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Großenhains Bürgermeister schließt Projekte wie Karls Erdbeerhof auf dem Flugplatz aus

Am 9. April werden Sven Mißbach und die Stadträte von Großenhain mit Sachsens Ministerpräsident über das künftige Industriegebiet sprechen. Neuigkeitsgehalt offen.

Von Catharina Karlshaus
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Großenhains Oberbürgermeister Sven Mißbach auf dem Areal des Flugplatzes. Das künftige Industriegebiet war im Frühjahr vergangenen Jahres weltweit in die Schlagzeilen geraten.
Großenhains Oberbürgermeister Sven Mißbach auf dem Areal des Flugplatzes. Das künftige Industriegebiet war im Frühjahr vergangenen Jahres weltweit in die Schlagzeilen geraten. © Kristin Richter

Großenhain. Gut ein Jahr ist es her. Gut ein Jahr, als begonnen hat, was nicht nur vielen Röderstädtern bestens in Erinnerung bleiben dürfte. Etwa Oberbürgermeister Sven Mißbach, der noch genau weiß, dass der 26. März ein Montag gewesen sei. Mitten in den an sich ohnehin gut mit Terminen gefüllten Tag wäre geplatzt, was die Region monatelang in Atem halten sollte.

Die Nachricht, dass die Leipziger Volkszeitung exklusiv davon Kenntnis zu haben schien, auf der Fläche des ehemaligen Militärflugplatzes werde vermeintlich eine Pulverfabrik der Rheinmetall AG errichtet, sollte Großenhain gewaltig in die Schlagzeilen bringen. Nicht nur über die Grenzen des sächsischen Freistaats hinaus - ihm gehört das 146 Hektar große, bebaubare Areal, - sondern die Kommune wurde in ein weltweites Netz an Spekulation, Bewertungen und Meinungsbildung katapultiert.

Eine Situation, die erst im Sommer durch den Rüstungskonzern selbst mit einer klaren Absage an Großenhain beendet wurde. Am 9. April - also über ein Jahr später - will sich nun Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer mit den Stadträten über die Entwicklung des traditionsreichen Areals unterhalten. Was sich die Verwaltung davon erhofft, erfuhr Sächsische.de im Gespräch mit Sven Mißbach.

Am Rande seines Besuches im Großenhainer Polizeirevier am Ende vergangener Woche kündigte der Ministerpräsident sein baldiges Kommen an. Gibt es dafür einen aktuellen Anlass?

Nein. Wenn Sie so wollen, ist es ein Überbleibsel aus dem vergangenen Jahr. Nachdem der Stadtrat und die Verwaltung der Sächsischen Staatskanzlei unsere eindeutige Position zu vermeintlichen Ansiedlungsplänen von Rheinmetall mitgeteilt hatten, bestand der Wunsch nach einem Gespräch mit dem Freistaat. Herr Kretschmer rief mich dann auch an und sagte sofort sein Kommen zu. Aus unterschiedlichen Gründen ergibt sich nun erst jetzt die Gelegenheit, über die wir uns aber trotzdem sehr freuen.

Die Freude wäre vermutlich noch größer, wenn es einen potenziellen Investor gäbe, der Interesse für das Areal bekundet. Hat da jemand in den vergangenen Monaten an die Großenhainer Rathaustür geklopft?

Weder an die Tür des Rathauses noch an die der Staatskanzlei. Allerdings hat das absolut gar nichts - wie ja so oft vermutet wird - mit einem womöglich schlechten Image unserer Stadt nach der Absage an Rheinmetall zu tun. Das hat nun wirklich keinen Schaden genommen.

Stattdessen hat sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland drastisch verändert. Angesichts dessen, dass die Energie- und Gaspreise im internationalen Vergleich in der Bundesrepublik mit am höchsten sind, siedeln sich viele Unternehmen lieber woanders an. Selbst deutsche Betriebe verlagern ihre Produktion aufgrund der immens gestiegenen Kosten ja lieber ins Ausland. Insofern benötigt man in der jetzigen Zeit für solch ein millionenschweres Vorhaben wohl noch etwas Geduld und einen langen Atem.

Das brandenburgische Grünheide hat mit der Erweiterung von Tesla oder die nahe gelegene Landeshauptstadt, in welcher sich jetzt das taiwanesische TSMC ansiedelt, durchaus bewiesen, dass es gehen kann. Macht das nicht Hoffnung für Großenhain?

In gewisser Weise schon. Aber abgesehen davon, dass auch in Grünheide und in Dresden erst einmal eine umfangreiche Erschließungsarbeit geleistet werden muss, darf man nicht die Größe unserer Fläche vergessen. 146 Hektar, deren Boden stark kontaminiert gewesen ist, auf dem entsprechende Medien verlegt und notwendige Zuwegungen geschaffen werden müssen, sind eine echte Herausforderung. Logistisch und für den sächsischen Freistaat als Eigentümer des Grundstücks natürlich vor allem finanziell.

"Karls Erdbeerhof in Großenhain ist völlig unrealistisch"

Inmitten der Rheinmetall-Debatte klang es zuweilen so, als würde ein Investor gleich mit dem Bagger anrücken können. Was tut sich denn im Moment?

Stimmt, dieses Bild wurde in der Öffentlichkeit von Sachsen bis Amerika vermittelt. Aber absolut zu Unrecht! Die Altlastensanierung des Bodens befindet sich in den letzten Zügen, was schon einen Meilenstein bedeutet, keine Frage. Aber darüber hinaus ist noch nichts passiert. Strom, Wasser sollten als Nächstes folgen. Ich hoffe sehr, dass wir in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten diese Vorhaben in diesem Jahr auf den Weg bringen können. Was jedoch nichts daran ändern wird, dass es aus meiner Sicht noch Jahre brauchen wird, bevor eine Ansiedlung möglich ist.

Fehlt da vielleicht auch ein wenig der öffentliche Druck?

Ich würde es eher als Handlungsdruck bezeichnen, der tatsächlich dann entstehen würde, wenn es einen konkreten Interessenten für das Areal gäbe. Vielleicht kommt er nun im Zuge der TSMC -Ansiedlung zustande. Überlegenswert wäre es beispielsweise, ob sich im hiesigen Industriegebiet nicht ein bis zwei große Zulieferbetriebe ansiedeln könnten, die der Chiphersteller bräuchte. Dann würde sich nicht nur eine Perspektive für Großenhain abzeichnen, sondern sich auch ein Zeit-Fenster auftun.

Einheimische Kritiker beklagten nicht zuletzt vor dem Hintergrund der möglichen Rheinmetall-Ansiedlung, man habe es sich doch mit Karls Erdbeerhof so viel einfacher machen können. Herr Mißbach, haben Sie auch schon mal in einer stillen Stunde daran gedacht?

Was sollen denn das für Früchte sein, die da auf der kontaminierten Fläche heranwachsen? Nein, ganz ehrlich, das ist völlig unrealistisch. Natürlich habe ich solche Stimmen auch schon gehört. Aber wenn man bedenkt, dass der größte Erdbeerhof innerhalb der Karls-Familie in Rövershagen bei Rostock rund 4,5 Hektar groß ist und wir hier in Großenhain mit 146 ins Rennen gehen, kann man sich die Frage selbst beantworten.