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Das älteste Ehepaar von Görlitz wird 200

Charlotte und Gerhard Wünsche sind mehr als 70 Jahre verheiratet, leben im eigenen Haus, sind Formel-1-Fans und spielen am Computer.

Von Ingo Kramer
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Das älteste Ehepaar von Görlitz: Charlotte und Gerhard Wünsche werden am 26. Dezember 200 Jahre alt – zusammen genommen. Das Foto entstand voriges Jahr zu ihrem 100. Geburtstag im Garten der beiden.
Das älteste Ehepaar von Görlitz: Charlotte und Gerhard Wünsche werden am 26. Dezember 200 Jahre alt – zusammen genommen. Das Foto entstand voriges Jahr zu ihrem 100. Geburtstag im Garten der beiden. © Nikolai Schmidt

Als Charlotte Wünsche im September vorigen Jahres ihren 100. Geburtstag bei bester Gesundheit in ihrem Haus in Görlitz-Biesnitz feierte, gab sie schon das nächste Etappenziel aus: Den 100. Geburtstag ihres Mannes Gerhard in zweieinhalb Jahren mitzuerleben. Mit ihm war sie damals schon gut 70 Jahre verheiratet.

Am 26. Dezember nun ist Halbzeit auf dem Weg zwischen ihrem 100. und seinem 100. Geburtstag. Oder anders gesagt: Rechnet man das erreichte Lebensalter von beiden exakt auf den Tag genau zusammen, dann sind sie am zweiten Weihnachtsfeiertag glatt 200 Jahre alt. Und das Beste: Beide sind noch so gesund und fit wie zu ihrem runden Jubiläum im Vorjahr.

Seit 90 Jahren im gleichen Haus

Charlotte Wünsche wurde in Holtendorf geboren und ist auf dem Mühlehof in Girbigsdorf groß geworden. Gerhard Wünsche stammt aus Gersdorf. Er ist der Sohn eines Schmiedemeisters und Landwirts. Ihr Vater hat 1929/30 das Haus gekauft, in dem die beiden bis heute leben. Zum Haus gehörte stets ein großer Garten, in dem die Familie fast alles selbst anbaute. Mit Sohn, Schwiegertochter und einem Enkel blieb ihre Familie sehr klein.

Beruflich hat Charlotte Wünsche vieles gemacht, war zunächst Haushaltshilfe, hat dann Weißnäherin gelernt, Bettwäsche und Hemden genäht, bei den Bäckern Opitz, Brückner und Vogt im Verkauf gearbeitet, zwischendrin für die Gewerkschaft Beiträge kassiert und als Rentnerin für die Kirchgemeinde Geld kassiert und Kirchenblätter ausgetragen. Mit Kopfrechnen hatte sie immer zu tun, bis heute ist sie darin schnell. „Registrierkassen gab es ja noch nicht“, sagt sie fast entschuldigend.

Vor 80 Jahren in den Krieg eingezogen

Auch Gerhard Wünsche hatte ein langes Berufsleben. Auf der Görlitzer Weberstraße wurde er zum Schlosser ausgebildet. Täglich pendelte er von Gersdorf in die Stadt – im Sommer mit dem Fahrrad, im Winter per Bahn. Mit 19 Jahren wurde er in den Krieg eingezogen und musste als Kraftfahrer durch ganz Europa fahren. Verwundet kehrte er in die Heimat zurück und arbeitete nach dem Krieg als Schmied im Waggonbau, später als Schlosser im Oberlausitzer Textilveredlungswerk und schließlich bis zur Rente bei der Ofenbaufirma Jank auf der Jakobstraße.

Hobbys hatte er stets zur Genüge: Als Jugendlicher in Gersdorf spielte er Feldhandball und Gitarre, nach dem Krieg musizierte er im Mandolinenorchester und kegelte im Tivoli. Vor zwei Jahren hat er beim Aufräumen im Haus sein altes Schifferklavier wiedergefunden. Gerhard Wünsche hat es prompt zur Hand genommen – und ein paar Melodien gespielt, die er nicht vergessen hatte. Seiner Frau kam das Nähen immer zugute: An ihre alte Singer-Nähmaschine setzt sie sich bis heute viel und gern. Nennenswerte körperliche Einschränkungen hat sie nicht. Nur ihr rechter Arm schläft manchmal ein. „Das muss überwunden werden“, sagt sie entschlossen. Sie läuft ohne Stock und macht noch alles allein, klettert zum Gardinenabnehmen auf die Leiter, jätet im Garten das Unkraut, fährt mit dem Bus zum Friseur nach Polen.

101-Jährige bewirtschaftet Garten

Ihr größtes Glück: Ihr Ehemann Gerhard ist auch noch recht fit. Mit dem Laufen hat er zwar Probleme, aber ein bisschen Sport treibt er jeden Morgen. Unter anderem trainiert der knapp 99-Jährige mit Hanteln. Haus und Garten in Biesnitz bewirtschaftet wegen seiner Gehprobleme vor allem die 101-jährige Charlotte Wünsche, unterstützt von ihrem 1951 geborenen einzigen Sohn Bernd, dem Schlaurother Ortsvorsteher, und dessen Frau.

Der Tag seiner Eltern ist klar strukturiert: Am Morgen lesen Charlotte und Gerhard Wünsche gemeinsam die SZ. Am Vormittag setzt er sich dann an den Computer – zum Kartenspielen. Wenn er sich zum Mittagschlaf hinlegt, spielt seine Frau Computerspiele. Zur Vesper gibt es täglich Kuchen. Darauf legt er großen Wert. Schon während seiner Lehrjahre holte er täglich auf dem Nachhauseweg Kuchen. Wird im Fernsehen Formel 1 übertragen, braucht der Sohn nicht vorbeikommen. Seine Eltern verfolgen alle Rennen, kennen die Fahrer. Auch Skispringen schauen sie gern. Bis vor drei, vier Jahren sind sie auch noch zum Tanzen ins Schlesische Tor gegangen. Wenn er keine Probleme mit dem Laufen hätte, hätten sie damit nicht aufgehört.

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