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Ostern und Israel: Das berührt den Görlitzer Tanzchef Dan Pelleg in diesem Jahr besonders

Dan Pelleg ist in Israel geboren, er lebt seit Jahren in Deutschland, im Sommer endet seine Zeit in Görlitz. Jetzt sprach er in der Synagoge über Grenzen zwischen Nationen, Sprachen, Religionen – aber vor allem über Grenzen im Kopf.

Von Ines Eifler
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Der Görlitzer Choreograf Dan Pelleg bei der letzten "Haltestelle" in der Fastenzeit im Kulturforum Synagoge.
Der Görlitzer Choreograf Dan Pelleg bei der letzten "Haltestelle" in der Fastenzeit im Kulturforum Synagoge. © Martin Schneider

Der Görlitzer Chefchoreograf des Theaters Dan Pelleg wurde in Israel geboren. Während in diesen Tagen viele Menschen in Gedanken in Jerusalem sind, auf Kreuzwegen pilgern oder das Heilige Grab besuchen, schaut auch er auf die Situation in seinem Herkunftsland: auf den "furchtbaren Krieg im Gazastreifen, der einfach nicht aufhören will".

Viele sähen sich gezwungen, auf die Straße zu gehen, für Frieden zu protestieren und – meistens – sich dabei zu positionieren: für Israel oder für Palästina. Die Grenze aber, sagt Dan Pelleg, verlaufe nicht zwischen Israelis und Palästinensern. "Die eigentliche Grenze" – so der Titel der letzten "Haltestelle" in der Fastenzeit im Kulturforum Görlitzer Synagoge – verlaufe zwischen jenen, die sich eine friedliche Koexistenz beider Völker vorstellen können, und denen, die zwar vom Frieden träumen, ihn aber vor allem für sich meinen und andere davon ausschließen.

In Jaffa sitzen Palästinenser und Israelis zusammen im Café

Diese Haltung des Ausschlusses habe er oft erlebt, sagt Dan Pelleg. Dass jemand vom Recht aller Menschen auf sauberes Wasser spricht, aber vor allem seinesgleichen, nicht jedes arme Kind weltweit meint. Dass Menschen sich als Musikliebhaber bezeichnen, aber nicht akzeptieren, dass zu dieser Gruppe auch Heavy-Metal-Hörer zählen. Zu den vielen strengen Geboten im Judentum gehöre es, dass man untereinander beim Geldverleih keine Zinsen erhebt. "Aber von Nichtjuden darf man Zinsen verlangen."

Fast 90 Zuhörer kamen ins Kulturforum Synagoge, als Dan Pelleg vor Ostern die letzte "Haltestelle" in der Fastenzeit gestaltete. Auch die ersten fünf ökumenischen "Fasten-Haltestellen" waren gut besucht.
Fast 90 Zuhörer kamen ins Kulturforum Synagoge, als Dan Pelleg vor Ostern die letzte "Haltestelle" in der Fastenzeit gestaltete. Auch die ersten fünf ökumenischen "Fasten-Haltestellen" waren gut besucht. © Martin Schneider

Gebe es im Israel-Palästina-Konflikt auf beiden Seiten Menschen, die jeweils die andere Seite ausschließen, so kenne er sowohl Israelis als auch Palästinenser, die sich ein friedliches Miteinander wünschen. In der uralten Stadt Jaffa etwa, heute ein Stadtteil seiner Geburtsstadt Tel Aviv, würden Cafés von Juden und Muslimen besucht. "Es muss nicht heißen, dass sie befreundet sind, aber ein Nebeneinander ist möglich."

Sprache und Nation sind keine Grenzen

Dan Pelleg war 1969 der Erste in seiner Familie, der in Tel Aviv geboren wurde. Seine Großeltern wanderten Anfang des 19. Jahrhunderts von Australien, aus dem Baltikum und Deutschland nach Südafrika aus, wo in den 1930ern seine Eltern und in den 1950ern seine beiden Geschwister geboren wurden. 1963 ging seine Familie nach Israel. "Anders als viele andere Juden haben wir kein Holocaust-Trauma", sagt Dan Pelleg.

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Dennoch kam auch er erstmals an den Holocaust-Gedenktagen mit der deutschen Sprache in Kontakt. Später sang er im Chor Bach, Mozart und Mendelssohn, an der Uni lernte er Deutsch in einem Sprachkurs. In dem Moment, als er sich mit Deutschen so gut verständigen konnte wie auf Hebräisch, sei ihm erstmals aufgegangen, dass die Sprache oder die Nation, an der viele "ihresgleichen" festmachen, nicht die "eigentliche Grenze" ist. Sondern dass verschiedene Lebenskonzepte auch Menschen trennen, wenn sie dieselbe Sprache sprechen.

Der politische Konflikt seines Landes begleite ihn dennoch. Als junger Tänzer kam Dan Pelleg nach Berlin, wohin er nach dieser Spielzeit auch wieder zurückgeht. Vor einigen Jahren, erinnert er sich, habe er einmal mit Schülern in Neukölln gearbeitet. "Als ich hörte, dass ihre Familien aus Syrien, Libanon und Palästina stammen, habe ich meine Herkunft lieber verschwiegen." Ein Kind erfuhr trotzdem davon und sprach ihn darauf an. Doch von Aggression keine Spur: "Du musst wirklich jeden Tag von Israel nach Berlin kommen?", habe es gefragt. "Diese Naivität, dieses kindliche Zutrauen wünsche ich mir manchmal auch für die großen Fragen", sagt Dan Pelleg. "In dieser Unschuld liegt die Hoffnung."