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Azubis brauen neues Görlitzer Bier

Das Görlitzer Altstadtlokal "Bierblume" wollte seine Lehrlinge während Corona bei der Stange halten. Da hatte man eine ungewöhnliche Idee.

Von Gabriela Lachnit
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Die Azubis (von links) Marcel Opitz, Julia Knop, Lena Kleint und Benjamin Mayerl stoßen in der Görlitzer "Bierblume" auf ihr selbst gebrautes Bier an.
Die Azubis (von links) Marcel Opitz, Julia Knop, Lena Kleint und Benjamin Mayerl stoßen in der Görlitzer "Bierblume" auf ihr selbst gebrautes Bier an. © Martin Schneider

Besondere Situationen erfordern außergewöhnliche Lösungen. Das dachten sich die Betreiber der Görlitzer Brauerei "Bierblume" und stellten ihren Auszubildenden (Azubis) die Aufgabe, ein Bier zu brauen - ganz unabhängig vom Beruf, den sie erlernen.

Heute Lehrling, morgen Fachkraft

Und so kam es, dass nicht nur angehende Brauer und Mälzer einen Brauauftrag für 180 Liter Bier erhielten, sondern auch künftige Bürokaufleute und Restaurantfachkräfte.

Ausgedacht haben sich das Diana-Klaus Metzner und Alexander Klaus, Betreiber der "Bierblume" in der Neißstraße. Wegen des Lockdowns waren die Azubis ebenfalls vom Homeschooling betroffen, ihre Lehrstätten zum Großteil geschlossen. "Wir mussten einfach etwas tun", sagt Diana Klaus-Metzner, "denn wir wollen die Lehrlinge unbedingt motivieren, am Ausbildungsberuf festzuhalten und nicht aufzugeben, auch wenn die Pandemie das gerade nicht einfach machte. Denn wir brauchen die Azubis von heute als Fachkraft für morgen", erklärt Diana Klaus-Metzner. So entstand auch der Name des Projektes: "Heute Lehrling - morgen Fachkraft". Vor allem aber sollte die Ausbildung in hoher Qualität fortgeführt und nicht durch die Pandemie ausgesetzt werden.

Wie wichtig das Halten des Nachwuchses in der Branche ist, zeigen auch die jüngsten Zahlen der Gewerkschaft NGG. Demnach haben sich mehr als 300 Fachkräfte aus Gaststätten und Hotels im Landkreis Görlitz schon bis Ende des vergangenen Jahres verabschiedet und sich andere Jobs gesucht.

Drei Monate lang arbeiteten Lehrlinge verschiedener Berufe in einem Projekt zusammen und brauten ein Bier. Offensichtlich machte ihnen das viel Spaß.
Drei Monate lang arbeiteten Lehrlinge verschiedener Berufe in einem Projekt zusammen und brauten ein Bier. Offensichtlich machte ihnen das viel Spaß. © privat

Nicht alles klappte auf Anhieb

Und so gingen die sechs jungen Leute - vier Azubis im ersten und zwei im zweiten Lehrjahr im Alter zwischen 17 und 27 Jahren - ans Werk. Zwei von ihnen absolvieren ihre Ausbildung im Wellnesshotel "Insel der Sinne" am Berzdorfer See. Die Azubis teilten sich in die Aufgaben und legten fest, wer welchen Beitrag leistet, damit am Ende ein verkaufsfähiges Bier entsteht, das den Kunden begeistert. Jeder sollte seine Kompetenzen einbringen. Von der Kalkulation und dem Einkauf der Zutaten über den Brauprozess bis hin zum Ausschank und der Präsentation waren die Azubis selbst für das Produkt verantwortlich.

Als sie sich darüber klar waren, ein vollmundiges, süffiges Bier mit rötlicher dunkler Farbe, fruchtigen Aromen und milder Bitterkeit zu brauen, ging es an die Rezeptur. Gemeinsam wurden die Zutaten kalkuliert, Schüttung, Farbe und Bitterkeit berechnet. Dem Tag des Brauens fieberten schließlich alle entgegen.

Doch so einfach ist das nicht, etliche Arbeitsschritte sind nötig, damit ein Bier entsteht. Prozesse wie Schroten, Maischen, Läutern, Kochen, Kühlen und Hefe geben waren nötig und wurden von allen sechs Azubis mitgemacht. Schließlich präsentierten sie ihr Bier. Sie tauften es auf den Namen "Novize".

Diana Klaus-Metzner und Alexander Klaus, Inhaber von "Bierblume" und "Weiberwirtschaft" in Görlitz. Ihren Azubis übertrugen sie in der Corona-Zeit viel Verantwortung.
Diana Klaus-Metzner und Alexander Klaus, Inhaber von "Bierblume" und "Weiberwirtschaft" in Görlitz. Ihren Azubis übertrugen sie in der Corona-Zeit viel Verantwortung. © Martin Schneider

Nicht alles klappte gleich auf Anhieb, manches Vorgehen diskutierte die Gruppe aus, auch Fehler wurden gemacht. Daraus konnten die Azubis lernen, was sie beim nächsten Mal anders und besser machen müssen. So wurden die ersten Flaschen des neuen Bieres ohne jegliches Etikett verkauft, weil der ursprüngliche Plan der Azubis fehlgeschlagen war. Ein Bekannter sollte die Etiketten nach den Vorstellungen der Azubis entwerfen. Dieser Plan ging nicht auf. "Wir haben dann Anhänger hergestellt mit den nötigen Angaben. Jede Flasche wurde zudem mit einem Bild des Azubis und dessen Unterschrift versehen. An klassischen Kordeln hingen wir die Anhänger an die Flaschen", berichtet die künftige Bürokauffrau Lena Kleint, die beim Projekt für die analogen und digitalen Mitschriften und Protokolle sowie für soziale Medien zuständig war.

Projekt soll im kommenden Lehrjahr neu aufgelegt werden

Die Azubis schätzen das Projekt als sehr lehrreich und interessant ein. "Mir wurden durch unsere Recherchen und Fehler die Zusammenhänge im Brauprozess besser bewusst", sagt beispielsweise Benjamin Majerl, der Brauer wird. Julia Knop, die erst vier Wochen nach Projektbeginn zum Team stieß, bemerkt, dass "wir am Anfang ein wenig mehr an der gemeinsamen Kommunikation hätten arbeiten sollen". Jakub Ozimkowski stimmt dem zu. Der angehende Brauer Macej Loknicki fand es schön, dass die Jugendlichen selbst Erfahrungen machen und sich ausprobieren konnten. Marcel Opitz schließlich hat gelernt, wie wichtig es ist, dass jeder die gestellte Aufgabe pünktlich erledigen muss, weil ansonsten Prozesse und Tätigkeiten ins Stocken geraten.

Derzeit stellt der Görlitzer Künstler Herrmann Rueth Bilder in der "Bierblume" aus.
Derzeit stellt der Görlitzer Künstler Herrmann Rueth Bilder in der "Bierblume" aus. © Bierblume/Klaus-Metzner

"Auch wir als Ausbilder haben bei diesem dreimonatigen Projekt eine Menge gelernt", sagt Diana Klaus-Metzner. Die Erkenntnis, dass Jugendliche ihre Ausbildung umso ernster nehmen, wenn man ihnen Verantwortung überträgt, führte dazu, dass das Projekt im nächsten Jahr erneut aufgelegt werden soll. Dann auch erneut mit Brauern und Mälzern, Restaurantfachkräften und Bürokaufleuten. "Der Erkenntnisgewinn ist für jeden Ausbildungsberuf groß", betont Diana Klaus-Metzner.

Die Restaurantfachleute seien nun in der Lage, Bier als Essensbegleiter anzubieten und dadurch in ihren Restaurants und Hotels alkoholische Alternativen zum Wein vorzuschlagen. "Das Projekt zeigt, dass sich das Bier zwar vom Brauer brauen ließ, dass es aber auch Restaurantfachkräfte braucht, die das Bier an den Verbraucher bringen. Und auch Bürokräfte sind nötig, um das Bier richtig zu bepreisen und die Menschen überhaupt darauf aufmerksam zu machen", erklärt die Ausbilderin.

Letzteres ist offensichtlich gelungen, denn die 360 Flaschen "Novize" sind inzwischen ausverkauft. Ob es gerade wegen der besonderen Etikettierung ein Renner war, bleibt offen.