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Görlitz: Das Ende der schönen Rosen in Weinhübel

Eine Firma aus Stuttgart hat die acht riesigen Gewächshäuser an der Fritz-Heckert-Straße gekauft. Sie errichtet eine Photovoltaik- Anlage, die etwa 500 Haushalte mit Strom versorgen kann.

Von Ingo Kramer
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Marcus Görsch (links) und sein Mitarbeiter Stephan Pohl im Januar 2022 in einem der Gewächshäuser in Weinhübel. Mittlerweile sind sowohl die Männer als auch die Rosen weg. Die Gewächshäuser werden umgebaut.
Marcus Görsch (links) und sein Mitarbeiter Stephan Pohl im Januar 2022 in einem der Gewächshäuser in Weinhübel. Mittlerweile sind sowohl die Männer als auch die Rosen weg. Die Gewächshäuser werden umgebaut. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Wer in diesen Tagen durch den hinteren Teil der Fritz-Heckert-Straße im Görlitzer Stadtteil Weinhübel läuft oder fährt, der wundert sich: Die acht riesigen Gewächshäuser, die hier in Reih und Glied stehen, sind die längste Zeit Gewächshäuser gewesen. Arbeiter sind momentan dabei, sie mit dunklen Blechen komplett einzuhausen, sodass sie eher wie Lagerhallen anmuten, nicht mehr wie Gewächshäuser.

„Ja, ich habe sie allesamt verkauft“, bestätigt Marcus Görsch, Chef des gleichnamigen Gartenbaubetriebes in Kreischa. Seit 2005 betrieb der Gartenbau Görsch die Weinhübler Gewächshäuser, nachdem die einstige GPG – zuletzt unter dem Namen „Zierpflanzen Neißestadt e. G.“ – den Betrieb am südlichen Stadtrand nicht mehr stemmen konnte und 2004 pleite ging.

Der Umbau läuft: Noch erkennt man innen, dass das mal ein Gewächshaus war. Die Frontseite aber ist schon verkleidet.
Der Umbau läuft: Noch erkennt man innen, dass das mal ein Gewächshaus war. Die Frontseite aber ist schon verkleidet. © Martin Schneider
Nur die Türen sind noch die Alten: So sehen die ersten Gewächshäuser mittlerweile aus.
Nur die Türen sind noch die Alten: So sehen die ersten Gewächshäuser mittlerweile aus. © Martin Schneider
Ein Foto aus dem Jahr 2016: Insgesamt acht solcher Gewächshäuser gab es an der Fritz-Heckert-Straße.
Ein Foto aus dem Jahr 2016: Insgesamt acht solcher Gewächshäuser gab es an der Fritz-Heckert-Straße. ©  Archivfoto: Matthias Weber
Gärtnermeister Lothar Franke holte seine Rosen von 2010 bis 2021 stets aus den Gewächshäusern in Weinhübel.
Gärtnermeister Lothar Franke holte seine Rosen von 2010 bis 2021 stets aus den Gewächshäusern in Weinhübel. ©  Archivfoto: Matthias Weber
Ein Blick in ein Gewächshaus im Jahr 2016, im Vordergrund Neupflanzungen.
Ein Blick in ein Gewächshaus im Jahr 2016, im Vordergrund Neupflanzungen. ©  Archivfoto: Matthias Weber

Görsch ging nicht pleite. Aber er sagt klar und deutlich: „Der Rosenanbau hat sich nicht mehr gelohnt.“ Zum einen sei alles immer teurer geworden: von den Löhnen über Transport und Energie bis hin zu Erde und Blumentöpfen. Zum anderen sei der Konkurrenzdruck durch Rosen aus Afrika und Südamerika sehr stark gewesen: „Die Menschen dort arbeiten für ganz andere Stundenlöhne.“ Entsprechend sind die Rosen aus Afrika im Supermarkt eben trotz des langen Transportweges viel billiger gewesen als seine heimischen Rosen auf dem Wochenmarkt. Es sei ohnehin schwer, die gestiegenen Kosten auf das Endprodukt umzulegen: Die Kunden müssen auch immer mehr aufs Geld schauen. Essen und trinken müssen sie weiter, aber bei Blumen lässt es sich sparen.

Am Ende rechnete sich der Rosenanbau in Görlitz für Görsch nicht mehr – und er verkaufte alles. Auch auf dem hiesigen Wochenmarkt gibt es keine Görsch-Rosen mehr. Ab dem Jahr 2010 wurden sie von Lothar Franke verkauft, vielen Görlitzern als der „Rosenmann“ bekannt. Franke holte die Rosen von hier und bereitete sie hier auch für den Verkauf vor. Im Herbst 2021 haben Görsch und Franke ihre Zusammenarbeit beendet – wegen Differenzen, hieß es damals. Danach fanden sich andere Verkäufer, die die Aufgabe im Jahr 2022 übernahmen. Franke ist trotzdem weiter auf dem Wochenmarkt präsent, verkauft nun Produkte von anderen Herstellern, darunter auch wieder Blumen, aber auch Eier, Gewürzgurken und anderes mehr.

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Rund 50.000 Rosenpflanzen wuchsen in Weinhübel. Görsch hat sie alle gerodet, also vernichtet: „Wir mussten die Gewächshäuser leer übergeben.“ Ein Umpflanzen an einen anderen Standort hätte sich nicht gelohnt: „Erfahrungsgemäß übersteht das mindestens ein Drittel der Pflanzen nicht – und die anderen sind dann auch nicht mehr so vital wie zuvor.“

Die einzig gute Nachricht: Stephan Pohl, der Mann, der sich vor Ort in Görlitz um die Gewächshäuser kümmerte, sei nicht arbeitslos geworden, sagt Görsch: „Herr Pohl war schon vorher freischaffend tätig und macht jetzt Gartenpflege und -gestaltung und kümmert sich um Gräber.“ Der Betrieb von Görsch läuft in Kreischa weiter. Dort baut er auch Rosen an: „Aber mit Görlitz habe ich komplett gebrochen.“

Käufer ist eine Genossenschaft aus Stuttgart

Käufer der acht Gewächshäuser ist die Consilium Erneuerbare Energien eG – eine eingetragene Genossenschaft mit Sitz in Stuttgart. „Wir errichten auf sämtlichen Dächern eine große Photovoltaikanlage mit insgesamt 4.400 Solarmodulen“, erklärt Geschäftsführer Erol Kiris. Insgesamt stehen 8.500 Quadratmeter Dachfläche zur Verfügung. Die Sanierung der Gebäude laufe aktuell. „Ich denke, wir werden im Herbst fertig sein“, sagt Kiris. Anschließend wird hier Strom erzeugt und ins Netz eingespeist, das heißt, an die Stadtwerke Görlitz verkauft: „Der Vertrag mit den Stadtwerken ist schon unterschrieben.“

Kiris rechnet damit, dass die Anlage über 1,6 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen kann: „Damit können wir rund 500 Drei-Personen-Haushalte das ganze Jahr lang mit Strom versorgen.“ Und was passiert im Inneren der Gewächshäuser? „Die Gebäude werden so hergerichtet, dass wir sie als Unterstellmöglichkeiten für Wohnmobile, Caravans und Ähnliches vermieten können“, sagt Kiris. Das sei momentan allerdings noch nicht so weit. Anfragen bezüglich Stellplätzen lohnen sich derzeit also noch nicht. „Unser Geschäft sind Photovoltaikanlagen“, erklärt Kiris. Die Genossenschaft kümmert sich um die gesamte Anlage, auch die Wartung wird später von ihr übernommen.

Schaut man sich die Landkarte auf der Internetseite der Firma an, wird klar: Görlitz ist kein Einzelfall. Die Firma hat im gesamten Bundesgebiet Photovoltaikanlagen errichtet, vornehmlich jedoch in den neuen Bundesländern. Sächsische Standorte gibt es unter anderem in Pirna, Coswig und Döbeln. Der Landkreis Görlitz indes ist auf der Karte derzeit noch ein weißer Fleck. Aber nicht mehr lange. Wenn die Anlage an der Fritz-Heckert-Straße fertig ist und eingeweiht wird, will Kiris sogar den sächsischen Umweltminister nach Görlitz einladen: „Das wird eine Riesenanlage, die sich sehen lassen kann.“