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„Wir brauchen stündlich umsteigefreie Zugverbindungen nach Görlitz und Zittau“

Christoph Mehnert ist der neue Geschäftsführer des Verkehrsverbundes in der Oberlausitz. Wie er das Bahnangebot weiterentwickeln will und warum er manchmal Fotos aus dem Zug an die Länderbahn schickt.

Von Tim Ruben Weimer
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Christoph Mehnert war zuletzt Prokurist beim Verkehrsverbund Zvon. Zum 1. Januar 2024 hat er die Geschäftsführung übernommen.
Christoph Mehnert war zuletzt Prokurist beim Verkehrsverbund Zvon. Zum 1. Januar 2024 hat er die Geschäftsführung übernommen. © Steffen Unger

Bautzen. Zum Jahreswechsel hat Christoph Mehnert die Geschäftsführung des Zweckverbands Oberlausitz-Niederschlesien (Zvon), der den Zugverkehr in der Oberlausitz verantwortet, übernommen. Mehnert ist 54 Jahre alt und seit 1998 beim Zvon beschäftigt, wo er bisher vor allem für die Vergabe der Strecken an die Verkehrsunternehmen und die Verträge mit ihnen zuständig war. Mehnert ist auch Vorsitzender des CDU-Stadtverbands und sitzt für die CDU im Kreistag. Im Interview mit Sächsische.de erklärt er, wie es in der Zukunft mehr Zugverbindungen in die Oberlausitz geben kann und warum die nächste Fahrpreiserhöhung unausweichlich ist.

Herr Mehnert, Ihr Vorgänger Hans-Jürgen Pfeiffer hat eine Modelleisenbahn auf dem Dachboden stehen. Sie auch?

Nein. Ich hatte mal eine Modelleisenbahn, die ist noch bei meinen Eltern im Keller. Mein Bruder und ich haben sie erweitert, Spurweite TT, das war eine schöne Sache. Als ich ausgezogen bin, ist sie nicht mehr weiter gepflegt und auch nie ganz fertig geworden.

Ich habe dann Wirtschaftswissenschaften mit Vertiefung Verkehrswirtschaft an der damaligen Verkehrshochschule Dresden studiert. In meinem Studentenzimmer hatte ich Kommilitonen, die Zugstrecken abgefahren sind und sich Dampfloks angeguckt haben. Es gab Videoabende, zum Beispiel von der Dampflokeinfahrt in den Bahnhof Lauscha – das fand ich anfangs nicht so prickelnd. Aber Ende der 1990er-Jahre bin ich dann doch fast alle Eisenbahnstrecken in Ostdeutschland einmal abgefahren.

Wie oft sind Sie heute noch mit Bus und Bahn unterwegs?

Ich wohne in Bautzen, da muss ich nicht täglich mit dem Zug fahren. Aber ich versuche, dienstlich wie privat möglichst viele Strecken mit dem Zug zurückzulegen. Wenn’s passt, nutze ich auch dienstlich mal den Bus.

Regt sich auch ein Zvon-Geschäftsführer auf, wenn der Zug überfüllt ist?

Schön finde ich das natürlich nicht. Als ich vor Weihnachten mit meiner Frau nach Dresden gefahren bin, hatten wir einen guten Stehplatz direkt hinter dem Triebfahrzeugführer. Die zwei regulären Triebwagen haben schon ab Bautzen nicht mehr ausgereicht. Wenn dann noch ein Triebwagen fehlt, habe ich auch schon Fotos an die Länderbahn geschickt, um zu zeigen, wie es gerade im Zug aussieht – nicht im Sinne einer Beschwerde oder Vorführung, sondern damit sie mitbekommen, dass es gerade wieder einmal schiefgelaufen ist.

Was kann der Zvon tun, damit die Züge zu Stoßzeiten nicht so voll sind?

Wir können einen weiteren Triebwagen bestellen. Da stellen sich aber die Fragen nach dem Geld und der Verfügbarkeit. Der Triebwagen müsste an einer anderen Stelle "freigeschaufelt" und dann erst an die benötigte Stelle überführt werden. Wir müssen dann prüfen, ob sich das auch finanziell lohnt.

Ihr Vorgänger hat Jahr für Jahr davor gewarnt, dass Züge abbestellt werden könnten, weil die Finanzierung nicht gedeckt ist. Wie realistisch ist dieses Szenario?

Momentan haben wir für 2024 noch keinen beschlossenen Haushalt. Ob wir den im März bei der nächsten Verbandsversammlung beschließen können, weiß ich noch nicht, weil der Freistaat Sachsen die aufgestockte Finanzierungsverordnung noch nicht beschlossen hat. Wir könnten also nur einen Haushalt beschließen, der die Abbestellung von Zugkilometern beinhaltet. Wenn wir die zusätzlichen Zuwendungen des Bundes aufgrund der Energiepreisentwicklung nicht bekämen, würde es eng für uns. Mir fehlt für dieses Jahr aber die Vorstellung, dass wir tatsächlich Züge abbestellen müssten.

Wird der Zvon in Zukunft finanzielle Spielräume haben, um mehr Züge fahren zu lassen?

Wenn wir tatsächlich wie versprochen mehr Geld bekommen, könnten wir auch an der einen oder anderen Stelle mehr Züge fahren lassen. Wir müssen aber auch einen Ausgleich zwischen Bus und Bahn finden. Wir werden uns mit den Landkreisen verständigen, welchen Anteil sie für den von ihnen verantworteten Busverkehr von dem Geld abbekommen, das wir mehr bekommen. Ich gehe aber davon aus, dass es rein theoretisch möglich wäre, mehr Züge zu bestellen.

Wo würden Sie da ansetzen?

Die meisten Leute sind zwischen Dresden und Görlitz unterwegs. Es gab Ende 2017 die Strategiekommission des Freistaats Sachsen, die den Stundentakt im Regionalexpress Dresden – Görlitz als notwendiges Ziel gesehen hat. Wir kommen dem mit dem heutigen Fahrplan in Teilen nahe, aber noch nicht vollumfänglich. Eigentlich müsste man den Regionalexpress umsteigefrei jede Stunde fahren lassen. Momentan können die Fahrgäste nur alle zwei Stunden mit dem Regionalexpress durchfahren und müssen in den Stunden dazwischen in Bischofswerda umsteigen.

Auch auf der Strecke Dresden-Zittau: Sohland hat dort jetzt zusammen mit der Regionalbahn den Stundentakt, aber andere Stationen noch nicht. Nur alle zwei Stunden einen Zug fahren zu lassen, ist heutzutage ein schwieriges Angebot.

Woran hakt es neben der Finanzierung bislang?

Geld ist das eine, die Fahrzeuge sind das nächste, die Strecke das dritte. In Dresden fahren viele Linien los, die alle über die zwei Gleise am Klotzscher Berg müssen. Für weitere Züge in Richtung Görlitz ist da kaum noch Platz.

Wann steht die nächste Preiserhöhung bei den Fahrkarten-Tarifen an und warum ist die notwendig, wenn Sie doch mehr Geld bekommen?

Die Unternehmen im Zvon haben für den August 2024 die nächste Tariferhöhung beantragt. Angesichts des 49-Euro-Tickets, mit dem ich durch ganz Deutschland fahren kann, ist Kritik daran natürlich berechtigt. Trotzdem muss das Geld für die erbrachte Leistung irgendwo herkommen – in Teilen auch vom Fahrgast, damit er spürt, dass eine Zugfahrt etwas wert ist.

Aber durch eine Preiserhöhung werden ja gerade die Wenigfahrer bestraft.

Wenn der Preis für die Einzelfahrt zum Beispiel im Bautzener Stadtverkehr im Vergleich zum 49-Euro-Ticket unverhältnismäßig ansteigt, ist das in gewisser Weise ungerecht. Aber die Energie-, Personal-, Fahrzeugvorhalte-, Werkstatt- und Ersatzteilkosten steigen. Das 49-Euro-Ticket führt zu Verlusten bei den Verkehrsunternehmen, die vom Bund und den Ländern kompensiert werden müssen. Aber auch die darunterliegenden Tarife müssen angepasst werden.

Welchen eigenen Impuls wollen Sie als neuer Geschäftsführer im Zug- und Busverkehr der Oberlausitz setzen?

Mir ist es wichtig, in der Region noch einmal zu diskutieren, was die Vorteile unserer jetzigen regionalen Struktur sind. Es wird weiter Diskussionen geben, ob es in Sachsen fünf Verbünde braucht, auch im Hinblick auf die Landtagswahl. Wir können die Diskussionen aber anders führen, wenn wir den Rückhalt in der Region haben, dass wir mit der jetzigen Struktur nicht schlecht fahren.

Dass der Landkreis Bautzen auf zwei Verbünde aufgeteilt ist, ist natürlich nicht zufriedenstellend. Ich möchte gemeinsam mit dem benachbarten Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) besprechen, ob in der Zukunft zwischen beiden Verbünden noch mehr Gemeinsames passieren kann.