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Görlitzer Ballettschule verliert ihre neue Leiterin

Die Tanzpädagogin Christine Schramm gibt ihre Tätigkeit schweren Herzens auf. Aber eine Nachfolgerin für das nächste Schuljahr ist schon in Sicht.

Von Ines Eifler
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Seit einem Jahr leitet Christine Schramm die Ballettschule des Theaters in Görlitz, bald geht sie wieder. Zuvor aber ist ein Film im Filmpalast zu sehen, den die Schule statt einer Live-Vorstellung zeigt.
Seit einem Jahr leitet Christine Schramm die Ballettschule des Theaters in Görlitz, bald geht sie wieder. Zuvor aber ist ein Film im Filmpalast zu sehen, den die Schule statt einer Live-Vorstellung zeigt. © Martin Schneider

Wenn Christine Schramm in diesen Tagen die kleinen Ballettkostüme sortiert, kommen ihr schnell die Tränen. "Ich habe es selbst noch gar nicht richtig begriffen, dass ich bald nicht mehr hier sein werde", sagt die Tanzpädagogin.

Vor einem Jahr übernahm sie die Leitung der Ballettschule des Gerhart-Hauptmann-Theaters von Heike Laskowski, die ihre Ballettschülerinnen über viele Jahre mit Liebe und Strenge geschult, trainiert, zu Disziplin und zur Freude am Tanz erzogen hatte, bis sie in den Ruhestand ging. "Die Mädchen haben Frau Laskowski wirklich geliebt!", sagt Christine Schramm. Die letzte große Aufführung der Ballettschule hatte sie sich angeschaut und war bewegt vom Können der jungen Tänzerinnen.

Großes Erbe von Heike Laskowski

"Wenn man so ein großes Erbe antritt, hat man eine Verantwortung für die Kinder, die jemand anderes 'großgezogen' hat", sagt die 39-Jährige. Deshalb habe sie sich von Beginn an vorgenommen, genauso mit ihnen zu arbeiten, wie sie es von Heike Laskowski kannten. "Es hat natürlich eine Zeit gedauert und ich hatte Bedenken, dass es nicht so einfach wird, Vertrauen aufzubauen, aber inzwischen bin ich sehr glücklich über die gute Verbindung zu den Kindern."

Heike Laskowski leitete die Ballettschule des Görlitzer Theaters seit 2001, die letzten Jahre in der ehemaligen Neiße-Galerie, Elisabethstraße 10/11. Das Foto entstand 2019.
Heike Laskowski leitete die Ballettschule des Görlitzer Theaters seit 2001, die letzten Jahre in der ehemaligen Neiße-Galerie, Elisabethstraße 10/11. Das Foto entstand 2019. © Ines Eifler

Auch das Miteinander der Mädchen, die sich immer wieder gegenseitig etwas beibringen und einander helfen sowie die Gemeinschaft der "Ballettfamilien" und die Unterstützung durch die Eltern – all das kennenzulernen sei eine wunderbare und eindrucksvolle Erfahrung, die sie woanders noch nie gemacht habe.

Doch ihre Zeit am Görlitzer Theater endet demnächst schon wieder. Christine Schramm, die ursprünglich aus Markneukirchen im Vogtland stammt, hatte zuvor lange als freiberufliche Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin an verschiedenen Theatern in Ost und West sowie an Musikschulen in Berlin und Umland gearbeitet und sich dann entschieden, nebenberuflich Psychologie zu studieren.

Zeit als Tänzerin ist begrenzt

"Man weiß ja als Tänzerin, dass die Zeit in diesem Beruf begrenzt ist", sagt sie, "dass man von seinem Körper abhängig ist und einen Plan für die Jahre spätestens ab 50 braucht." Über viele Jahre sei sie von Berlin aus durch Deutschland gereist, um zu ihren verschiedenen Arbeitsorten zu kommen. Jede Woche, jeder Tag, jeder Einsatz musste gut geplant sein.

Ihren Bachelor in Psychologie absolvierte sie dennoch nebenher. In der Corona-Zeit, als die Theater und Schulen schlossen und Christine Schramm plötzlich kaum noch arbeiten durfte, entschied sie sich für ein Studium der Tanzwissenschaft, um die Zeit sinnvoll zu nutzen.

Einen Zugang zum Masterstudium Psychologie aber, das sie braucht, um später mal als Psychologin arbeiten zu können, bekam sie nicht so leicht. Als die Corona-Zeit zu Ende ging, sah sie die Görlitzer Ausschreibung zur Leitung einer Ballettschule. "Wo findet man das heute noch, dass sich ein Theater eine eigene Ballettschule leistet!", sagt Christine Schramm.

Schwere Entscheidung für eine Chance

Die feste Anstellung, die Vorstellung, endlich einmal für länger an einem Ort zu sein und nicht mehr so viel reisen zu müssen, auch die Zusammenarbeit mit festen Abteilungen wie Bühnenschneiderei, Werkstätten und Bühnentechnikern lockten sie. Als sie die Stelle bekam, trat alles so ein, wie sie es sich vorgestellt hatte. "Die Stadt ist so wunderschön, die Kinder sind toll, die Arbeit gefällt mir, es könnte so bleiben."

Doch dann kam unerwartet die Zusage zu ihrem Masterstudium nach einem längeren Auswahlverfahren. "Diese Chance bekomme ich nie wieder, wenn ich nicht annehme", sagt Christine Schramm. Erst überlegte sie, Studium und Ballettschule zu verbinden, beides nebeneinander zu schaffen. "Aber das ist zu viel." Freie Arbeit und Studium ließen sich mit guter Planung kombinieren, aber diese Aufgabe mit mehrmaligem Training pro Woche von fast 50 Kindern in sieben Ballettgruppen sei mit einem Studium nicht vereinbar.

Film statt Vorführung wegen Wasserschaden

Also geht Christine Schramm "mit zwei weinenden Augen", wie sie sagt, wieder in die Freiberuflichkeit, um nebenher ihren Master in Potsdam zu schaffen. Die Zeit bis dahin aber widmet sie sich ganz der Arbeit mit den Ballettkindern.

Als Aufführung am Ende dieser Spielzeit war eigentlich das Stück "Wunderwasserwelten" geplant, in dem ein Papierschiffchen auf Reisen geht, von der Quelle bis ins offene Meer, und Elfen, Feen und anderen Wesen an den Ufern tanzen. Doch dann durchkreuzte der Wasserschaden im Theater diese Pläne. Die große Bühne stand als Aufführungsort nicht mehr zur Verfügung, aus einem anvisierten Ausweichspielort wurde nichts.

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Das monatelange Training der Kinder wird aber trotzdem einen schönen Abschluss für die Kinder finden. Vom 19. bis zum 24. Juni organisiert Christine Schramm eine Tanzwoche in den Räumen der Ballettschule in der Elisabethstraße mit verlängerten Trainingszeiten, in denen die sieben Tanzgruppen einander ihre einstudierten Szenen zeigen und vielleicht auch Eltern zuschauen können.

Auswahlverfahren für neue Leiterin läuft

Einzelne Szenen werden dabei für einen Film aufgenommen, der am 20. August, dem letzten Ferientag, um 10.30 und 12.30 Uhr im Görlitzer Filmpalast zu sehen ist. "So können die Kinder nach der Vorstellung doch noch ihren verdienten Applaus bekommen", sagt Christine Schramm.

Für die Ballettschule geht es nach ihrem Weggang ganz regulär weiter. Damit es im Sommer hinter den Scheiben der Ballettschule nicht zu heiß für die Kinder wird, hat das Theater schon mal in den Wärme- und UV-Schutz investiert und entsprechende Folien am Schaufenster angebracht. Vor allem aber läuft das Auswahlverfahren für eine neue Leiterin. Und die Kandidatinnen, sagt Chefdramaturg Martin Stefke, seien aussichtsreich.