen und die sich schwitzend die Serpentinen der Serra de Tramuntana hochkämpfen.

Die Insel bietet auch traumhafte Bedingungen für Radtouristen, die vor allem eines wollen: die Landschaft genießen. Fahrradvermieter sprechen von zweistelligen Zuwachsraten. „Wir haben 1.500 Leihräder im Angebot“, sagt Adrian von Spring Cycling in Alcúdia, „und uns jetzt sogar 60 E-Bikes angeschafft.“ Letztere seien vor allem bei älteren und weniger sportlichen Menschen begehrt. Sie kosten 35 Euro pro Tag. Wer länger mietet, zahlt weniger.

Mit E-Bikes ausgerüstet: Vermieter Adrian bringt die Räder auf Wunsch bis zum Hotel.
Mit E-Bikes ausgerüstet: Vermieter Adrian bringt die Räder auf Wunsch bis zum Hotel. © Arthur F. Selbach

"Weg von den Autopisten, rein ins Land"

Das mediterrane Klima mit über 300 Sonnentagen im Jahr ermöglicht auf Mallorca ganzjähriges Radvergnügen. Hauptsaison ist von Oktober bis Anfang Juni, wenn es noch nicht heiß ist. Das wachsende Radwegenetz umfasst vier Schwierigkeitsgrade – von sehr hart bis leicht.

Während sich das Zentrum des Radtourismus im Norden der Insel befindet, geht es im Osten bis Mai noch ruhiger zu. „Viele Hotels starten hier erst jetzt in die Saison“, sagt Frank Mittelbach. Der Deutsche lebt seit über 30 Jahren auf Mallorca und hat sich auf das neue Radpublikum eingestellt. Ursprünglich als Wanderführer unterwegs, begleitet er nun auch Gruppen von E-Bike-Fahrern über die Insel. „Die Touren habe ich selbst ausgearbeitet“, sagt er. „Weg von den Autopisten, rein ins Land.“ Einige Abschnitte seien so unberührt, dass er manchmal selbst überlege, wo er abbiegen müsse.

Gut ausgeschildert: Radführer Frank Mittelbach zeigt, von wo aus es ein Radweg Richtung Insel-Osten geht.
Gut ausgeschildert: Radführer Frank Mittelbach zeigt, von wo aus es ein Radweg Richtung Insel-Osten geht. © Katrin Saft

Los gehen Franks Tagesetappen in Canyamel, einem Örtchen mit einer hübschen Badebucht, das verträumt zwischen den Touristen-Hotspots Cala Rajada und Cala Millor liegt. Frank checkt die Ausrüstung seiner Gäste. Sind die Akkus voll? Haben alle einen Helm auf? Auf Mallorca besteht Helmpflicht. Denn immer wieder kommt es zu schweren Unfällen – vor allem von Rennradfahrern auf schmalen, schwer einsehbaren Straßen. Doch darüber wird nur ungern gesprochen.

Autofahrer sind deutlich entspannter

Franks Tour startet auf einer asphaltierten Nebenstraße, die wie viele auf der Insel über einen breiten Seitenstreifen verfügt. Hier fährt es sich recht sicher, zumal die wenigen Autofahrer auch deutlich entspannter auf Radler reagieren als daheim. Gehupt wird nicht, selbst wenn mal zwei Radfahrer nebeneinander fahren.

Schnell stellt sich ein Gefühl von Freiheit ein: der Himmel strahlend blau, rechts und links knorrige Olivenbäume und Hunderte Schafe, die in ihrem Schatten dösen. „Jetzt nach rechts in den Kiesweg“, sagt Frank. Der wird über Kilometer von kniehohen Steinmauern gesäumt, die über Jahrhunderte angelegt wurden. „Aber vorsichtig“, sagt Frank, „nicht so nah an die Mauern ran. Dort liegen oft Dornen von Sträuchern. Wir wollen doch nicht gleich einen Platten haben.“

Spektakuläre Kurven: Straße zu den Höhlen von Arta kurz hinter Canyamel.
Spektakuläre Kurven: Straße zu den Höhlen von Arta kurz hinter Canyamel. © Arthur F. Selbach

Beim Radeln auf Mallorca ist der Weg das Ziel: Die spektakulären Ausblicke aufs Meer, auf Berge und auf Burgen, die aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammen. Der Stopp an sanierten Wachtürmen, die einst zum Schutz vor Piraten entstanden sind. Die gepflegten Fincas, deren blaue Pools in der Sonne glitzern. Und die Stille, die nur durch das Blöken der Schafe zerrissen wird. Selbst manche Dörfer wirken, als ob hier keine Menschenseele lebt: die säuberlich gepflasterten Straßen leer, alle Fensterläden geschlossen.

Frito mallorquín ist nicht jedermanns Sache

„Der Eindruck täuscht“, sagt Frank. „Die Mallorquiner lassen ihre Fensterläden wegen der Sonne grundsätzlich zu. Dahinter verbergen sich dann oft großzügige, zu einem lichten Innenhof ausgerichtete Wohnräume.“ Geöffnete Fensterläden seien ein Zeichen dafür, dass dort ein Ausländer lebe.

Frank nutzt seine Touren auch gern für eine kleine Naturkunde. „Das hier ist ein Zürgelbaum“, sagt er, „der als Schattenspender in vielen Innenhöfen zu finden ist.“ Und dieses Bäumchen dort drüben trage bald Granatäpfel.

Wenn es das Wetter zulässt, packt er eine Tischdecke aus und lädt zum Picknick mit mallorquinischem Käse und Schinken ein. Oder die Gruppe kehrt in eine der Tapas-Bars ein und probiert Frito mallorquín. In das traditionelle Gericht kommen Lammleber – nicht jedermanns Sache –, Kartoffeln, Paprika, roten Zwiebeln und natürlich Olivenöl.

Bis zu 8.000 Kilogramm Oliven - pro Stunde

Die größte Olivenplantage Mallorcas befindet sich in Son Mesquidassa in der Nähe der Stadt Felanitx. Dank E-Bike, das jede Steigung locker wegbügelt, lässt sie sich bequem mit Rad erreichen. 150.000 Olivenbäume stehen hier in Reih und Glied. Mitten auf dem alten Landgut überrascht eine top-moderne Ölmühle mit Schauraum und Verkostung. Aina erklärt hier wochentags, wie die Olive zu gesundem Öl wird. „Bis zu 8.000 Kilogramm Oliven können wir hier maschinell ernten – pro Stunde“, sagt sie.

Die Waschmaschine entferne Schmutz und Blätter. Weiter gehe es über Waage, Lagertrichter, Mühle, Maischepumpe und so weiter bis in riesige Edelstahltanks – alles computergesteuert und -überwacht. Durch die Trockenheit in den klassischen Olivenländern sind die Preise für Olivenöl stark gestiegen. Wer in Son Mesquidassa kauft, zahlt etwa die Hälfte von dem, was in Touristenläden auf der Insel oder auf dem Flughafen verlangt wird.

Um die Radinfrastruktur zu verbessern, hat Mallorca in den letzten Jahren einiges investiert. Auf den Haupttrassen weisen orangefarbene Schilder den Weg. Neben organisierten Wochentouren, die wie mit Frank von einem Ort aus starten, kann man Inselumrundungen mit Gepäckservice buchen oder sich individuell tageweise Räder ausleihen. „Engpässe gibt es fast nie“, sagt Verleiher Adrian.

Grandiose Ausblicke auf Felsen, Buchten und Meer

Die sicherste Route auch für wenig geübte Radler dürfte die Via Verda sein – der Grüne Weg, der Manacor und Artá verbindet. Die Strecke über 29 Kilometer folgt autofrei einer 1977 stillgelegten Eisenbahntrasse. Rechts und links wurde die vernachlässigte Zone mit einheimischen Bäumen aufgeforstet. Rastplätze laden zum Verweilen ein. Da der Untergrund allerdings sandgeschlemmt ist, empfiehlt es sich nicht, hier im oder kurz nach dem Regen zu fahren. Am Ende der Via Verda grüßt von Weitem eine mächtige Kirche hoch über Artá. „Jeden Dienstag ist in dem Städtchen Markt“, sagt Frank.

Die Zitronenernte dauert bis Februar. An einigen Bäumen hängen noch letzte Früchte.
Die Zitronenernte dauert bis Februar. An einigen Bäumen hängen noch letzte Früchte. © Katrin Saft
Noch sind die Oliven auf dem Landgut Son Mesquidassa ganz klein.
Noch sind die Oliven auf dem Landgut Son Mesquidassa ganz klein. © Arthur F. Selbach
Sie sehen aus wie Mirabellen und schmecken schon: Früchte der Japanischen Mispel.
Sie sehen aus wie Mirabellen und schmecken schon: Früchte der Japanischen Mispel. © Arthur F. Selbach
Lila, gelb, grün: Jetzt im Frühjahr gleicht Mallorca im Hinterland einem üppigen Garten.
Lila, gelb, grün: Jetzt im Frühjahr gleicht Mallorca im Hinterland einem üppigen Garten. © Arthur F. Selbach

Sein Tipp für eine der schönsten Radtouren auf Mallorca ist von Pollenca aus bis zum Cap de Formentor, dem nördlichsten Zipfel der Insel. „Am entspanntesten ist es hier von Anfang Juni bis Ende September“, sagt Frank. Denn dann werde die Strecke ab Port de Pollença bis zum Leuchtturm für Autos gesperrt. Die grandiosen Ausblicke auf Felsen, Buchten und Meer gehören dann ganz den Radtouristen.

Die in Reiseführern gepriesene Mandelblüte mag vorbei sein. Doch Mallorca gleicht jetzt im Frühling trotzdem einem üppigen Garten.

Ab auf die Insel

©  SZ-Grafik/Gernot Grunwald
  • Anreise: Fast täglich Flüge ab Dresden, Leipzig oder Berlin
  • Touristen: 2023 kamen fast 12,5 Millionen Gäste auf die Insel – plus 8,6 Prozent zum Vorjahr.
  • Preisbeispiel: Wikinger Reisen Mallorcas Osten per E-Bike, Sieben Nächte Vier-Sterne-Hotel mit Halbpension, Flug, Bike, ab 1.715 Euro/pro Person im Juni und September.
  • Die Recherche wurde unterstützt von Wikinger Reisen.
  • web Spanisches Fremdenverkehrsamt: spain.info