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Neue Görlitzer Bühnenbildnerin lässt 900 Kilogramm schweren Baum umtanzen

Nadine Baske kam im Herbst als neue Ausstattungsleiterin ans Görlitzer Theater. Für das Tanzstück "Wabi-Sabi" hat sie eine japanisch anmutende Bühne entworfen.

Von Ines Eifler
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Nadine Baske ist die neue Ausstattungsleiterin des Görlitzer Theaters. Von ihr stammt das Bühnenbild mit einem 900 Kilogramm schweren Baum für das Tanzstück Wabi-Sabi.
Nadine Baske ist die neue Ausstattungsleiterin des Görlitzer Theaters. Von ihr stammt das Bühnenbild mit einem 900 Kilogramm schweren Baum für das Tanzstück Wabi-Sabi. © Martin Schneider

Ein Baum, der für Generationen von Leben steht, der auch im hohen Alter immer wieder Blüten, Grün und Früchte hervorbringt und der mit seinen Höhlen, Ästen und Blättern Schutz und Schatten spendet – ein solcher Baum ist das Zentrum der neuen Tanzinszenierung des Görlitzer Theaters "Wabi-Sabi".

"Es sollte bewusst kein idealer, natürlich wirkender Baum sein wie im Märchen", sagt Nadine Baske, die neue Ausstattungsleiterin im Görlitzer Theater und Gestalterin des Bühnenbildes. "Sondern ein Baum im Industrie-Schick, der zugleich für unsere Zeit steht und das japanische Prinzip Wabi-Sabi vermitteln kann."

Unvollkommen statt perfekt

Der Baum ist hohl und wird "betanzt".
Der Baum ist hohl und wird "betanzt". © Pawel Sosnowski
Nacktszenen sind Teil von "Wabi-Sabi".
Nacktszenen sind Teil von "Wabi-Sabi". © Pawel Sosnowski
Choreografie der männlichen Tänzer zu Techno als Gegensatz ...
Choreografie der männlichen Tänzer zu Techno als Gegensatz ... © Pawel Sosnowski
... zu Nachhaltigkeit und Anmut.
... zu Nachhaltigkeit und Anmut. © Pawel Sosnowski

Wabi bedeutet, sich elend und verloren oder einsam-still zu fühlen. In Verbindung mit Sabi, japanisch für Alter und Reife, wird daraus eine Haltung, die das Unvollkommene, Verhüllte statt glänzender, vollkommener Schönheit schätzt. Für die Schöpfer und Choreografen des Stücks Marko E. Weigert und Dan Pelleg bedeutet Wabi-Sabi auch die Kritik an der Konsum- und Wegwerfgesellschaft, die Wertschätzung des Vergänglichen und den achtsamen Umgang mit Körper und Geist.

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Während die Tänzer diese widerstreitenden Prinzipien verkörpern, enthält Nadine Baskes Baum das Bild einer Frauenstatue ohne Kopf und Arme, wie sie einst im Perserschutt der Akropolis gefunden wurden. Doch goldene Verzierungen heben die Risse in der Oberfläche als etwas Besonderes hervor. Und der viele Meter lange Rock der Figur aus dünnem Stoff dient dazu, immer wieder Schönheit zu verbergen und zu enthüllen.

Aufbau des schweren Baums ohne Kraft der Seilzüge

Damit sich das Innere des vom Maschinenbau Schöpstal gebauten Baums für das Publikum öffnet, lässt er sich auf Rollen drehen. Und damit die Tänzer ihm entsteigen, ihn begehen oder beklettern können, hat er ein ordentliches Gewicht. Für ein vollständig funktionstüchtiges Theater wäre ein fast tonnenschwerer Baum in der Bühnenmitte keine größere Herausforderung. Für das seit dem Wasserschaden 2022 ohne Kulissenzüge und ohne Drehscheibe arbeitende Görlitzer Theater aber schon.

"Allein die oberen, leichteren Teile wiegen jeweils 120 Kilogramm", sagt Nadine Baske. Die Bühnentechniker hätten mit Leitern und großer Kraft alles möglich gemacht, um den insgesamt rund 900 Kilogramm schweren, fast fünf Meter hohen Baum ohne die maschinelle Hilfe der Seilzüge aufzubauen.

Auch die Tänzer leisten Besonderes für die Inszenierung "Wabi-Sabi", die am 13. April ihre Uraufführung erlebt. Denn einige treten nackt auf - so authentisch, wie von der Natur geschaffen, aber auch so unverhüllt und verletzlich. Andere tragen Kostüme, die ebenfalls Nadine Baske gestaltet hat.

Tanzbühnen müssen Bewegungsfreiheit bieten

Bevor die gebürtige Aachenerin nach Görlitz kam, war sie nach einer Zeit in Kiel einige Jahre als freiberufliche Bühnen- und Kostümbildnerin an verschiedenen Theatern unterwegs und zog dann nach Dresden, wo sie nach wie vor wohnt. In Görlitz leitet sie die Werkstätten und stattet immer wieder Inszenierungen aller Sparten aus. Nach dem Weihnachtskonzert 2023 ist "Wabi-Sabi" nun ihre Zweite in Görlitz, mit "Mina oder die Reise zum Meer" folgt demnächst die Dritte.

Gehe es bei Konzert und Oper eher darum, durch die Bilder Ort und Zeit zu visualisieren, und bei Schauspiel darum, viele Handlungsmöglichkeiten zu bieten, seien für die Tänzer vor allem freie Fläche und größte Bewegungsfreiheit wichtig, sagt Nadine Baske. So entstehen die Stimmungen bei "Wabi-Sabi" platzsparend durch eindrucksvolle Projektionen auf einer japanischen Wand, farbiges Licht und minimale Mittel mit großer Wirkung.

Premiere im Görlitzer Theater: 13. April, 19.30 Uhr. Danach am 14. April, 15 Uhr, sowie am 19., 20., 26., 27. April jeweils 19.30 Uhr. Karten: 03581 474747; [email protected]