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Görlitz hat große Pläne für alten Schlachthof

Seit Jahren verfällt das Areal in der Innenstadt. Jetzt gibt es einen Vorschlag. Doch dafür müsste der beliebte Nostromo-Club weichen.

Von Sebastian Beutler
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Die Einfahrt des alten Schlachthofes auf der Cottbuser Straße in Görlitz.
Die Einfahrt des alten Schlachthofes auf der Cottbuser Straße in Görlitz. ©  Archivfoto: Nikolai Schmidt

Das Schlachthof-Gelände feierte unlängst seinen 140. Geburtstag. 1880 wurde der historische Schlachthof in Görlitz eingeweiht. Es war ein eher stilles Jubiläum. Kein Wunder: Seit fast drei Jahrzehnten ist der Schlachthof dicht. Das Gelände steht weitgehend leer, und die Gebäude verfallen mehrheitlich.

Dabei ist es nicht so, dass es in den vergangenen zehn Jahren nicht Ideen und Pläne gegeben hätte, das großflächige Areal zu beleben. Vor einigen Jahren versuchte ein Bielerfelder Projektentwickler mit jungen Görlitzern ein Gelände für Wohnen und Arbeiten zu planen. Doch es fehlten zahlungskräftige Investoren, so zerschlugen sich die Pläne. Der Eigentümer wollte zwischenzeitlich mal ein Fachmarkt-Zentrum errichten, doch zeigte sich die Stadt davon nicht begeistert.

Wenigstens am Rande des Geländes besteht Hoffnung. Dort will die Stadt ihre neue Oberschule errichten. Zwar ist etwas Sand in das Planungsgetriebe für dieses Vorhaben geraten, weil sich die Finanzierung über ein bestimmtes Förderprogramm zerschlug. Aber Bürgermeister Michael Wieler kündigte jetzt an, im Januar den aktualisierten Stand zur Schule vorzustellen. Eigentlich sollte das schon im Dezember geschehen, aber corona-bedingte Ausfälle im Schul- und Bauamt ließen das nicht zu.

Auch eine neue Perspektive für den Katastrophenschutz

Dafür könnte sich aber für das gesamte Schlachthof-Gelände eine Perspektive in der Stadtratssitzung am kommenden Donnerstag ergeben. Nach jahrelanger interner Prüfung schlägt die Verwaltung dem Rat nun vor, eine neue Berufsfeuerwehr an dieser Stelle zu errichten. Sie soll Kern eines Zivilschutzzentrums werden, das auch ein neues Domizil für den Katastrophenschutz bietet, dessen Räume in Klingewalde marode und keineswegs mehr zeitgemäß sind. Geht es nach den Plänen könnten auch dringend benötigte Lagerflächen für die Feuerwehr, aber auch für den Denkmalschutz und das Görlitzer Museum auf dem 22.000 Quadratmeter Areal entstehen. Die verschiedenen Depots sind derzeit über die Stadt verteilt.

Das alles steht in einer Vorlage, mit der der Stadtrat eine Grundsatzentscheidung vorbereiten und eine Machbarkeitsstudie auf den Weg bringen soll. Ein Baubeschluss ist es nicht.

Dabei würde die Stadt nicht ganz von Null anfangen. So hat das Görlitzer Architekturbüro von Christian Weise bereits vor fünf Jahren den Standort Krölstraße untersucht. Vor- und Nachteile zeigten sich schon damals bei einer Erweiterung. So könnte die Stadt hier ein benachbartes Grundstück der Stadtwerke hinzukaufen, um zusätzliche Stellplätze für die Feuerwehrtechnik zu schaffen. Doch durch die vorhandene Denkmalbebauung kommt man auch schnell an Grenzen. Das schränkt vor allem die Ein- und Ausfahrten ein, was für schnelle Einsätze besonders ins Gewicht fällt.

Solche Einschränkungen gebe es bei einem Neubau auf dem Schlachthofgelände nicht. Einige der Gebäude müssten abgerissen, andere könnten als Depot genutzt werden. Keinen wirklich großen Unterschied zwischen beiden Standorten gibt es bei der schnellen Erreichbarkeit des Stadtgebietes im Einsatzfall. Vom Schlachthofgelände wäre die Feuerwehr etwas schneller im Norden und Süden der Stadt.

Generell benötigt die Görlitzer Berufsfeuerwehr 12, künftig gar 17 Stellplätze für ihre Fahrzeuge sowie fünf Ausfahrten.

Völlig unklar, wie teuer der Bau werden könnte

Die neue Studie soll sicher auch einen Anhaltspunkt geben, wie teuer ein Neubau auf dem Schlachthofgelände werden würde. Für eine Erweiterung und Sanierung der historischen Berufsfeuerwehr an der Krölstraße rechnet man mit etwa 15 Millionen Euro. Ein Zivilschutzzentrum würde sicher teurer, könnte aber auf Strukturwandel-Gelder hoffen.

Beim Eigentümer des Geländes, der Landeskrone Fleisch GmbH, dürfte die Stadt offene Türen einrennen. Dessen Geschäftsführer Franz-Josef Gausepohl hatte bereits vor zwei Jahren gegenüber der SZ seine Bereitschaft erklärt, das Grundstück zu verkaufen - am liebsten im Ganzen. Daraufhin hatten sich auch führende Vertreter des Stadtrates seinerzeit für eine öffentliche Nutzung des Areals ausgesprochen, beispielsweise CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg. Er sah schon damals das Gelände sowohl für die Oberschule als auch für die Feuerwehr als günstig an, wobei er eher die neue Wache für die Freiwillige Feuerwehr Stadtmitte im Blick hatte. Die erhält aber genau gegenüber dem Schlachthof ab nächstem Jahr einen Neubau. Sie auch noch im Schlachthof zu integrieren, ginge nicht, erklärt Michael Wieler, zum einen zeitlich, zum anderen aber auch, weil sie sich beim Ausrücken mit der Berufsfeuerwehr gegenseitig behindern könnte.

Auch Stadtplaner Hartmut Wilke sprach 2018 beim Schlachthof von einer "Brache, die ein sehr hohes Potenzial für die Aufwertung der Innenstadt West" habe. Zwar versucht die Stadt bereits, mit den Projekten des Brautwiesenbogens den Stadtteil aufzuwerten. Mittlerweile ist die Waldorfschule im früheren Güterbahnhof entstanden, das Medizinische Labor Ostsachsen sanierte ein früheres Schulgebäude, die Bahnhofstraße wird komplett saniert am Dienstagmorgen freigegeben und der Brautwiesenpark soll nächstes Jahr fertiggestellt werden. Auch von der neuen Oberschule im Schlachthofgelände sowie dem soziokulturellen Zentrum Werk 1 erhofft sich die Stadt Impulse für das Stadtviertel, das sozial abzurutschen droht. Eine öffentliche oder öffentlichkeitswirksame Nutzung des gesamten Schlachthofgeländes könnte da ein weiterer Akzent sein.

Nostromo reagiert wütend

Der Nostromo-Club im Schlachthofgelände müsste den Plänen der Stadt weichen.
Der Nostromo-Club im Schlachthofgelände müsste den Plänen der Stadt weichen. © Archivfoto: Pawel Sosnowski

Allerdings gibt es ein Problem: Für die Berufsfeuerwehr müsste der Club Nostromo weichen. Er ist seit über 20 Jahren hier. Wo er sich jetzt befindet, plant die Stadt den Neubau für die Feuerwehr. Das sorgt bei den Betreibern des Nostromo für wütende Reaktionen. "Als ob dieses Jahr nicht beschissen genug gelaufen wäre, ist dieser Beschluss, von dem wir nur zufällig erfahren haben, ein fetter Schlag ins Gesicht aller, die ehrenamtlich etwas aufgebaut haben", hieß es am Wochenende auf der Facebook-Seite des Clubs. "Hier wird Ehrenamt mit Füßen getreten." Vor allem ärgert die Nostromo-Mannschaft, dass die Stadt mit ihr überhaupt nicht gesprochen hat.

Vor Journalisten aber erklärte schon am Freitag Bürgermeister Michael Wieler, dass - wenn der Stadtrat den Vorschlag der Verwaltung annimmt - es für das Rathaus eine Aufgabe ist, einen neuen Standort für das Nostromo zu suchen. Freilich: Ein Bau der Berufsfeuerwehr im Schlachthofgelände vor Ende der 2020er Jahre ist nicht zu erwarten. Die Stadt will sich gar nicht auf einen Zeitplan festlegen, spricht von einer "langfristigen Angelegenheit".

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