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Görlitzer Theater macht Peter Pan zum Straßenjungen

Am Sonntag kommt der berühmte Stoff als Tanzstück für die ganze Familie auf die Bühne. Die Musik schrieb "West Side Story"-Komponist Leonard Bernstein.

Von Ines Eifler
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Filippo Nannucci (m.) als Peter Pan mit Ballettdirektor Marko E. Weigert (r.) und Chefchoreograf Dan Pelleg auf der Bühne des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz vor der Premiere des Tanzstücks.
Filippo Nannucci (m.) als Peter Pan mit Ballettdirektor Marko E. Weigert (r.) und Chefchoreograf Dan Pelleg auf der Bühne des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz vor der Premiere des Tanzstücks. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Peter Pan, der Junge, die sich weigert, erwachsen zu werden, der fröhlich und stark andere Kinder ermutigt, sich nicht alles sagen zu lassen. Der einfach durchs Fenster springt und plötzlich mit in die Hüften gestemmten Armen im Zimmer steht: "Hier bin ich, was geht?"

Diese Kultfigur hat schon zahlreiche Theater-, Film- und Hörspielmacher beschäftigt. Jetzt kommt Peter Pan auf die Bühne des Gerhart-Hauptmann-Theaters: mit der typischen Geste, mit der abenteuerlichen Kleidung eines Jungen in vollkommener Freiheit, mit einem Lachen im Gesicht und ohne seinen Schatten, weil der eigene Wege geht.

Durchs Fenster eines Waisenhauses

Erstmals kommt mit der Görlitzer Inszenierung, die am Sonntag, 21. Januar, Premiere hat, Peter Pan als Tanzstück mit Sologesang, Chor und Orchester auf eine deutsche Bühne. Dabei ist es Ballettdirektor Marko E. Weigert und Chefchoreograf Dan Pelleg gelungen, die Rechte an den Liedern zu bekommen, die Leonard Bernstein 1950 komponierte, sieben Jahre bevor dessen Musical "West Side Story" erschien.

Brieann Pasko übernimmt als Wendy eine der beiden Sologesangsrollen in "Peter Pan". Ihr zu Füßen: Filippo Nannucci als Peter.
Brieann Pasko übernimmt als Wendy eine der beiden Sologesangsrollen in "Peter Pan". Ihr zu Füßen: Filippo Nannucci als Peter. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Diese Lieder, deren Texte auch überwiegend Bernstein schrieb, ermöglichen teilweise eine andere Interpretation der Geschichte, die der schottische Schriftsteller James Matthew Barrie Anfang des 20. Jahrhunderts schrieb. Und Weigert und Pelleg ließen sich auf dieser Basis zu einer eigenen Version inspirieren. So steigt Peter Pan nicht durchs Fenster ins Kinderzimmer der Familie Darling, um das Mädchen Wendy zu besuchen. Sondern hinter dem Fenster schlafen in großen weißen Betten die Kinder, die das Ehepaar Darling in ihrem Waisenhaus beherbergt.

Vater Darling – der die Prinzipien Pünktlichkeit, Ordnung und Disziplin vertritt – wird zum strengen Hausherrn, der Kinder bestraft, wenn sie von seinen Regeln abweichen. Die Mutter wird zur guten Seele des Kinderheims, die das harte Auftreten ihres Mannes relativiert. Und Wendy, ihre Tochter, spielt mit den Waisenkindern, am liebsten aber mit Peter Pan, der nicht im Heim, sondern auf der Straße lebt und dort, in Freiheit, glücklich ist.

Kinder spielen ihre Fantasiewelt

Peters Welt ist in Buch und Filmen das Nimmerland, wo die "verlorenen Kinder" sich selbst organisieren und Käpt'n Hook sein Gegenspieler ist. "Wir aber wollen zeigen, dass die Kinder diese Welt nur spielen", sagt Dan Pelleg, "und dass der eigentliche Gegenspieler des kindlichen Entdeckerdrangs nicht Hook, sondern Prinzipien und starre Regeln sind."

Erwachsenwerden heiße schließlich, sich neuen Herausforderungen stellen zu können, keine Angst davor zu haben, immer wieder Anfänger zu sein, und mit Veränderungen konstruktiv umzugehen. Das verkörpere Peter Pan in seiner Weigerung, nicht so erwachsen zu werden, wie die Welt es verlangt. Das Verharren in festen Regeln aber – häufig als Erwachsensein missverstanden – bedeute Stagnation und Rückfall, verkörpert in Mister Darling.

Auf der Bühne nutzen die Waisenkinder alles, was sie für ihr "Hook- und "Peter-Pan"-Spiel verwenden können, stellen Betten um, verhängen sie mit Decken und ziehen zur Verwandlung ausgediente Kleider an. Einer der Jungen wird zu Hook, der die übertriebene Strenge des Waisenhausleiters parodiert. Ein Mädchen wird zur Fee Tinkerbell und der Junge von der Straße zu Peter Pan.

Alle Sparten wirken mit

Das Tanzensemble und der Chor wirken daran mit, spielen Piraten, Nymphen, die verlorenen Kinder und die Hauptfiguren. In Bernsteins Liedern haben nur zwei Figuren Sologesangsrollen: Käpt'n Hook, gesungen vom Görlitzer Bariton Buyan Li, und Wendy, gesungen von der Gastsängerin Brieann Pasko. Peter Pan wird in der Premiere von Filippo Nannucci und in der Zweitbesetzung von Jacob Borchert Vahlun getanzt.

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In der kleinen Fee Tinkerbell gibt es ein Wiedersehen mit Gilda De Vecchis, die in "Momo" die Titelrolle tanzte, und in der Zweitbesetzung mit Elise de Heer, die in "Momo" den Puppenjungen Bubiboy spielte.

Etwas, das zur Figur Peter Pan gehört, wird in der Görlitzer Inszenierung fehlen: "Unser Peter wird nicht fliegen", sagt Marko E. Weigert. Aufgrund des Wasserschadens auf der großen Bühne vom November 2022 ist die Technik für die Aufzüge außer Betrieb. Deshalb lassen sich Peter Pan oder die Fee Tinkerbell nicht an Seilen bewegen. Doch Illusionen kann das Bühnenbild von Markus Pysall mit den fantasievollen farbigen Projektionen dennoch zur Genüge bieten.

Das spartenübergreifende Tanzstück "Peter Pan" wird vor zwei reinen Tanzstücken im April und Mai das letzte große Werk sein, das Weigert und Pelleg als Tanzchefs am Gerhart-Hauptmann-Theater inszenieren. Für die Vorstellungen im Januar gibt es kaum noch Karten.