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Der lange Weg zum ICE Görlitz-Dresden – eine Endlos-Geschichte?

Seit zwei Jahrzehnten wird für eine bessere Eisenbahn-Infrastruktur in der Oberlausitz gekämpft. Warum es beim Schnellzug nur langsam vorangeht und welche Hoffnung bleibt.

Von Marc Hörcher
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In Görlitz wird es wohl noch bis weit ins nächste Jahrzehnt dauern, ehe ein ICE eintrifft.
In Görlitz wird es wohl noch bis weit ins nächste Jahrzehnt dauern, ehe ein ICE eintrifft. ©  dpa / Symbolbild

Seit dem Brandbrief, den Bürgermeister und Landräte der Kreise Görlitz und Bautzen an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geschrieben haben, ist nun knapp ein Jahr vergangen. Sie forderten darin eine zügigere Elektrifizierung der Bahnstrecken in der Lausitz, also Dresden-Görlitz und Dresden-Zittau. Den Brief unterzeichneten damals dutzende Kommunalpolitiker in Bischofswerda, darunter Landrat Stephan Meyer (CDU) und der Görlitzer OB Octavian Ursu (CDU). Nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass Politiker auf das Thema aufmerksam machen. Nun bringt Caren Lay, Lausitzer Bundestagsabgeordnete der Linken, die Elektrifizierung der Strecke Dresden-Görlitz nochmals auf den Tisch - und mahnt an, dass der Bund den Ausbau dieser Zugstrecke bereits vor Jahrzehnten vereinbart habe.

"Im Jahr 2003 hat die Bundesregierung schon einmal einen Vertrag über eine Streckenelektrifizierung in der Oberlausitz abgeschlossen – mit dem Nachbarland Polen. Damals ging es um eben jene Strecke Dresden-Bautzen-Görlitz-Wroclaw. Polen hat seinen Teil 2019 erfüllt, auf deutscher Seite steht bis heute kein Strommast", sagt Lay. Sie meint damit das bekannte Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung der Eisenbahnverbindungen Berlin–Warschau (Warszawa) sowie Dresden–Breslau (Wroclaw).

Vereinbart wurde damals, die Strecke auf eine Geschwindigkeit von 120 bis 160 km/h auszubauen und langfristig zu elektrifizieren. Die Fahrzeit von Dresden nach Breslau sollte "auf etwa 3 Stunden 45 Minuten für Züge der Kategorien EC und IC mit klassischen Eisenbahnfahrzeugen" reduziert werden.

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Man müsse sich "das Ausmaß dieses Versagens vor Augen führen: Kinder, die zur Vertragsunterzeichnung im April 2003 geboren wurden, sind in wenigen Wochen voll strafmündig, weil sie dann 21 Jahre alt werden. Es ist einfach absurd!", wettert die Linken-Politikerin Lay weiter. Die Bundesregierung solle "endlich ihre bereits bestehenden Verpflichtungen erfüllen und endlich die Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz auf den Weg bringen."

Kritik übt sie nicht nur an der Bundesregierung, sondern auch am sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer. Der stelle die Strecke Berlin-Dresden als "Prestige-Projekt" in den Vordergrund. Dabei zeige die immer volle A4, dass auf dieser Strecke die eigentliche Priorität bei der Elektrifizierung von Bahnstrecken in der Oberlausitz liegen müsse. Bundesverkehrsminister Volker Wissing und Kretschmer hatten angekündigt, sich noch in diesem Frühjahr treffen zu wollen, um eine Finanzierungsvereinbarung für die Elektrifizierung von Görlitz-Berlin abzuschließen. Bund und Freistaat sollten jedoch erstmal den einen Vertrag erfüllen, bevor man einen neuen abschließe, meint Lay dazu.

Schon 2013 sprach der Freistaat von Vorplanungen

Dass eine Elektrifizierung der Strecke Dresden-Görlitz für die Infrastruktur im Freistaat Sachsen eine wichtige Bedeutung hat, erklärt auch eine Sprecherin des sächsischen Verkehrsministeriums - verweist aber auf SZ-Nachfrage gleichzeitig darauf: Für Finanzierung, Planung und Bau der Strecke sei der Bund zuständig. Der Weg zum Schnellzug ist deswegen ein solch langer, weil Bund und Freistaat seit Jahren über die Finanzierung diskutieren. Bereits in dem Vertrag mit Polen von 2003 wird der Ausbau der Strecke ausdrücklich davon abhängig gemacht, ob in den Staaten der Vertragspartei das erforderliche Geld verfügbar ist.

Ein Blick ins SZ-Archiv verrät: Der Freistaat wollte schon 2013 Vorplanungen in Auftrag geben. Der damalige sächsische Wirtschaftsminister Sven Morlok (FDP) ging seinerzeit davon aus, "dass der Bund und die Bahn den Streckenausbau komplett bezahlen werden." Zwei Jahre später unterzeichnete der damalige Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) eine Planungsvereinbarung zur Elektrifizierung und übergab sie dem damaligen Bahnchef Rüdiger Grube. Die Finanzierung der Vorplanung kam vom Freistaat.

Zuletzt öffentlich über die Finanzierung sprachen Udo Witschas und Stephan Meyer (beide CDU), die beiden Landräte der Kreise Bautzen und Görlitz. Sie erklärten, insgesamt 300 Millionen Euro aus den Kohleausstiegsgeldern der Kommunen und des Freistaats Sachsen verwenden zu wollen, um damit die Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden-Görlitz und den Ausbau der A4 voranzutreiben.

Im Verkehrswegeplan des Bunds taucht die Elektrifizierung Görlitz-Dresden als "Vorhaben potenziellen Bedarfes" auf - bedeutet: andere Bauvorhaben haben Vorrang. Möglicherweise könnte die Priorität hochgestuft werden auf "vordringlichen Bedarf". Eine solche Neubewertung könne "frühestens 2024" passieren, äußerte die Bundesregierung voriges Jahr. Kommt die Elektrifizierung, möchte die Bahn dafür Bahnstromfernleitungen und Trafostationen einsetzen. Ein Angebot des kommunalen Stromversorgers Sachsen-Energie, stattdessen regionalen Strom zu verwenden, hatte die Bahn ausgeschlagen.

Freistaat und Bundesverkehrsministerium haben sich bereits darauf geeinigt, die Finanzierung der Strecke in zwei Teile aufzusplitten: Der Westabschnitt zwischen Dresden und Demitz-Thumitz soll dem sächsischen Verkehrsministerium zufolge "vollständig aus sächsischen Landesmitteln finanziert werden". Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz könnten dabei helfen. Der Westabschnitt soll bis Ende 2026 vollständig geplant sein und könnte ab 2028 gebaut werden.

Daran schließt der östliche Streckenabschnitt von Bischofswerda bis Görlitz an. Für letzteren Streckenabschnitt bestehe "aktuell keine gesicherte Finanzierung", mahnt das sächsische Verkehrsministerium an. Möglich wäre diese über das Bundesschienenwegeausbaugesetz. Das Geld gibt es aber nur dann, wenn der Bund den Ausbau im Verkehrswegeplan hochstuft.

Bund müsste das Projekt hochstufen

Das sächsische Verkehrsministerium habe eine solche Neuberechnung gegenüber dem Bund in jüngerer Vergangenheit immer wieder gefordert, sagt die Sprecherin. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) machte sich in Berlin mehrfach für die Elektrifizierung stark. Doch "sämtliche sowohl fachliche als auch politische Interventionen" seien bislang erfolglos beziehungsweise durch den Bund unbeantwortet geblieben, heißt es aus dem sächsischen Verkehrsministerium.

Die Umsetzung des Abkommens von 2003 halte man für "höchst überfällig". Sowohl in den vergangenen Jahren als auch aktuell würden "erhebliche Landesmittel des Freistaates Sachsen" eingesetzt, um das Projekt zu planen, beziehungsweise die Planungen zu vertiefen – "mit Blick auf das Abkommen eine ursächliche und zuständige Aufgabe des Bundesverkehrsministeriums. Einfluss auf den Bau hat der Freistaat allerdings nicht." Das Bundesverkehrsministerium hat auf einen Fragenkatalog der SZ zur Elektrifizierung der Strecke Dresden-Görlitz bislang nicht geantwortet.