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So ein Zirkus! Hier wächst der Treffpunkt für Nachwuchs-Artisten im Görlitzer Werk I

150 Kinder dürfen ab September dort jonglieren und Einrad fahren. Der Bau bleibt spannend. Trotz Freistaat-Geld sehen die Vereinsmitglieder noch Kostenlücken.

Von Marc Hörcher
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Damit ihre Jungakrobaten nicht am Baugerüst turnen müssen, packen Anke Mauermann (rechts) und Louise Georgi beim Einrichten des "Cyrkus"-Raums selbst mit an.
Damit ihre Jungakrobaten nicht am Baugerüst turnen müssen, packen Anke Mauermann (rechts) und Louise Georgi beim Einrichten des "Cyrkus"-Raums selbst mit an. © Martin Schneider

Der Wanderzirkus beendet seine Reise. Dieses schöne Gefühl beschleicht Louise Georgi (41) vom deutsch-polnischen Zirkus-Projekt "Cyrkus", wenn sie durch die zukünftigten Übungsräume des Projekts im früheren Speisesall des Waggonbau-Werk I läuft. Seit über zehn Jahren gibt es das Projekt. Fünf Standorte gab es in dieser Zeit, immer wieder musste der Trägerverein "Kulturbrücken" ein neues Zuhause suchen, an dem für Zirkusmagie und gelebte Völkerverständigung mit den Nachbarn geprobt werden können. Das Domizil, das gerade entsteht, soll dauerhaft bleiben - alle unter einem Zirkusdach, endlich. Von innen sieht es sogar schon so aus, ist rot-weiß gestreift gestrichen. Drumherum tönen bislang noch Baugeräusche statt freudiges Gelächter und Zuschauergeraune, aber das soll sich ändern.

Louise Georgi ist Gründungsmitglied und hat die Reise von Anfang an begleitet, angefangen mit einem Domizil am Fischmarkt bis hin zum letzten feste Standort für die Übungsräume - der war in der Jakobstraße. Aktuell trainieren die großteils jungen und jugendlichen Teilnehmer an verschiedenen Orten verteilt in der Stadt fünf in Görlitz, einer in Zgorzelec. In der Wartburg albern unter anderem die Clowns herum, über den Boden der Turnhalle am August-Annen-Gymnasium rollen Einräder, am Lutherplatz finden offene Workshops statt, im Dom Kultury proben Band, Akrobaten und Jonglage-Künstler, im Camillo probieren sich Kleinkinder spielerisch aus beim "Babyzirkus" und in der Rabryka geht es mit der Tuchakrobatik auf Tuchfühlung. Letzteres sowie das freie Jonglage-Training werden auch für Erwachsene angeboten.

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Görlitzer kennen den Cyrkus etwa von Auftritten beim Altstadtfest oder beim Straßentheater-Festival Viathea. Manche der jungen Leute entwerfen auch eigene Vorstellungen, die sie etwa bei privaten Feiern, Hochzeiten oder Geburtstagen zum besten geben. Rund 150 Kinder nehmen die Angebote des Cyrkus wahr und lernen über das zirkuspädagogische Angebot, wie man sich schwungvoll in der Manege präsentiert. Drei davon sind Töchter von Anke Mauermann - und alle Mädels sind von Anfang an dabei. Die jüngste ist neun und lernt Tuchakrokatik, die mittelalte macht mit ihren 13 Jahren in der Jugendgruppe mit und die älteste ist mit 16 zur Co-Workshopleiterin aufgestiegen. Für die 41-jährige Lehrerin ist klar, dass sie das Hobby ihrer Töchter auch unterstützt, und so wurde sie nach und nach zur "Zirkus-Mutti", wie sie selbst sagt. Hier mal einen Schwung Kostüme nähen für die Gruppe, dort einen Knopf annähen. Mittlerweile ist sie Vereinsmitglied und kümmert sich darum, den Umbau des neuen Treffpunkts zu koordinieren.

Möglich wurde der Einzug im alten Industriegebäude gleich neben dem Forschungsinstitut Casus, weil der Freistaat Sachsen im vergangenen Jahr Fördermittel in Höhe von 244.000 Euro bis Ende 2025 bewilligte. Laut dem Kulturbrücken-Verein setzten sich Landtagsabgeordnete Franziska Schubert und Ex-Bürgermeister Michael Wieler sehr dafür ein. Die Sanierungsarbeiten übernehmen Firmen, die vom Gebäudeeigentümer Kommwohnen beauftragt wurden. Regelmäßig packen die Vereinsmitglieder vom Cyrkus auch selbst mit an, übernehmen das Streichen oder andere handwerkliche Tätigkeiten. Am Dienstagvormittag beispielsweise mussten im Hau-Ruck-Verfahren 22 Fenster geputzt werden. Der nächste größere Arbeitseinsatz steht am Wochenende an, jeweils am Freitag und Sonnabend von 9 bis etwa 19 Uhr. Da gilt es besagte Fenster einzubauen, außerdem alte Türen, die im Gebäudekomplex bereits vorhanden sind. Auch aus Kostengründen wurden keine neuen Türen bestellt.

Kostenlücken müssen gefüllt werden

Zum einen sei es schön, den eigenen Treffpunkt selbst zu gestalten, sagt Georgi, zum anderen ist das Selbstanpacken auch eine Kostenerleichterung. Denn der ein oder andere Punkt erwies sich als teurer als zuvor kalkuliert, etwa der Brandschutz und das Entfernen alter Entwässerungsrohre. Georgi hat das genau im Blick, sie kümmert sich im Vorstand um das Finanzmanagement des Kulturbrücken-Vereins, als eine der Hauptberuflichen dort. "Die Fenster zum Innenhof müssen noch erneuert werden", sagt sie und deutet auf die teilweise mit Brettern vernagelten Öffnungen, "bislang ist noch offen, wie wir das finanzieren".

Deswegen freut sich der Verein über weitere ehrenamtliche Helfer oder auch über Sachspenden wie Pinsel, Farbe oder Arbeitshandschuhe. Die Macher sind jedoch trotz mancher Kostenlücke optimistisch, am dritten September-Wochenende wie geplant den Startschuss für das neue Zentrum geben zu können. Der soll mit einem Zirkus-Festival gefeiert werden. Deutsche und polnische Zirkusartisten werden dort auftreten, aber ausdrücklich keine Mitglieder des Cyrkus-Vereins. Die können sich dann zurücklehnen und ausnahmsweise mal nur zuschauen beim bunten Treiben.