SZ + Görlitz
Merken

Görlitzer Hotel punktet mit 5-Sterne-Betten im alten Mehl-Lager

Das Hotel Obermühle liegt direkt an der Neiße. Die nächste Saison könnte Rekorde übertreffen, glaubt Obermühlen-Chef Jörg Daubner. Was ihn und die Tourismus-Branche in Görlitz beschäftigt.

Von Jonas Niesmann
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Mal ehrlich: Wer macht's nicht als erstes, wenn er in ein Hotelzimmer kommt? Jörg Daubner demonstriert die Fluffigkeit seiner Boxspringbetten.
Mal ehrlich: Wer macht's nicht als erstes, wenn er in ein Hotelzimmer kommt? Jörg Daubner demonstriert die Fluffigkeit seiner Boxspringbetten. © Martin Schneider

Wenn man wissen will, wie es den Hotels in Görlitz geht, fragt man am besten Jörg Daubner. Er ist Vorsitzender des Tourismusvereins Görlitz und auch der Chef des Hotels Obermühle. Dieses Jahr feiert sie ihr 25-jähriges Jubiläum, und in der Zeit hat sich eine Menge getan in der alten Mühle. Grund genug für einen Besuch.

Jörg Daubner sitzt an einem Tisch seines Restaurants, draußen vor dem Fenster fließt die Neiße vorbei. Er erzählt, wie er als Junge bei dem kleinen Imbissstand mithelfen musste, den seine Mutter errichtet hatte, weil nach der Wende das Mehlmalen nicht mehr lohnte. "Als ich 18 wurde, hat sie mich dann aus meinem Zimmer geschmissen, das wurde dann vermietet. So romantisch sind Familienunternehmen", sagt Daubner und lacht.

Inzwischen ist er 37 Jahre alt, studierter Wirtschaftsphilosoph und wacht über ein Hotel mit 13 Zimmern, eine Brauerei, eine Destillerie, einen Bootsverleih und ein Catering. In der fast 200 Jahre alten Mühle hat sich einiges verändert: Nach der Übernahme der Pension von seiner Mutter im Jahr 2016 hat Daubner aufwendig renoviert und neue Zimmer in die ehemaligen Lager- oder Maschinenräume gebaut. Dort, wo sich früher die Mehlsäcke stapelten, nächtigt man jetzt in komfortablen, modernen Hotelzimmern.

Alle 13 sind einen Besuch wert, aber die besonderen sind die drei im hinteren Teil des Gebäudes. Auch sie sind weiß getüncht und einladend, aber hier war es Daubner wichtig, den Charme des alten Gebäudes zu erhalten. Die Zimmer sind rustikal, mit verwitterten Eichenmöbeln und durch ihre Altbau-Fenster selbst an einem bewölkten Tag lichtdurchflutet. An einer der Türen blättert die Farbe ab. "Nichts hier ist perfekt, aber das ist auch nicht der Ansatz", sagt Daubner. Die historischen Mühlenzimmer seien bei den Gästen inzwischen die beliebtesten. An Komfort mangelt es übrigens auch dort nicht: die Boxspringbetten seien auf dem Niveau eines Fünf-Sterne-Hotels, sagt Daubner, und man hört einen bei ihm seltenen Anflug von Stolz heraus.

Mit wenig Aufwand Neues schaffen

Schon lange bewirtet er nicht mehr nur Radfahrer, die auf dem Oder-Neiße-Weg unterwegs sind. Es kämen Gäste aus ganz Deutschland, wegen der Stadt, aber auch wegen seines besonderen, nachhaltigen Ansatzes. Aber der ist nochmal ein Text für sich. Das Hotel ist auch bei Hochzeitsgesellschaften beliebt, wobei Buchungen höchstens ein Jahr im Voraus erlaubt sind. "Leute, die ihre Hochzeit länger im Voraus planen, sind mir suspekt", sagt Daubner. Man weiß immer nicht so genau, was er ernst meint und was nicht.

Man merkt aber schnell, dass es Jörg Daubner Spaß macht, was er hier macht. "Das tolle am Hotelgewerbe ist, dass man mit wenig Aufwand etwas Neues schaffen, neue Konzepte ausprobieren kann." Und an besonderen Konzepten mangelt es hier nicht: Daubner erzählt ebenso begeistert von der Wasserkraftanlage, die das gesamte Hotel mit Strom versorgt, wie von seinem neuen Micro-Greens-Projekt, bei dem er in einem alten Lagerraum Pilze und Sprossen züchten will. "Ich mache hier einfach das, worauf ich Bock habe", sagt er.

Dazu gehört manchmal auch das hauseigene Wehr von Treibholz reinigen. Statt einen seiner 33 Angestellten mit Motorsäge und Anglerhose in die Neiße waten zu lassen, macht Jörg Daubner das am liebsten selbst – "Haben Sie als Kind nicht gerne Dämme gebaut?" Was er zwischen den angeschwemmten Stämmen manchmal so findet, möchte er aber lieber nicht in der Zeitung stehen haben.

Nachhaltigkeit ist hier kein Marketingkonzept

Da redet er schon lieber über seine Prinzipien. Daubner ist es wichtig, mit der Obermühle einen nachhaltigen Ansatz zu verfolgen. Er ist Mitbegründer einer solidarischen Landwirtschaft, legt großen Wert auf Bio-Produkte und stellt dabei die Wirtschaftlichkeit hinten an. "Solange es bei null herauskommt, bin ich meistens dabei", sagt er. Verstehen würde das nicht jeder: "Mit meiner Ideologie wäre ich in Berlin vielleicht besser aufgehoben", sagt er lachend und schiebt schnell hinterher: "Aber in Berlin kann man eben auch kein eigenes Feld bestellen, und alles ist so anonym." In Görlitz hingegen fühle er sich tief verwurzelt.

  • Hier können Sie sich für unseren kostenlosen Görlitz-Niesky-Newsletter anmelden.

Sein ganzes Leben will er die Obermühle aber wohl nicht leiten. "Es gibt so eine Regel in der Wirtschaftslehre, die besagt: Nach zwölf Jahren Management wird man für das Unternehmen eher zur Belastung." Als Beispiel führt er Angela Merkel und Joachim Löw an, den ehemaligen Fußball-Bundestrainer. Wenn es bei ihm mal so weit ist, könne er sich ein Häuschen in Italien vorstellen. Gemüse anbauen will er dort weiter. Doch bis dahin gibt es noch viel zu tun.

Aktuell ist noch wenig los, in der Obermühle sind fünf der 13 Zimmer belegt. Der August sei aber bereits zu 70 Prozent gebucht, die Wochenenden sogar schon komplett. Die Saison verspricht noch besser zu werden als die Rekordsaison des vergangenen Jahres: Da waren in Görlitz so viele Übernachtungen wie noch nie registriert worden.

Doch ganz so rosig sei die Lage dann doch nicht, sagt Daubner: Zunächst mal seien die hohen Übernachtungszahlen durch die vielen Bundespolizisten verfälscht. Höhere Energiekosten und teurere Lebensmittelpreise setzen den Betrieben zu: Im Jahr 2022 hätte die Branche zwischen 15 und 24 Prozent Mehrkosten gehabt.

Die Branche jetzt nicht auch noch schröpfen

Dazu komme der Fachkräftemangel: Die neue Generation habe "keinen Bock mehr auf unsägliche Arbeitszeiten, autoritäre Strukturen und schlechte Bezahlung obendrauf." Die Hotel- und Gastronomiebranche sei schon jetzt auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Gleichzeitig sei der steigende Mindestlohn eine Belastung: "12,41 Euro ist hier in der Region eine Menge Holz." Da werde es langsam schwierig, Hilfskräfte anzustellen.

Von einer Bettensteuer, wie sie unlängst diskutiert wurde, hält er deshalb überhaupt nichts. In Görlitz gebe es auch nochmal die besondere Situation, dass die Grenze zu Polen so nahe sei – in Daubners Fall nur ein paar Schwimmzüge entfernt. Mit den Hotels dort stünde man in direkter Konkurrenz, obwohl dort viele Abgaben entfallen und die Löhne und Kosten geringer seien. Deshalb könnten auf der anderen Flussseite bereits jetzt viel niedrigere Preise aufgerufen werden. "Ihr könnt uns jetzt nicht noch zusätzlich schröpfen", sagt Daubner an die Politik gerichtet. Trotzdem wolle man sich keinen Gesprächen verweigern.

Görlitz soll als weltoffen wahrgenommen werden

Miteinander zu reden ist Daubner wichtig. Besonders wünscht er sich als Vorsitzender des Tourismusvereins einen "Zweckverband Berzdorfer See", wo alle Interessensgruppen sich zusammensetzen und über die Entwicklung des Sees als attraktive touristische Destination sprechen. Außerdem will der Tourismusverein in Zukunft verstärkt internationale Gäste ansprechen. Wichtig sei, die Verkehrsinfrastruktur für Gäste zu verbessern: So sei es neben Parkplatzmangel zum Beispiel zu gewissen Tageszeiten extrem schwierig, ein Taxi zu bekommen.

Von der Politik wünscht sich Daubner eine engere Zusammenarbeit. Der Tourismus sei eine der wichtigsten Branchen in Görlitz. "Das sehe ich noch nicht so in der Politik gespiegelt." Da sei man aber auf einem guten Weg. Seine politische Meinung stellt Daubner bei solchen Gesprächen hinten an: "Wir sprechen als Tourismusverein mit Mitgliedern aller Parteien, und die Zusammenarbeit war bisher auch immer produktiv." Ein klares Anliegen habe man dennoch: Dass Görlitz als weltoffene Stadt wahrgenommen wird, die nicht mit fremdenfeindlichen Meinungen assoziiert wird. Denn danach würden Gäste immer wieder fragen.