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Hirschfelder Flachsspinnerei: Kreis Görlitz reagiert auf Kritik an Verkaufsplänen

Die Umstände des geplanten Verkaufs der historischen Industriebrache sind umstritten. Auch wegen eines veralteten Wertgutachtens. Jetzt soll ein neues Klarheit schaffen.

Von Susanne Sodan
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Wie weiter mit der Alten Flachsspinnerei, das bewegt nicht nur Asylgegner.
Wie weiter mit der Alten Flachsspinnerei, das bewegt nicht nur Asylgegner. © privat

Der Verkauf der Alten Flachsspinnerei Hirschfelde wird doch nicht so eilig über die Bühne gehen, wie gedacht. Der Landkreis Görlitz reagiert auf Kritik aus der Öffentlichkeit und von Kreisräten und lässt ein neues Wertgutachten erstellen. Dieses soll Ende März vorliegen, teilt Kreissprecher Kevin Schlei mit. "Anschließend soll das Objekt mit Zustimmung des Kreistags meistbietend verkauft werden."

Eigentlich wollte der Landkreis die Alte Flachsspinnerei bereits vor einer Woche verkauft sehen. Der Technische Ausschuss sollte darüber entscheiden. Allerdings waren bereits in den Tagen zuvor Zweifel aufgekommen an dem geplanten Verkauf und vier Kreisräte des Technischen Ausschusses beantragten, dass wegen der besonderen Bedeutung des Themas der gesamte Kreistag beraten und entscheiden solle.

Wut in Hirschfelde hält an

Die Alte Flachsspinnerei, ein Gebäudekomplex aus dem Ende des 19. Jahrhunderts, war in den vergangenen Monaten oft in den Schlagzeilen. Aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen im vorigen Sommer und Herbst waren die Unterbringungskapazitäten des Kreises erschöpft, er suchte nach Immobilien für eine temporäre Unterbringung. In Boxberg und Görlitz entstanden zwei temporäre Asylheime - in Hirschfelde gab es dagegen massive Proteste. Der Landkreis hat inzwischen Abstand genommen von dem Vorhaben und hatte die Alte Flachsspinnerei vor rund einem Monat zum Verkauf ausgeschrieben.

Vorigen Sommer wurde bekannt, dass die Freie evangelische Gemeinde Görlitz (FeG) Interesse an dem Objekt hat. In einer Gemeindeversammlung war die Alte Flachsspinnerei Thema. Bisherigen Informationen nach will die FeG in Hirschfelde Freizeiten für sozial schwächere Kinder und Familien anbieten, jedoch ist die FeG aufgrund ihres Pastors - ein Mann, der zum Beispiel vorige Woche mit den Görlitzer "Montagsdemonstranten" ihr 200. Demo-Jubiläum feierte - in der Kritik.

Neues Gutachten soll Klarheit schaffen

Darauf gingen die vier Kreisräte im Technischen Ausschuss nicht ein. Sie begründeten ihre Zweifel mit dem veralteten Wertgutachten, das dem Mindestgebot bislang zugrunde lag. Der Landkreis hatte die Alte Flachsspinnerei online für nur zehn Tage öffentlich ausgeschrieben, für ein Mindestgebot von 200.000 Euro. Die FeG war der einzige Interessent. Laut der Ausschreibung liege ein Wertgutachten von 2017 zugrunde. Wie Steffen Ain von der Fraktion der Freien Wähler sagte, dürfe ein solches Gutachten aber nicht älter als zwölf Monate sein. Vor allem ging es um die Frage, inwiefern der Landkreis den historischen Industriekomplex unter Wert verkauft. Zumindest die Bodenrichtwerte hätten sich seit 2017 mit Sicherheit verändert, sagte Rietschens Bürgermeister Ralf Brehmer von der Fraktion SPD/Bündnisgrüne/KJik.

Finanzbeigeordneter Thomas Gampe verteidigte das Vorgehen des Kreises. Mehrere frühere Ausschreibungen seien erfolglos geblieben. Die Unterhaltung der Alten Flachsspinnerei, die seit 2019 leerstehe, habe in den vergangenen Jahren „deutliche Kosten verursacht“.

Doch nun kam die Kehrtwende beim Kreis. Veränderte Daten in der Wertermittlung auf der einen Seite, der Leerstand auf der anderen Seite: "Um alle Umstände zu beachten und eine Veräußerung unter Wert zu vermeiden, wurde ein neues Verkehrswertgutachten in Auftrag gegeben", begründet Kreis-Sprecher Kevin Schlei.

Nicht nur beim Kreis, auch in den sozialen Netzwerken war die Zukunft der Flachsspinnerei in den zurückliegenden Tagen Thema. Wichtig sei jetzt, so Joachim Schulze, Görlitzer Stadt- und Kreisrat für die Bündnisgrünen, "eine breite, auch überregionale Aufmerksamkeit auf das Objekt zu lenken." Er sah das Vorgehen des Landkreises bereits vor dem Technischen Ausschuss mit Skepsis, vor allem wegen zu weniger Informationen zu Objekt, Verkauf und künftiger Nutzung. Die Flachsspinnerei, so Schulze, sei keine beliebige Immobilie, "deren Erhalt und Weiternutzung so ganz nebenbei behandelt werden kann. Da sie im öffentlichen Eigentum ist, gibt es eine öffentliche Verantwortung", schreibt er in einem Facebook-Beitrag.

Zittau hofft auf Erhalt des Denkmals

Für eine professionelle Immobilienvermarktung, auch mit Blick auf die schwierige Haushaltslage des Kreises, plädiert der Ostritzer Thomas Göttsberger vom Stadtforum Görlitz, der bei der nächsten Kreistagswahl für die neue Wagenknecht-Partei antritt. Karsten Günther-Töpert, der wie Schulze im Görlitzer Stadtrat der Fraktion Bürger für Görlitz angehört, schreibt: "Die gesamte Immobilie ist sicherlich eine große Investition. Aber warum soll es nicht im In- und Ausland einen entsprechenden Interessenten geben?"

Manche der Fragen werden sich sicherlich mit dem neuen Wertgutachten klären lassen - aller Voraussicht nach aber noch nicht bis zum nächsten Zusammenkommen des Kreistages am 27. März. Hirschfelde gehört zur Stadt Zittau, die letztlich mit dem neuen Eigentümer und seinen Plänen wird agieren müssen. Zum Verkauf an sich will sich die Stadt Zittau aktuell nicht äußern, teilt Stadtsprecher Kai Grebasch mit. "Wir möchten nur wiederholen, was Oberbürgermeister Zenker schon länger und immer wieder auch gegenüber dem Landkreis sagt: Es liegt uns sehr am Herzen, dass die Immobilie in Nutzung kommt, damit dieses wichtige Denkmal der Industriekultur erhalten wird und eine Entwicklung erfährt."