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Für jungen Sänger aus China war Görlitz ein Glücksfall

Der Baritonsänger Buyan Li kam kurz nach der Pandemie ans Gerhart-Hauptmann-Theater. In einem kleinen Opernabend im Apollo spielt er erneut eine komische Rolle.

Von Ines Eifler
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Der Baritonsänger Buyan Li auf der Bühne des Görlitzer Apollo-Theaters in der Kulisse für die Kurzoper "Das Telefon".
Der Baritonsänger Buyan Li auf der Bühne des Görlitzer Apollo-Theaters in der Kulisse für die Kurzoper "Das Telefon". © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Eine kleine grüne Bühne mit Tisch, Stuhl, Handy und Taschentuchbox. Der Baritonsänger Buyan Li in der Rolle des Liebhabers, der seiner Zukünftigen endlich den langerwarteten Heiratsantrag machen will, aber nicht dazu kommt, weil ständig das Telefon klingelt. Und später in der Rolle eines Mannes, der vor (unbegründeter) Eifersucht fast platzt.

In beiden Kurzopern spielt und singt Buyan Li an der Seite der niederländischen Sopranistin Nienke Otten. Und nach Dr. Falke in der "Fledermaus", Stefano in "Viva la Mamma", Papageno in der "Zauberflöte" und zuletzt als Hook in "Peter Pan" ist er im Doppelopernabend "Das Telefon / Susannens Geheimnis" wieder einmal in zwei komischen Rollen zu erleben.

In "Saul" sang Buyan Li die Titelrolle.
In "Saul" sang Buyan Li die Titelrolle. © Pawel Sosnowski
In "Simplicius Simplizissimus Jugend" spielte Buyan Li (links) einen Landsknecht, in der Hauptrolle war Patricia Bänsch zu erleben.
In "Simplicius Simplizissimus Jugend" spielte Buyan Li (links) einen Landsknecht, in der Hauptrolle war Patricia Bänsch zu erleben. © Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c
Auch in "Viva la Mamma" im Görlitzer Kaufhaus spielte Buyan Li mit (3. von links, oben).
Auch in "Viva la Mamma" im Görlitzer Kaufhaus spielte Buyan Li mit (3. von links, oben). © Pawel Sosnowski

Ausnahmen waren bisher nur der Landsknecht in "Simplicius Simplicissimus Jugend" und Saul in der gleichnamig Händeloper. "Eigentlich singe ich lieber ernsthafte Partien in Opern der großen italienischen Komponisten", sagt der 32-Jährige, "aber die komischen machen natürlich auch Spaß."

Als Kind schon mal in Deutschland gelebt

Buyan Li wurde 1991 in Peking geboren und zog 2013 nach Deutschland, um seine Gesangsausbildung zu vertiefen. Seit 2023 ist er festes Ensemblemitglied des Gerhart-Hauptmann-Theaters. Mit der Musik kam er schon früh in Berührung, zuerst mit chinesischen, dann mit deutschen Kunstliedern. China hat selbst eine jahrhundertelange, aber volkstümliche Operntradition, auch die "Pekingoper" mit Tanz, Gesang, Akrobatik, Kampfkunst, Masken und viel Schminke ist in China verbreitet. "Doch das ist etwas völlig anderes", sagt Buyan Li, "ich interessiere mich zwar dafür, doch diese Tradition hat mich nicht beeinflusst."

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Dass er nahezu akzentfrei Deutsch spricht, liegt vermutlich daran, dass er als Kind schon einmal für ein Jahr in Deutschland, in der Nähe von Darmstadt, gelebt hat. "Mein Vater hat damals in der Firma seines Onkels gearbeitet, die sich mit In- und Export zwischen Deutschland und China beschäftigte", erzählt Buyan Li. "Damals ging ich in die Vorschule und konnte wohl recht gut Deutsch, sagen meine Eltern." Er selbst allerdings habe danach fast alles wieder vergessen und lernte die Sprache als Erwachsener noch einmal neu.

Freischaffend in der Corona-Zeit: schwierig und mühsam

Wegen dieses Aufenthalts der Familie während der 1990er Jahre war für Buyan Li ziemlich klar, dass er zum Studieren, wenn ins Ausland, dann nach Deutschland gehen würde. Nach dem Bachelorstudium in Peking ging er zunächst nach Mannheim, später schloss er in Karlsruhe ein extra Studium für Kunstlied an. Als er es beendet hatte, begann die Corona-Zeit, die Theater und Konzerthäuser waren geschlossen, niemand konnte einen Sänger beschäftigen.

Buyan Li machte sich als freischaffender Künstler selbstständig. "Aber das war sehr schwierig und mühsam in dieser Zeit." Er habe irgendwann kaum noch Hoffnung gehabt, in Deutschland Fuß fassen zu können. Doch dann tat sich am Gerhart-Hauptmann-Theater eine Chance auf und nach einigen Monaten als Gast wurde er als Nachfolger des Baritons Ji-Su Park erstmals fest engagiert.

Von der 20-Millionen-Stadt Peking nach Görlitz

"Das Vorsingen in Görlitz war mein letzter Versuch", sagt Buyan Li. "Wenn das nicht geklappt hätte, wäre ich vermutlich nach China zurückgegangen, wo ich nie eine Chance gehabt hätte, auf einer Bühne zu stehen." Die Riesenstadt Peking habe nur ein einziges Theater. Das sei zwar groß, reiche aber bei Weitem nicht für die 20 Millionen Einwohner aus. "Dann hätte ich mir einen Job als Gesangslehrer suchen müssen."

In Peking aufgewachsen, in Görlitz gelandet – die kulturellen Unterschiede sind sehr groß. "Aber beides hat Vor- und Nachteile", sagt Buyan Li. "In Peking ist alles schnell, laut, stressig, es gibt keine Pause", sagt Buyan Li. "Dafür ist alles zu jeder Zeit möglich, ob Einkaufen um Mitternacht oder Essen bestellen früh um vier." Görlitz sei im Gegensatz dazu sehr ruhig. Auch erlebe er die Menschen hier als entspannt und freundlich, aber das sei bereits im Vergleich zu Berlin, Frankfurt oder Braunschweig ein Unterschied.

"Doch manchmal fehlt mir Peking auch", sagt der Sänger, "deshalb besuche ich in den Sommerferien immer meine Eltern, die dort in einer kleinen Wohnung leben. Aber ein Monat Peking im Jahr reicht mir auch."

Oper im Apollo: reizvolle Herausforderung

In den beiden kurzen Opern, die am Freitag, 23. Februar, im Görlitzer Apollo Premiere haben, spielt Buyan Li jeweils Männer, die seinem Charakter widersprechen. Auch er selbst lebt seit acht Jahren in einer Beziehung, seine Freundin ist aber nicht mit nach Görlitz gekommen, sondern wohnt in Mannheim. Doch diese Aufregung, weil Ben in "Das Telefon" nicht zu seinem Heiratsantrag kommt, oder Gils eifersüchtiges Kopfkino in "Susannens Geheimnis", nur weil es nach Zigarettenrauch riecht: "Dazu würde ich es nicht kommen lassen", sagt Buyan Li, "da wäre ich von Anfang an viel direkter."

Aber es mache eben auch Spaß, sich in einer völlig anderen Rolle auszuleben. Man könne mit diesen fremden Eigenschaften spielen. "Und die Musik ist sehr schön." Einmal nicht auf der großen Bühne zu singen, sondern vor nur 80 Leuten im kleinen Apollo sei einerseits herausfordernd, weil die Distanz zum Publikum sehr gering ist. Andererseits müsse er, nur von Olga Dribas am Klavier begleitet, nicht so laut singen. "So kann man die Feinheiten der Musik besser ausloten", sagt Buyan Li, "das hat auch seinen Reiz."

Karten gibt es erst wieder für die Vorstellungen ab 1. März, die Premiere ist ausverkauft. [email protected], 03581 474747