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Lebenshilfe aus erster Hand: Wenn Banken und Unternehmen in Schulen gehen

Die Wirtschaft drängt in die Schulen im Kreis Görlitz. Sie will informieren über Finanzthemen, Unternehmertum. Nicht jedes Angebot stößt aber auf Gegenliebe. Hier kommen ein paar gute Beispiele.

Von Sebastian Beutler
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Ramona Kleinwächter (v. li.) und Matthias Hoyer von der IHK zusammen mit den angehenden Kaufleuten Carolin Berthold, Tobias Sonnenberg, Sarah Brösel beim Workshop über Unternehmertum.
Ramona Kleinwächter (v. li.) und Matthias Hoyer von der IHK zusammen mit den angehenden Kaufleuten Carolin Berthold, Tobias Sonnenberg, Sarah Brösel beim Workshop über Unternehmertum. © Martin Schneider

Für die angehenden Kaufleute war es eine willkommene Abwechslung. Am Mittwochmorgen kam die IHK zu ihnen in das Görlitzer Berufsschulzentrum. Zusammen mit den Experten konnten die jungen Leute über das Gründen von Unternehmen sprechen, sich austesten und eine Vorstellung davon bekommen, was es heißt, ein Unternehmen zu führen.

Schon vor der Corona-Pandemie hatte die IHK in Görlitz mit der sachsenweit einmaligen Aktion "Unternehmertum in Schulen" begonnen. Denn der Bedarf ist riesig. Das weiß auch Frank Großmann von der IHK. In den kommenden Jahren geht eine ganze Unternehmergeneration in den Ruhestand, nicht in jedem Fall ist die Nachfolge gesichert.

Das Thema gewinnt auch durch den Kohleausstieg und die zahlreichen neuen Forschungsinstitute an Gewicht. Im Kreis Görlitz soll sich eine neue Gründerkultur entwickeln, um neue Produkte herzustellen und neue, sichere Arbeitsplätze aufzubauen. Die Handelshochschule Leipzig hat dazu gerade extra einen Ableger ihrer Gründerberatung in Görlitz angesiedelt. Ein erstes Projekt versucht, israelische Gründer mit ihren Ideen und Firmen in der Oberlausitz zusammenzubringen.

Schulbehörde: Zusammenarbeit prinzipiell möglich

Jetzt, wo es wieder möglich ist, in die Schulen zu gehen, will die IHK das Programm ausweiten. Bislang erleben Schüler beispielsweise in Boxberg, Niesky, Löbau, am Görlitzer Berufsschulzentrum, an der Oberschule Innenstadt in Görlitz und am Augustum-Annen-Gymnasium die Workshops, bei denen Mentoren wie der Görlitzer Autohändler Raimund Kohli oder der Löbauer Pressegroßhändler Frank Miethke beteiligt sind.

Immer mehr Schulen, so beschreibt der Görlitzer IHK-Geschäftsstellenleiter, Frank Großmann, seinen Eindruck, öffnen sich dieser Form der Zusammenarbeit. Die IHK hat die Unterstützung des Landesamtes für Schule und Bildung gesucht und gefunden. Das ist ein geschickter Schachzug, denn für die Schulen ist damit klar, das Angebot der IHK ist geprüft und als sinnvoll eingeschätzt worden.

Das ist wichtig, denn Clemens Arndt vom Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) erzählt, dass die "Qualität der Angebote für Lehrkräfte bei unbekannten Anbietern oftmals schwer einschätzbar ist". Deren Prüfung mache Arbeit, auch müssten Unternehmer manchmal Termine absagen, weil sie anderswo benötigt werden. Auch das erschwert die Planbarkeit. Prinzipiell sei aber gegen eine Zusammenarbeit mit externen Wirtschaftsunternehmen nichts zu sagen. Das Wichtigste sei einfach, erklärt Arndt: "Die Schulen müssen vermeiden, dass Firmen die Veranstaltungen für reine Werbezwecke nutzen."

In den vergangenen Jahren hat sich ein ziemlich vielfältiges Geflecht zwischen den Unternehmen, den Wirtschaftsverbänden und dem sächsischen Schulwesen herausgebildet. So bestehen in jedem Landkreis Arbeitskreise Schule-Wirtschaft, auch gibt es eine Regionalkoordination der beruflichen Orientierung in jedem Landkreis, die IHK bietet Schulpartnerschaften von Unternehmen an. In verschiedenen Fächern an Gymnasien, Oberschulen oder Berufsschulen spielen die Themen Wirtschaft und Unternehmertum eine Rolle. 150 Schülerfirmen arbeiten nach Angaben von Lasub-Pressesprecher Clemens Arndt gegenwärtig in Sachsen.

Keine Nachfrage für Angebot der Volksbank/Raiffeisenbank Niederschlesien

Noch vor einigen Jahren war das anders. So bot vor knapp zehn Jahren die Volksbank/Raiffeisenbank Niederschlesien Themen rund um die finanzielle Bildung von Oberschülern an. Gerade junge Menschen überschulden sich, um ihre Wünsche wie ein teures Handy oder coole Klamotten zu erfüllen. Für Fiedler war damals klar, man könne nicht rechtzeitig genug anfangen, sie über Finanzfragen aufzuklären, sozusagen als Lebenshilfe aus erster Hand.

Zusammen mit verschiedenen Partnern sollten dabei die Schüler über Miete und Nebenkosten, über Versicherungen und Ratenkredite informiert werden. "Aufgrund mangelnder Nachfrage haben wir das leider nicht mehr fortgeführt", erklärt Vorstand Sven Fiedler. Aus seiner Sicht wäre es ein großer Vorteil für die Schüler, wenn sie Praktiker erleben und dadurch auch besser Fragen beantwortet bekommen und einen höheren Lernwert erzielen. Falls ein solches Projekt wieder von Interesse ist, signalisiert Fiedler auch jetzt, gerne zur Verfügung zu stehen.

Auch die Sparkasse Oberlausitz/Niederschlesien und die Deutsche Bank haben mittlerweile auf Schüler zugeschnittene Programme für die Finanzbildung. Natürlich gibt es dabei auch immer eine Online-Version. Aber die persönliche Vermittlung empfinden alle als die bessere Variante. "So geht Geld", heißt es bei der Deutschen Bank. Doch der Görlitzer Filialleiter Daniel Härtel beklagt, dass "unser Angebot, praxisnah in Schulen darüber zu referieren, leider noch zu oft auf taube Ohren bei den Entscheidungsträgern fällt".

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In der Rothenburger Oberschule war das anders. Die Schule hält engen Kontakt zur Wirtschaft, erst vor wenigen Tagen präsentierten sich Unternehmen in der Turnhalle und warben um künftige Lehrlinge. Gerade bei der Berufsorientierung, die viel stärker als in früheren Jahren an Oberschulen verpflichtend vorgesehen ist, ist diese Zusammenarbeit wichtig, sagt Schulleiter Gerold Schulz. Über die Schulsozialarbeiterin kam der Kontakt zur Deutschen Bank zustande. Eine Doppelstunde vor zwei Wochen war die Folge. Und Schulleiter Schulz fasst die Reaktionen der Schüler so zusammen: "Könnte öfter stattfinden."

Wirtschaft drängt darauf, größere Rolle im Unterricht zu spielen

Vertreter der Wirtschaft drängen daher prinzipiell darauf, wirtschaftlichen Themen stärker im Unterricht zu vermitteln. Neben Finanzfragen steht dabei das Unternehmertum im Mittelpunkt. So veröffentlichte die Handwerkskammer Dresden erst vor zehn Tagen eine Umfrage unter ihren Mitgliedern zum Thema. Dabei gaben 80 Prozent der Befragten an, dass Unternehmertum in Schulen eine größere beziehungsweise überhaupt eine Rolle spielen sollte. Um das Thema Selbstständigkeit wirksam in den Schulalltag zu integrieren, empfiehlt der Präsident der Handwerkskammer, Jörg Dittrich, wirtschaftliche Themen mit echtem Praxisbezug in allen Lehrplänen, digitale Unternehmensplanspiele oder spezifische Ganztagsangebote zum Thema Start-ups.

Beispielhaft läuft das in Görlitz am Augustum-Annen-Gymnasium. Dort können sich Schüler aus dem Wirtschaftskurs schon seit Jahren an dem Wettbewerb "Business at School" der Beratungsfirma Boston Consult Group beteiligen. Vertreter der Wirtschaftsjunioren coachen die Schüler. So erfanden vor zwei Jahren Görlitzer Elftklässler Gemüsechips und belegten damit sogar Platz drei auf Bundesebene. Dass es nicht zur größeren Produktion kam, lag vor allem daran, dass die Wege der Schüler nach dem Abitur auseinandergingen.

Hinweis: Unternehmen, die mit Schulen zusammenarbeiten wollen, wenden sich am besten an den Arbeitskreis Schule-Wirtschaft, im Kreis Görlitz ist dafür Ansprechpartnerin Saskia Heublein bei der Eno in Görlitz unter Telefon: 03581 329010 oder per E-Mail: [email protected].