SZ + Görlitz
Merken

Alstom-Zulieferer macht dicht in Görlitz

Die BSG Components GmbH & Co KG rettete vor knapp zwei Jahren die Jobs von 60 Waggonbau-Mitarbeitern. Jetzt kommt für die Firma selbst jede Hilfe zu spät.

Von Sebastian Beutler
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Noch stehen beide Firmenschilder gleichberechtigt vor dem Görlitzer Waggonbau. Das der BSG wird bald verschwinden.
Noch stehen beide Firmenschilder gleichberechtigt vor dem Görlitzer Waggonbau. Das der BSG wird bald verschwinden. © Martin Schneider

Selten war ein Unternehmen mit so großen Hoffnungen gestartet. Als Mike Klaus Barke und sein Geschäftspartner Hans Christian Zinke 2020 die BSG gründeten, waren sie optimistisch, mit der Übernahme der Teilefertigung aus dem Görlitzer Waggonbau nicht nur ein wichtiger Alstom-Zulieferer zu werden und zu bleiben, sondern durch Aufträge von Dritten auch weitere Jobs zu schaffen.

Keine zwei Jahre später ist diese Zuversicht Ernüchterung gewichen. Die BSG Components GmbH & Co KG wird zum 31. Juli ihre Türen schließen, alle Mitarbeiter haben die Kündigung erhalten und sich auf der Arbeitsagentur als arbeitssuchend gemeldet. In Spitzenzeiten hatte das Unternehmen dem Vernehmen nach über 100 Beschäftigte, in der Regel waren es rund 60.

Guter Start - schnell aber Probleme

Über die Frage, was schiefgelaufen ist, sprach die SZ mit vielen Mitarbeitern oder Akteuren, die Einblick in das Unternehmen haben. Mit Namen wollen sie nicht in diesem Beitrag auftauchen, entweder weil sie auch in Zukunft auf eine Zusammenarbeit mit Alstom hoffen oder in der Region bleiben wollen und hier nach einem Neuanfang Ausschau halten. Doch ihre Angaben ermöglichen es, ein Bild über die Ursachen für die Schwierigkeiten des Unternehmens zu zeichnen.

An sich war die Firma mit erfahrenen Waggonbau-Mitarbeitern gut gestartet. Die BSG ist ein wichtiger Zulieferer von Alstom, kein Straßenbahnwagen aus Bautzen - auch nicht die neuen für Dresden - kein Doppelstockwagen oder ICE4-Wagen kommt ohne die Teile der BSG aus, seien es Gepäckablagen, Verkleidungen, Schränke und vieles mehr. Schnell wies man durch Zertifikate auch seine speziellen Kenntnisse etwa beim Schweißen nach.

Zusagen von Alstom fehlten

Neue Maschinen sollten angeschafft, fast 10 Millionen Euro investiert werden. Dazu stand das Unternehmen in Verhandlungen mit Fördermittelgebern. Die wollten aber eine Garantie, dass die Jobs fünf Jahre erhalten bleiben. Doch solange wollte Alstom sich nicht verbindlich an die BSG binden. So konnten die Fördermittel nicht in Anspruch genommen werden, was die Liquidität des Unternehmens belastete, denn die Maschinen standen schon da.

Auch gab es Probleme, sich im Waggonbaugelände zu erweitern. Von Bombardier/Alstom hatte die BSG eine große Halle übernommen, benötigte aber weitere Flächen für die Logistik, um das Geschäft mit anderen Partnern zu forcieren. Und schließlich scheiterte das Unternehmen auch daran, sich mit Alstom über eine stärkere Stromversorgung zu einigen.

So ging das Unternehmen im Sommer vergangenen Jahres bereits in eine eigengeführte Insolvenz. Da die Probleme aber nicht gelöst werden konnten, ging sie nahtlos in eine "normale" Insolvenz über. Der Dresdner Insolvenzverwalter, der in dieser Woche für sächsische.de nicht zu sprechen war, sah schließlich keine Chance für die Weiterführung des Betriebes.

Alstom-Betriebsratsvorsitzender ärgert sich fürchterlich

Aufmerksam hat auch René Straube, Betriebsratsvorsitzender des Görlitzer Alstom-Werkes, die Entwicklung bei der BSG verfolgt. Bis 2012 hatte der heute 57-Jährige sein Berufsleben in der Teilefertigung des Waggonbaus verbracht, ehe er in die Logistik wechselte. Viele der Mitarbeiter der BSG waren früher seine Kollegen. Es sei eine ganz "bittere Geschichte" und eine "Tragödie für die Leute", vor allem aber "ärgere ich mich selbst fürchterlich" über die Entwicklung.

Dabei war Straube an der Übernahme der Teilefertigung durch die BSG nicht beteiligt. Das sei eine aufdiktierte Vereinbarung aus Berlin gewesen, ohne die Beteiligung des Görlitzer Standorts - und zwar sowohl auf der Seite der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Es sei reiner Dogmatismus gewesen, der damals Bombardier dazu bewogen habe, sich von der Teilefertigung zu trennen. In Bautzen wurde die Abteilung gleich geschlossen, in Görlitz übernahm wenigstens die BSG. Doch nun ist auch das vorbei.

Die Schließung des Betriebs hat auch für die Stadt Görlitz Auswirkungen, hatte doch die Stadt die Absicht, ein Grundstück im neuen Gewerbegebiet Schlauroth an Barke zu verkaufen. Der Stadtrat fasste einen entsprechenden Beschluss im vergangenen Jahr. Barke wollte dort ein 3-D-Druck- und Servicezentrum für Bahn-Reparaturen mit zunächst 25 Arbeitsplätzen errichten. Was daraus wird, ist völlig offen.